Facebook geht auf eMail-Empfang
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Es ist nicht ein eigener eMail-Dienst geworden, sondern mehr: Das glaubt zumindest Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der Montag Abend in San Francisco ein neues Nachrichten-System für das Online-Netzwerk mit offiziell 500 Millionen Mitgliedern ankündigte. "Ich glaube nicht, dass eMail ein zeitgemäßes Kommunikations-System ist", so der 26-Jährige. "Ich frage Schüler immer, welche Software sie benutzen. Viele erzählten mir: Wir benutzen eMail nicht wirklich, weil es zu langsam ist." Man müsse die eMail-Adresse eintippen, den Betreff ausfüllen und eine kurze Einleitung schreiben. "Sie nutzen lieber SMS und Facebook", so Zuckerberg.
Diesem - auch durch Facebook selbst - veränderten Kommunikationsverhalten will Zuckerbergs Firma nun Rechnung tragen. "Ich will heute ein zeitgemäßes Nachrichten-System vorstellen", vermeldete der Facebook-Chef vor Bloggern und Journalisten in San Francisco. Mit einem grundlegend überarbeiteten "Messages"-System, das nach wie vor im eigenen Profil abgerufen wird, sollen in Zukunft auch SMS, Chats (z.B. AIM, Windows Live Messenger) und eMails ihren Weg in die Inbox der Nutzer finden. Damit werden die seit längerem kritisierten Direktnachrichten, von denen pro Tag vier Milliarden verschickt werden sollen, stark aufgewertet. Allerdings sind die neuen Funktionen nicht sofort nutzbar, sondern werden in den kommenden Monaten nach und nach für die Mitglieder freigeschaltet.
@facebook.com
"Die Menschen werden @facebook.com-Adressen haben können, aber es ist nicht eMail", so Zuckerberg. Nach dem Schema //maxmustermann@facebook.com// soll man sich in Zukunft seine eigene Adresse anmelden können. Nutzer, die bereits eine eigene Facebook-URL (z.B. //www.facebook.com/maxmustermann//) gesichert haben, werden dann auch die Möglichkeit haben, eine entsprechende Mail-ID zu haben.
Abgerufen werden die eintrudelnden Nachrichten nicht unter einem Account unter www.fb.com, wie im Vorfeld spekuliert wurde, sondern unter "Nachrichten" im eigenen Profil. Dort werden in einer einem Live-Chat ähnelnden Ansicht die Konversationen mit den einzelnen Kontakten (Facebook-Freunde, eMail-Korrespondenz) in einer verkehrt chronologischen Liste angezeigt - egal, ob die Nachrichten Facebook-intern, per eMail, von einem Chat-Dienst oder per SMS versendet wurden. Diese so genannte "Conversation Hi"story"" hat Chats zum Vorbild, in denen Meldungen in Echtzeit eingeblendet werden. IMAP wird von dem neuen System auch unterstützt, außerdem wird es eine API geben, über sich weitere Chat-Dienste anbinden können.
Damit Nichtmitglieder SMS-Nachrichten von Mitgliedern empfangen können, müssen sie sich dafür registrieren - ein gefinkelter Weg von Facebook, um mehr Personen erfassen zu können.
Sozialer Filter
"Weil wir wissen, wer deine Freunde sind, wissen wir, was dich interessiert", so Zuckerberg. "So können wir jene Nachrichten ausfiltern, die du nicht lesen willst." Als Nutzer wird man entscheiden können, von wem man überhaupt Nachrichten bekommen darf ("Alle", "Freunde von Freunden", "Nur Freunde"). Die erhaltene Post wird nach sozialen Gesichtspunkten sortiert: Meldungen von engen Freunden haben Priorität, Nachrichten von Gelegenheits-Kontakten landen in einem seperaten Ordner. Anders als traditionelle eMail-Anbieter wird nicht nach Stichworten oder verdächtigen Absendern gefiltert. Vielmehr soll das soziale Beziehungsgeflecht jedes Nutzers selbst zu einem Auffangnetz der wirklich relevanten Nachrichten werden.
Versichert wurde, dass sich jede Nachricht löschen ließe.
Daten-Magnet
Wie viel Speicherplatz pro Nutzer kostenlos bereitgestellt wird, wurde nicht verraten. Sicher ist, dass sich Facebook in der nächsten Zeit viel Datenverkehr erwartet: Kürzlich wurde mit dem Bau eines neuen Rechenzentrums um 450 Millionen US-Dollar im US-Bundesstaat North Carolina begonnen. Maßgeschneiderte Werbung wird vorerst nicht in den Nachrichten angezeigt, die von Facebook aus an Mailboxen versendet werden.
Mit 350 Millionen Nutzern, die täglich das derzeitige, sehr rudimentäre Messaging-System nutzen (es gibt keine Weiterleitungen oder Dateianhänge), hat Facebook gute Chancen, seinen neuen Dienst unters Volk zu bekommen. Zum Vergleich: Hotmail von Micorsoft hält bei 360 Millionen Nutzern, Yahoo!-Mail bei 270 Mio. Gmail von Google bei 190 Mio. "Ich glaube nicht, dass alle ihre Yahoo!- und Gmail-Accounts löschen und komplett zu Facebook wechseln", so Zuckerberg. "eMail ist für viele Leute noch sehr wichtig, und Google hat mit Gmail ein tolles Produkt dafür." Bemerkung am Rande: Facebook-Mitarbeiter sind ab sofort unter der eMail-Endung @fb.com erreichbar.
(Jakob Steinschaden)
Kommentare