In Wien wird diese Woche über die Zukunft des freienInternets entschieden. Netzaktivisten sprechen sich für den Erhalt der Netzneutralität aus.
In Wien wird diese Woche über die Zukunft des freienInternets entschieden. Netzaktivisten sprechen sich für den Erhalt der Netzneutralität aus.
© Screenshot/savetheinternet.eu

Offenes Netz

Neue Regeln für Netzneutralität werden in Wien entschieden

Die Netzneutralität, eine grundlegende Regel des Internets, besagt, dass jede Art von Inhalt bei der Übertragung gleichberechtigt sein soll. Doch in Europa steht diese Regel jetzt auf der Kippe. Das EU-Parlament hat im Oktober 2015 entsprechende Gesetzesentwürfe angenommen, die den Telekommunikationsmarkt neu ordnen. Netzaktivisten warnen seit Monaten davor, dass das Ende der Netzneutralität in Europa nun damit bald Realität werden könnte.

Zero Rating und Spezialdienste

Die Regeln wurden im Gesetzestext nämlich so schwammig formuliert, dass einige Grundsätze der Netzneutralität damit verletzt werden könnten. Zero Rating wurde beispielsweise nicht ausdrücklich verboten. Darunter versteht man etwa Angebote wie einen Musiktarif mit Spotify (wie ihn in Österreich etwa „Drei“ im Angebot hat), bei denen der Datenverbrauch nicht vom gebuchten Datenvolumen abgezogen wird.

„Machine 2 Machine (M2M)-Dienste dürfen ebenfalls bevorzugt werden“, erklärte Wolfgang Feiel, Leiter der Rechtsabteilung der österreichischen Regulierungsbehörde RTR, etwa auf einer Fachtagung für Rechtsanwälte gegenüber der futurezone. Allerdings nur dann, wenn die Netzkapazitäten ausreichen würden, und kein Nachteil für die „allgemeine Qualität“ entstehe. Was die „allgemeine Qualität“ sei, wurde allerdings nicht klar definiert.

Letzte Entscheidung

Den europäischen Regulierungsbehörden obliegt es nun auch, die Regeln für die Zukunft des Internets festzulegen. Das geschieht nun am 2. und 3. Juni in Wien. In den Räumlichkeiten der RTR tagen die europäischen Regulierungsbehörden BEREC, wie die Formulierungen, die im Gesetz festgeschrieben wurden, nun tatsächlich ausgelegt werden.

Man darf dabei gespannt sein, ob die Regulierungsbehörden die Versuche der Telekom-Provider, Netzneutralität in Europa abzuschaffen, abschmettern, oder der Industrie den Weg ebnen. Erst vergangene Woche hatten sich in Österreich etwa die „Internetoffensive Österreich“, eine Vereinigung mit zahlreichen Vertretern der Telekom-Branche wie A1, T-Mobile oder Drei oder Zulieferern, dafür ausgesprochen, Netzneutralität aufzuweichen.

Telekom-Branche gegen Netzneutralität

A1 sieht die Netzneutralität etwa als Hindernis, stattdessen solle man sich an den „Anforderungen des Marktes“ orientieren. Für T-Mobile würde die Netzneutralität gar die Umsetzung der fünften Mobilfunkgeneration 5G in Österreich erschweren.

Die Deutsche Telekom hatte bereits nur zwei Tage nach der Abstimmung im EU-Parlament über Netzneutralität angekündigt, Internet-Start-ups und andere Unternehmen mit einem Bedarf für hohe Netz-Bandbreiten gesonderte kostenpflichtige "Spezialdienste" anbieten zu wollen. Auf die Frage der futurezone, ob sich Drei ebenfalls eine Umsatzbeteiligung für Start-ups als „fairen Betrag für die Nutzung der Infrastruktur“ vorstellen könnte, hieß es dazu seitens des heimischen Telekom-Providers: „Wir haben immer gesagt, dass wir offen für Kooperationen sind und uns somit auch Kooperationen mit kleinen Unternehmen und Start-ups vorstellen können.“

Den Regulierungsbehörden obliegt es nun, wie sie diese Versuche der Telekom-Provider, die derartige Vorstöße gegen eine Gleichbehandlung aller Daten und Dienste im Netz salonfähig machen wollen, interpretieren werden. Sie haben jetzt das letzte Wort.

Proteste und Demonstration

Weil diese Aktivitäten in Österreich stattfinden, rufen heimische Netzaktivisten nun auch zu einer Demonstration gegen eine Abschaffung der Netzneutralität aus. Das Motto dabei lautet „Save The Internet“. Die Demo findet am Freitag, 3. Juni, ab 17.30 Uhr vor dem Gebäude der Regulierungsbehörde RTR (Mariahilferstraße 77-79, 1070 Wien) statt. „Die Abkehr von der Netzneutralität bringt das Internet als Motor für künftiges Wirtschaftswachstum, Innovation, fairen Wettbewerb und gesellschaftliche Teilhabe in Gefahr“, heißt es seitens der Organisatoren. Proteste gibt es auch im Web unter savetheinternet.eu.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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