Zickzack-Kurs bei Vorratsdatenspeicherung
Zickzack-Kurs bei Vorratsdatenspeicherung
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ÜBERWACHUNG

EU-Think Tank: Vorratsdaten-Richtlinie aufheben

Bereits 2006, als aus Brüssel die „Order“ an die EU-Mitgliedsstaaten erging, eine Vorratsdatenspeicherung ( VDS) umzusetzen, merkte der deutsche Datenschützer Thilo Weichert an, dass es keinen Grund gibt, eine verfassungswidrige Richtlinie umzusetzen. Fünf Jahre später haben diverse oberste Gerichte der Mitgliedsstaaten bereits entschieden, dass eine VDS gegen die jeweiligen Verfassungen verstoßen, andere ließen zwar die VDS prinzipiell zu, setzen ihr aber hohe Hürden. Letztendlich musste auch die EU-Kommission, die den Zustand der VDS seit derer Einführung evaluierte, zugeben, dass die Richtlinie, die mit dem Ziel angetreten war zu harmonisieren, diesem Ziel in keiner Weise entspricht.

"Gravierende Mängel"
Doch das war nicht die einzige Kritik, die auch die Kommission an der Richtlinie üben musste. Zäh hielt sie zwar an der Richtlinie fest, stellte jedoch auch „gravierende Mängel“ fest. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, die die Ergebnisse der Evaluierung veröffentlichte, kommentierte dies mt den Worten: „"Deswegen ist es meine Absicht, die Richtlinie zu überprüfen und klar zu regeln, wer auf die Daten zugreifen darf, zu welchem Zweck und welche Verfahren dabei zu beachten sind."

Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eben diesen Aspekten bisher wenig Rechnung getragen wurde – für die EU ist dies auch Grund genug, die Richtlinie erneut zu überarbeiten, was jedoch nicht vor Ende 2011 (wahrscheinlich eher später) zu einem Ergebnis führen wird. In der Zwischenzeit jedoch, so heißt es seitens der Kommission, müsse die bisherige Richtlinie umgesetzt werden, schließlich hätten die EU-Staaten sie gewollt. Dies ist eine Ausrede, denn den EU-Staaten steht es frei, eine VDS ohne „Druck von Brüssel“ umzusetzen. Doch abgesehen davon bleibt also die Order, eine eindeutig fehlerhafte Maßnahme, die in bisher einmaliger Weise in die Privatsphäre aller TK-Teilnehmer eingreift, gesetzlich zu zementieren, will man nicht Strafzahlungen umgehen.

EU Think Tank hält Richtlinie für unzureichend und empfiehlt deren Aufhebung
Kritik an dieser Vorgehensweise kommt momentan auch von eher ungewohnter Weise. Das CEP (Centre for European Policy) sieht sich selbst als „europapolitischen Think-Tank der Stiftung Ordnungspolitik. Es analysiert die volkswirtschaftlich relevanten Vorhaben der EU und entwickelt Strategien für die europäische Politik.“ Neben dem Vorstand und ehemaligen Kurator der „Initiative Neue Deutsche Marktwirtschaft“, Prof. Dr. Lüder Gerken, sitzen im Kuratorium des CEP so illustre Menschen wie der ehemalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog, der ehemalige Chef der Deutschen Bundesbank, Hans Tietmeyer sowie der ehemalige EU-Kommisar Frits Bolkestein. Das CEP hat seinerseits nunmehr einen Bericht zur VDS-Richtlinie vorgelegt und kommt darin zu Ergebnissen, die bei den Apologeten der VDS noch für einiges Kopfzerbrechen sorgen werden.

„Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten einleiten will, die die unzureichende Richtlinie noch nicht umgesetzt haben. Die Nachteile, die mit der Vorratsdatenspeicherung verbunden sind, stehen völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen, die sie bewirkt. Die Regelungen verstoßen daher gegen die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens, auf Datenschutz und auf die Berufs- und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. „ heißt es in der Kurzanalyse und auch in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit fällt die Analyse vernichtend aus.

„Der Bericht kann die Bedenken gegen die Eignung der VDS zur Bekämpfung schwerer Kriminalität nicht beseitigen.
[…]
Die Nachteile, die mit der VDS verbunden sind, stehen völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen, die sie bewirkt....
[…]"

Das CEP empfiehlt, die Richtlinie aufzuheben und stattdessen das „Quick Freeze“-Verfahren zu etablieren. Eine Empfehlung, die schon seit langem von Datenschützern vertreten wird. Dass sich ein politischer Think Tank, bei dem es nicht so einfach sein wird, die Empfehlung beiseite zu wischen, wie dies oft bei „Bürgerrechtlern und Datenschützern“ getan wird, diesen Empfehlungen anschließt, wird ohne Zweifel neue Bewegung in die Diskussion um die VDS bringen.

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