EU-Grünbuch zum Online-Glücksspiel
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Die EU-Kommission am Donnerstag ein Grünbuch (PDF) zum Online-Glücksspiel veröffentlicht und eine entsprechende Konsultation eingeleitet, die bis zum 31. Juli laufen soll. Die Kommission zielt dabei „nicht auf eine Liberalisierung, sondern auf eine zuverlässige Regulierung des Markts für Online-Gewinnspieldienste im Interesse aller“ ab, wie es in einer Pressemitteilung heißt.
Vier Monate haben die Mitgliedsstaaten, das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie „alle anderen interessierten Stellen“ Zeit, entsprechende Kommentare zum Grünbuch in Brüssel zu deponieren. Nach der Auswertung der Informationen wird die EU-Kommission dann „Entscheidungen über etwaige Folgemaßnahmen“ treffen.
Im Rahmen der öffentlichen Anhörung will die Kommission unter anderem erörtern, wie Betrug, Geldwäsche und „andere kriminelle Machenschaften“ am besten aufgedeckt werden können. Auch der Spielsucht will sich die Kommission annehmen: Welche Präventionsmaßnahmen können ergriffen, wie Minderjährige geschützt werden? Generell soll mit der Anhörung Klarheit über die nationalen Regelungen des Glücksspiels geschaffen werden, ebenso wie Gebühren erhoben werden können. Auch die vorhandenen Systeme zur Durchsetzung von Rechtsvorschriften sollen unter die Lupe genommen werden.
"Keine wirksame Durchsetzung von Rechtsvorschriften"
Derzeit hätten die Europäer Zugang zu einem großen illegalen grenzüberschreitenden Glücksspielmarkt, „weil dieser de facto toleriert wird oder weil keine wirksame Durchsetzung der bestehenden Vorschriften gegeben ist“, so die Kommission. Auf eine zugelassene Poker- oder Sportwetten-Website kämen weltweit mehr als fünf Portale ohne Genehmigung. Mittlerweile gebe es fast 15.000 „einschlägige“ Websites, im Jahr 2008 hätten sich die Jahreseinnahmen auf mehr als sechs Milliarden Euro belaufen. „Und der Umfang dieses Markts soll sich bis 2013 sogar noch verdoppeln“, so Barnier.
Große Unterschiede in der EU
In puncto Online-Glücksspiel sind die Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten groß. Während etwa in Großbritannien Online-Glücksspiel mehr oder weniger vollständig liberalisiert ist, dürfen in Deutschland bisher - theoretisch - nicht einmal Online-Sportwetten angeboten werden. Praktisch machen private Anbieter aber bereits beträchtliche Umsätze in der Bundesrepublik. Im September 2010 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) massive Bedenken gegen das deutsche Glücksspielmonopol geäußert, nun ist der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) damit befasst.
Einige Länder sind gerade dabei, das Online-Glücksspiel zu regulieren, so will die österreichische Regierung bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode Regeln schaffen, bekräftigte eine Sprecherin von Staatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) am Donnerstag . Sportwetten sind hierzulande schon lange liberalisiert. In den meisten Fällen gibt es gegen Glücksspielplattformen keine rechtliche Handhabe, private Anbieter argumentieren vielfach mit der Dienstleistungsfreiheit der EU: Mit einer Lizenz von Malta oder Gibraltar, wo viele ihren Sitz haben, dürfe in der gesamten Union angeboten werden.
Rechtssicherheit
Angesichts der „dynamischen Entwicklung“ der Glücksspieldienste im Netz will EU-Kommissar Barnier prüfen, „wie im Binnenmarkt potenziell voneinander abweichende Modelle koexistieren können“ - um Rechtssicherheit und einen „wirksamen Schutz der EU-Bürger“ zu gewährleisten.
Das Grünbuch ist in der Branche schon lange erwartet worden, eigentlich wäre die Veröffentlichung noch im Jahr 2010 geplant gewesen.
Lottereien erfreut, Private Anbieter "besorgt"
Friedrich Stickler, Präsident der (staatlichen) Europäischen Lotterien, begrüßt den „Sinneswandel der Kommission“. In seinen Augen zielt der politische Prozess, der durch das Grünbuch gestartet wurde, „in keinem Fall darauf ab, das Online-Glücksspiel zu deregulieren“.
Ganz anders wird die Binnenmarktfrage wenig überraschend von privaten Wettanbietern bewertet. Man sei „zutiefst besorgt darüber, dass das Papier sich hauptsächlich mit der Situation in den Mitgliedstaaten und nicht mit der EU-Ebene befasst, obwohl dieser Wirtschaftssektor von Natur aus grenzüberschreitend ist“, so Sigrid Ligne, Generalsekretärin der European Gaming and Betting Association (EGBA), der unter anderem der Wiener Anbieter bwin und bet-at-home angehören.
Die EGBA urgierte deshalb neuerlich einheitliche EU-Rahmenbedingungen für Online-Glücksspiel. EU-Kommissar Barnier selbst betont in dem Grünbuch, dass die Kommission „ohne vorgefasste Meinung“ in die Anhörung gehe.
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