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Politik

Piratenpartei: Kaum Land in Sicht

In Kärnten, Niederösterreich, Salzburg und Tirol sitzen auch nach den Wahlen in diesem Jahr keine Piraten in den Landtagen. In allen Fällen ist die junge Partei deutlich an den Einzugshürden gescheitert. Damit prolongiert sich eine Serie von Niederlagen, die bislang lediglich von Einzügen in die Gemeinderäte von Innsbruck und Graz mit jeweils einem Mandat durchbrochen werden konnte. Der kleine Erfolg in Innsbruck wurde aber von einem Ausschluss des Piraten-Gemeinderats aus der Bundespartei überschattet.

An den Universitäten konnten die Piraten bei den gerade erfolgten ÖH-Wahlen ein Mandat in der Bundesvertretung erringen. Das Grundkonzept, sich für direkte Demokratie einzusetzen, die es Bürgern ermöglicht, Positionen der Partei im Internet durch die Ausarbeitung von Vorschlägen und Abstimmungen über das Programm mitzugestalten, scheint bei den Wählern derzeit kaum anzukommen.

Schlechte Chancen
Bei den Nationalratswahlen, die dieses Jahr noch anstehen, wäre das Erringen eines Mandats laut Politexperten deshalb eine große Überraschung. Politikberater Thomas Hofer sieht die Luft für die Piraten bereits dünn werden: "Das geht nicht lange gut. Die österreichischen Piraten haben es nicht geschafft, sich zu etablieren und mit ihren Themen für Debatten zu sorgen. Sie sind derzeit ein müder Abklatsch ihres deutschen Pendants. Der Hype im Nachbarland ist aber bereits im Abflauen begriffen. Ohne die Sogwirkung von Erfolgen in Deutschland sehe ich derzeit kaum Chancen in Österreich."

Das will die Piratenpartei so nicht stehen lassen. "Der Zulauf ist geringer geworden, aber jene, die jetzt zu uns kommen, sind an Inhalten interessiert und nicht nur an ihren Karrieren. Wir können ohne Erfolge durchhalten, weil unsere Inhalte stimmen. Ohne Ansätze wie unsere wird sich am politischen System in diesem Land nichts ändern. Vielleicht können wir bei den kommenden Nationalratswahlen reüssieren, vielleicht muss erst die nächste Krise kommen, aber wenn es soweit ist, werden die Piraten noch da sein", sagt Marcus Hohenecker, Mitglied des Bundesvorstand der österreichischen Piraten.

Harte Konkurrenz
"Für die Piraten wird ein Einzug in den Nationalrat von Tag zu Tag unwahrscheinlicher, sofern nicht ein unvorhergesehenes Ereignis - etwa ein riesiger Datenschutzskandal - für Auftrieb sorgt", meint auch Politologe Peter Filzmaier von der Donau Universität Krems im Gespräch mit der futurezone. Derzeit nehme Stronach den Piraten die Boulevard-Schlagzeilen weg und die negativen Nachrichten aus Deutschland seien auch nicht hilfreich. Bei zu vielen Misserfolgen müssten sich die Piraten überlegen, in welcher Form sie weitermachen wollen. "Als echte Partei oder vielleicht doch als soziale Internetbewegung, die nur pro forma als Partei gelistet ist", meint Filzmeier.

Das Überangebot an Protestparteien erschwert die Mission "politischer Erfolg" zusätzlich. "Für neue Bewegungen gibt es üblicherweise ein Zeitfenster, das es zu nutzen gilt. Für die Piraten war das im Frühjahr 2012. Es gab noch kein Team Stronach und die NEOS waren eben erst im Entstehen. Zum einen war es auch Pech, dass es zu dieser Zeit kaum Wahlen gegeben hat. Zum anderen haben die Piraten es aber einfach nicht geschafft, ihre Themen oder ein Team aus Personen entsprechend zu positionieren, obwohl die Sehnsucht nach Neuem bei Medien und Bevölkerung groß ist. Ein Problem ist auch der Mangel an weiblichen Akteuren", so Filzmaier.

Work in progress
Neben neuen politischen Kräften fischen mittlerweile aber auch alteingesessene Parteien in dem Stimmenteich, den die Piratenpartei ursprünglich bearbeitet hat. "Die FPÖ, Stronach, diverse Gruppierungen in den Ländern  und bis zu einem gewissen Grad auch die Grünen bieten Angebote für frustrierte Wähler. Das Potenzial wäre zwar da, mit einem guten Namen, gutem Logo und Themen für junge Wähler. Professionelles Management fehlt aber. Man ist das fünfte Rad am Protestwagen. Nur andere Strukturen zu haben und gegen alles zu sein, reicht nicht. Die Menschen auf der Straße wissen derzeit nicht, wofür die Piraten stehen", erläutert Hofer.

Die Piraten sehen sich auf dem richtigen Weg. "Wir sind keine Protestbewegung. Es reicht uns nicht, auf verschiedenen politischen Ebenen in die Vertretungsgremien zu kommen. Wir wollen das System reformieren. Unser Parteiprogramm ist mittlerweile umfangreicher als das der meisten anderen Parteien. Die technologische Infrastruktur unseres Systems zur Mitbestimmung ist besser als bei den deutschen Piraten. Wir haben zwar wenig Budget für Werbung, aber unsere Konzepte sind da und im Gegensatz zu anderen Parteien können sie bei uns auch jederzeit eingesehen und mitgestaltet werden", so Hohenecker.

Mehr Demokratie
Auf der Webseite der Piraten wird das Parteiprogramm präsentiert. Gefordert werden etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen, mehr Bürgerbeteiligung und verbesserten Datenschutz. Urheber und Patentrecht sollen so angepasst werden, damit den Nutzern der betroffenen Werke mehr Freiheiten eingeräumt werden. Sie wollen den Zwangsdienst in Heer und Zivilgesellschaft beenden, homosexuelle Partnerschaften gleichstellen und Ausländern das Wahlrecht auf Gemeindeebene einräumen. Zudem sollen mehr Ressourcen für Bildung verwendet werden. Die Entkriminalisierung von Cannabis und die stärkere Kontrolle von Medikamenten stehen genauso wie kostenlose öffentliche Verkehrsmittel, ein demokratischeres Europa und das Ersetzen von Atomstrom durch Energie aus Wasserkraft auf der Agenda.

"Der Kernthemenbereich der Piraten, die Demokratiereform, braucht einen konkreten Aufhänger, etwa ein emotionalisierendes Volksbegehren. Der Abstraktionsgrad ist derzeit zu hoch, die Partei läuft Gefahr, dass nur die technische Komponente haften bleibt, vor allem weil jetzt alle Parteien über direkte Demokratie diskutieren. Sollte sich aus der starken Präsenz im Netz irgendwann politisches Kapital schlagen lassen, werden andere Parteien schnell nachziehen. Die Konkurrenz ist also groß", erklärt Filzmaier. Zudem sind auch Themen wie Datenschutz nicht mehr länger ausschließlich Domäne der Piraten. Die Grünen etwa waren im Kampf gegen ACTA an vorderster Front dabei.

Vorbild Grüne?
Stichwort Grüne: Auch diese haben in ihrer Anfangszeit eine schwierige Phase durchlaufen. Sie waren eine Ein-Thema-Partei, die sich der - damals noch analogen - Basisdemokratie verschrieben hatte. Um sich etablieren zu können, mussten die Strukturen aber schon bald denen der traditionellen Parteien angepasst werden. Ob die Jungpartei von den Grünen lernen könne? "Für die Piraten ist das von der Struktur her schwierig. Bislang haben sie es nicht geschafft, sich zu professionalisieren. Ohne einheitlichen Auftritt, klare Botschaft und das Einhalten gewisser Spielregeln sehe ich die Piraten schon in Deutschland in einer existenziellen Krise, von Österreich ganz zu schweigen", sagt Hofer.

Die Piraten selber glauben, dass sie sich etablieren können, ohne sich den Etablierten anzunähern. "Die Grünen sind eine traditionelle Partei geworden, weil ihre Art der Basisdemokratie nicht funktioniert hat. Wir können das online besser und transparenter umsetzen und trotzdem professionell arbeiten. Daraus resultiert ein Modell, das die Vorteile von repräsentativer und direkter Demokratie vereint, durch demokratisch legitimierte Expertenentscheidungen", erklärt Hohenecker.

Optimismus bleibt
Bei den kommenden Nationalratswahlen rechnen sich die Piraten trotz aller Hindernisse Chancen aus. "Ein Erfolg in Deutschland brächte sicher einen Schub, aber wir können auch so ein gutes Ergebnis erreichen", so Hohenecker. Der Einzug in die Studentenvertretung bei den ÖH-Wahlen soll jetzt zusätzlichen Rückenwind bringen. Übermütig ist Hohenecker deshalb aber nicht: "Wenn wir mehr als ein Prozent erreichen, bekommen wir die Wahlkampfkosten rückerstattet. Das wäre schon ein Anfang."

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Markus Keßler

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