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Studie

Österreich Schlusslicht bei Informationsfreiheit

Die jetzt veröffentlichte Studie zum „RTI Rating“ befasst sich mit Informationsfreiheitsgesetzen in 89 Ländern. Durchgeführt wurde sie von den Menschenrechtsorganisationen Access Info Europe in Spanien und dem Centre for Law and Democracy in Kanada. Sie prüften die einschlägigen Regularien nach 61 Kriterien. Dafür sprachen sie mit Experten in den jeweiligen Ländern und ließen die Bewertung von einschlägig bewanderten Juristen überprüfen.

Eingeschränkte Rechte in Österreich
Das Auskunftspflichtgesetz stellt Österreichs Bürger vor große Hürden. Aus Sicht der Menschen, die Zugang zu Behördeninformationen wollen, ist es im Vergleich zu den entsprechenden Gesetzen in Slowenien oder Mexiko „ziemlich eingeschränkt“, meint Helen Darbishire von Access Info Europe. Selbst China und Russland haben bessere gesetzliche Regelungen. Darbishire: „Das österreichische Recht ist minimalistisch und vage. Wir haben keine Regulierung gefunden, die erklären würde, wie es in die Praxis umgesetzt werden soll oder spezielle Hinweise, die bei der Interpretation seiner Regelungen helfen würden.“ Nach Auskunft von österreichischen Journalisten und Organisationen wird das Gesetz in der Praxis auch nur selten angewandt.

Das österreichische Auskunftspflichtgesetz hat nach Helen Darbishire nicht einmal die Kernelemente eines einfachen Informationsfreiheitsgesetzes. Darbishire gegenüber Futurezone: „Es ist ein sehr schlechter Ausgangspunkt, um Gesetzesmechanismen zu entwickeln, die das Grundrecht auf Informationszugang bewahren sollen“. Sie verweist auf die Konvention des Europarates von 2009, die dieses Grundrecht feststellt. Darbishire: „Mit den gegenwärtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen hat Österreich keine Chance, diese Konvention zu ratifizieren“. Ungarn hingegen habe sie bereits ratifiziert, ebenso Schweden und Norwegen.

Deutschland enttäuscht
Slowenien ist mit seinem neu verabschiedeten, modernen Informationsfreiheitsgesetz auf den ersten Platz gerückt. Nachbarland Deutschland befindet sich im unteren Feld mit Ländern mit einer Punktzahl von unter 60 Punkten. Vor wenigen Tagen noch befand sich Deutschland auf dem letzten Platz, doch nachdem mehrere Kommentare eingegangen und ein zusätzlicher Experte die Angaben überprüft hatte, wurde der Punktestand korrigiert.

Gleichwohl bleibt die Gesamtbeurteilung schlecht. Darbishire: „Es gibt kein Grundrecht auf Informationszugang in Deutschland. Das Gesetz geht nicht vom Grundsatz der Offenheit aus.“ So beschränke sich das Bundesinformationsfreiheitsgesetz etwa auf Behörden, gelt aber nicht allgemein. Werden keine Auskünfte erteilt, obwohl es rechtlich möglich wäre, sind dafür keine Sanktionen vorgesehen.

Laufende Aktualisierung
Access-Info-Europe-Mitarbeiterin Lydia Medland sagt, dass die Ergebnisse ständig aktualisiert werden. Alle Länder, deren Bewertung noch nicht abschließend erfolgt ist, sind in der Auswertung speziell markiert. Änderungen etwa aufgrund einer neuen Gesetzeslage werden umgehend eingearbeitet und im Netz veröffentlicht. Im Moment gibt es keine Frist, bis zu der die Studie als abgeschlossen gelten soll. Als langfristig angelegte Untersuchung soll sie Veränderungen aufzeigen und laufend aktualisiert werden. Die jeweiligen Länderauswertungen sind auf der Website verfügbar.

Rechtspraxis kann sich jederzeit ändern
Vielleicht wäre die Platzierung Deutschlands oder auch des klassischen Informationsfreiheitslands Schwedens besser ausgefallen, hätte sich die Studie auch mit der Rechtspraxis befasst. Das schlechte Abschneiden Schwedens  liegt daran, dass das Gesetz in das Jahr 1766 zurückreicht und moderne Standards des Informationszeitalters noch nicht reflektiert. In der Praxis hingegen zeigen sich die Schweden modern: Anträge werden binnen drei Tage beantwortet.

„Die Praxis kann sich jedoch mit einem Regierungswechsel ändern“, sagt Helen Darbishire. Daher analysiert die vorliegende Studie in einem ersten Schritt ausschließlich die gesetzlichen Vorgaben.  Eine entsprechende Erweiterung der Studie ist geplant, hängt jedoch von den zur Verfügung stehenden Mitteln an, sagt Lydia Medland.  So ist geplant, in jedem Land 100 Anträge auf Informationszugang zu stellen und den Rücklauf auszuwerten.

Europa-Portal „Ask the EU“ gestartet
Wichtig für die Praxis sind Informationsfreiheitsportale wie das vor wenigen Wochen in Deutschland gestartete Portal „Frag den Staat“ oder das Freitag gestartete EU-Portal „Ask the EU“. Für Stefan Wehrmeyer, dem Kopf hinter „Frag den Staat“, wären die Ergebnisse für Deutschland jedoch mit der Praxisbewertung noch schlechter geworden. Für ihn steht fest: „Der Wandel von der Amtsverschwiegenheit hin zur offenen Verwaltung ist noch lange nicht abgeschlossen.“ Die Gesetze müssten daher „dringend notwendig“ überarbeitet werden, „um Bürgern tatsächlich das Recht auf Information zu garantieren“.

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Christiane Schulzki-Haddouti

Christiane Schulzki-Haddouti berichtet seit 1996 als freie IT- und Medienjournalistin über das Leben in der Informationsgesellschaft. Wie digitale Bürgerrechte bewahrt werden können, ist ihr Hauptthema. Die europäische Perspektive ist ihr wichtig – da alle wichtigen Entscheidungen in Sachen Internet in Brüssel fallen.

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