© David Kotrba

RTR-Interview

Heimische Provider greifen Netzneutralität aktiv an

Der Angriff der Telekomprovider auf die Netzneutralität ist in Österreich bereits voll im Gange. Der Drei-Deal mit Spotify war der Anfang, LTE-Leistungsklassen stehen bereits zur Debatte, und in Wahrheit überlegen bereits alle drei Provider hinter verschlossenen Türen, wie sie am besten für Zusatzleistungen Geld verlangen könnten. Dass die EU-Regelung zur Netzneutralität auf Eis liegt, kommt den Anbietern dabei nicht ungelegen. Die futurezone traf den Geschäftsführer der RTR, Johannes Gungl, am Rande der Konferenz "Netzneutralität im Lichte der Konvergenz" zu einem Interview. Auf der Konferenz drohte Drei-Chef Jan Trionow bereits mit einem "Ende der Flat-Fees", wenn es zu einer starken Regelung zur Netzneutralität kommen sollte.

Futurezone: Die Exklusivpartnerschaft von Drei und Spotify setzt auf das Streamen von Musiktiteln, ohne dass der anfallende Datenverbrauch vom mobilen Datenvolumen abgebucht wird. Die Regulierungsbehörde RTR hat sich diesen Deal näher angesehen und evaluiert, ob dabei die Netzneutralität verletzt wird. Zu was für einem Ergebnis sind Sie gekommen?
Johannes Gungl: Grundsätzlich müssen die Telekommunikationsbetreiber die AGB und Tarife der Regulierungsbehörde melden. Wir prüfen diese nach einem gewissen Standard. Wir haben uns auch das Angebot von Drei mit der Koppelung Spotify an den Telekommunikationstarif angesehen. Uns ist die Problematik bewusst, dass es dabei um einen Verstoß gegen die Netzneutralität handelt. Es ist eine positive Diskriminierung eines Dienstes. Das ist sehr problematisch zu sehen in einem größeren Maßstab, weil es ist sehr innovationsfeindlich.

Warum macht die RTR dann nichts gegen diesen Verstoß?
In der jetzigen Situation haben wir keine Rechtsgrundlage anhand der wir so ein Angebot verbieten können. Kurzfristig kann man durchaus behaupten, dass es ein positives Angebot für den Kunden ist, er hat einen wesentlichen Dienst ausgenommen von seinem Datenvolumen, aber in einem größeren Maßstab, wenn es darum geht, Innovation zu bewahren, ist das durchaus kritisch.

Hat die RTR hier nicht die Möglichkeit, ein Aufsichtsverfahren einzuleiten?
Nein, die Möglichkeit eines Aufsichtsverfahrens gibt es hier nicht und es wird auch keines eingeleitet.

Die RTR hat bisher immer darauf plädiert, dass es eine EU-weite Regelung der Netzneutralität bedarf. Wie der Jurist Hans Peter Lehofer im Zuge der Konferenz erklärt hat, wird es aber voraussichtlich so schnell keine Regelung geben. Der EU-Rat lehnt die Position des Parlaments weitgehend ab, hat aber keinen besseren Vorschlag. Würden Sie daher ein nationales Gesetz, wie es etwa eines in den Niederlanden oder Slowenien gibt, gut heißen?
Wir präferieren eine europäische Regelung. Das Internet ist international und wir können uns nicht als Insel betrachten. Aber wir gehen auch davon aus, dass es in Kürze keine Regelung zur Netzneutralität geben wird und deshalb sollten wir durchaus darüber nachdenken, ob wir in Österreich nicht doch einen nationalen Alleingang, wie es andere Länder auch bereits gemacht haben, wagen. Wenn man die Anstrengungen in Österreich betrachtet, den IKT-Standort nach vorne zu bringen, Start-ups zu pushen, dann ist die Netzneutralität ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt um einen attraktiven Wirtschafts- und Innovationsstandort sicherzustellen.

Also sind Sie nun für eine nationale Regelung, oder nicht?
Unser Zugang ist der: Wenn es keine europäische Regelung gibt, brauchen wir eine österreichische Regelung. Das hat damit zu tun, dass wir als Regulierungsbehörde bereits jetzt schon mit vielen Anfragen von Telekomunternehmen beschäftigt sind. Die Telekomunternehmen fragen uns: „Wir haben ein neues Produkt, das im Spannungsverhältnis zur Netzneutralität steht – was dürfen wir (nicht)?“ Um hier frustrierte Investitionen zu vermeiden und um Rechtssicherheit zu schaffen, wäre eine Netzneutralitätsregelung dringend notwendig.

Johannes Gungl, RTR-Geschäftsführer, ist über den EU-Parlamentsentscheid zur Netzneutralität nicht erfreut.
Das heißt es gibt schon jetzt viele Anfragen von Provider-Seite, die Ideen haben, die der Netzneutralität zuwider laufen. Mit welchen Anfragen ist die RTR da genau konfrontiert?
Es geht um eigene Spezial-Dienste, die ein höheres Anforderungsprofil haben, es geht um eine Kombination von Diensten sowie im Fall Spotify-Drei und es geht auch um Leistungsklassen (Anmerkung: z.B. höhere Gebühren für LTE). Und dort befinden wir uns eigentlich im Herzstück der Netzneutralitätsdebatte.

In Deutschland gibt es die Netzallianz Digitales Deutschland, die derartige Leistungsklassen bzw. Qualitätsklassen diskutieren, um damit den Breitbandausbau am Land zu finanzieren. Gibt es in Österreich also eine ähnliche Entwicklung?
Da sprechen Sie ein Spannungsverhältnis an. Auf der einen Seite sind wir natürlich sehr stark daran interessiert, dass es Investitionen in den Netzausbau gibt. Die Telekommunikationsunternehmen verzeichnen seit Jahren Umsatzrückgänge und trotzdem gibt es die Notwendigkeit, die Netze auszubauen. Hier müssen auf der einen Seite Investitionen gesichert werden, auf der anderen Seite kann diese Investition nicht die Innovation auf der anderen Seite gefährden. Hier geht es aus meiner Sicht darum, beide Seiten in der Balance zu halten. Das wäre die große Anforderung an die Regelung: Investitionen sicherstellen, aber Innovation nicht zu gefährden.

Ist das nicht ein ähnlicher „Kuhhandel“ wie die Abschaffung der Roaming-Gebühren im Gegenzug zu Zugeständnissen bei der Aufweichung von der Netzneutralität, der auf EU-Ebene versucht wurde?
Ich würde das nicht als Kuhhandel bezeichnen, das ist die Ausforderung einer ausgewogenen Regulierung, diese Zielkonflikte unter einen Hut zu bringen. Das wird die Aufgabe und die Kunst sein. Hier gibt es nicht schwarz und weiß, wie auch die internationale Entwicklung zeigt, sondern das ist eine sehr komplexe Fragestellung, die einer breiten Diskussion bedarf, damit man eine ausgewogene Regelung schaffen kann.

In den USA zahlt Netflix an alle vier großen Internetprovider Gebühren, damit die Streaming-Qualität verbessert wird. Nun hat auch A1-Chef Hannes Ametsreiter Netflix in Österreich ein ähnliches Angebot gemacht. Ist das aus RTR-Sicht akzeptabel?
Grundsätzlich besteht der Anreiz für Netzbetreiber, genau diese Verträge abzuschließen. Andererseits gibt es auch von den „Netflixs dieser Welt“ den Anreiz, das abzuschließen, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber kleineren Diensten zu haben. Aus diesem Grund beeinträchtigt das wiederum die Dienstevielfalt. Deshalb stehen wir solchen Verträgen sehr kritisch gegenüber. Zur Zeit gibt es aber kein Verfahren zu diesem Thema. Es gibt aber auch hier kaum eine Handhabe von einer Regulierungsbehörde, steuernd einzugreifen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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