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Deutschland

Piratenpartei vor Erfolg in Berlin

Durch den Berliner Wahlkampf weht ein frischer Wind. Die Berliner Piratenpartei mischt die etablierten Bewerber SPD, CDU, Linkspartei, Grüne und FDP auf. Während deren Spitzenkandidaten in der Pose besorgt-engagierter und hochseriöser Stadtoberhäupter von Plakaten grüßen und austauschbar wirken, kommen die Außenseiter mit einer frechen und auffälligen Kampagne daher. In knalligen Farben und grafisch deutlich abgehoben von den Plakaten der Konkurrenz präsentieren sich die Kandidaten der Berliner Piratenpartei.

Bis zu neun Prozent in Prognosen
Bei der Berliner Bevölkerung kommt das an. Umfragen für ARD und ZDF sahen die Piraten zuletzt zwischen 5,5 und 6,5 Prozent. Andere Umfragen prognostizierten für die Piraten sogar neun Prozent der Stimmen. Damit würde die Piratenpartei am Sonntag erstmals in einem Landesparlament landen. Bundesweit muss die Partei Umfragen zufolge noch um Anerkennung kämpfen. Nach dem jüngsten Deutschland-Trend vom Freitag sind 54 Prozent der Befragten der Auffassung, die Piratenpartei sei nicht ernstzunehmen.

Entstanden ist die Partei aus der Netzgemeinschaft. Sie versteht sich daher auch ausdrücklich als Partei der Informationsgesellschaft. Ihren Namen hat sie von einer Kampagne der Musikindustrie abgeleitet, die Raubkopien als Piraterie ächtete. Der 2006 gegründete Berliner Landesverband zählt 1050 Mitglieder. „Es werden täglich mehr“, sagt Parteisprecher Benjamin Biel.

Wahlprogramm
51 Seiten umfasst das Wahlprogramm, das nach Biels Worten nicht den Anspruch hat, ein umfassender Gesellschaftsentwurf zu sein. Vielen Programmpunkten merkt man die Herkunft aus der web-Gemeinschaft an. So treten die Piraten beispielsweise für eine „Online-Demokratieplattform“ ein. Diese soll allen Bürgern ermöglichen, sich an politischen Entscheidungen zu beteiligen. In allen öffentlichen Einrichtungen solle es einen Gratis-Internet-Zugang geben. Kontrollen soll es im Internet keine geben.

Im Bereich der Bildung wollen die Piraten die traditionellen Klassen auflösen und stattdessen jedem Schüler ermöglichen, nach seiner eigenen Geschwindigkeit zu lernen. Auf jede Gruppe von 15 Lernenden soll ein Lehrer kommen. Zudem wollen die Piraten einen „Rauschkunde-Unterricht“ einführen, der über den Umgang mit Drogen aufklären soll. Der Konsum von Haschisch soll legalisiert werden. An den Universitäten wollen die Piraten die Regelstudienzeit streichen. Schwarzfahrer in Bussen, U-, Straßen- und S-Bahnen sollen nicht mehr verfolgt werden.

Auf dem Wunschzettel der Piraten steht auch ein nicht beziffertes Grundeinkommen sowie ein „konstruktiver Dialog“ mit Hausbesetzern. Der Polizei wollen sie Zügel anlegen. Dazu gehört eine individuelle Kennungspflicht für Polizeibeamte sowie eine Beschwerdestelle für Polizeiübergriffe. Vorschläge, wie die Maßnahmen zu finanzieren sind, gehen aus dem Wahlprogramm nicht hervor.

Protestpotenzial
„Die Piraten sammeln viel von dem Protestpotenzial auf“, sagt der Meinungsforscher Joachim Koschnicke vom Forsa-Institut. Unzufriedene Wähler, die früher ihr Kreuz bei den Grünen gemacht hätten, würden jetzt für die Piratenpartei stimmen. Dies liege auch an der Kampagne der Grünen, die im Gegensatz zu früheren Wahlen ihre Frechheit komplett verloren habe. Im Falle eines Einzugs in das Berliner Abgeordnetenhaus werde die Piratenpartei eine sehr große Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sagt Koschnicke voraus. Das würde die Piratenparteien bei den anstehenden Wahlen in anderen Bundesländern bis hin zur Bundestagswahl 2013 beflügeln.

Erst einmal aber geht es um Berlin. Um die fehlende Erfahrung im parlamentarischen Alltag sorgt Spitzenkandidat Andreas Baum nicht: „Wir werden uns jedenfalls schnell einarbeiten, sobald wir im Parlament sitzen. Man sollte uns nicht unterschätzen“, kündigte er selbstbewusst in einem Interview an.

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