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Medikamentenfälschung

Startschuss für Kampf gegen "stille Killer"

Immer wieder gelangten gefälschte Medikamente in den vergangenen Jahren in den Handel. 95 Prozent der im Internet verkauften Arzneimittel sollen laut der zuständigen österreichischen Behörde AGES PharmMed Fälschungen sein. Zwar gab es immer wieder diverse Aufklärungskampagnen, doch eine 2010 durchgeführte Umfrage zeigte in Österreich, das zwei Drittel der Befragten sich der Gefahr gar nicht bewusst sind. Doch diese steigt: Seit 2005 wurden europaweit 400 Prozent mehr gefälschte Arzneimittel sichergestellt. Laut EU-Kommission werden jährlich 2,4 Millionen gefälschte Arzneimittelpackungen entdeckt.

Da Arzneimittelfälschungen nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa ein Problem sind, sollen verschiedene Maßnahmen den Handel auf europäischer Ebene sicherer machen. Das Europäische Parlament hat diesen Mittwoch eine entsprechende Richtlinie angenommen. Sie setzt bei den Lieferketten an: Insbesondere der Verkauf im Internet wird neu geregelt.

Stille Killer

Zu den gefälschten Medikamenten zählen seit Jahren insbesondere Lifestyle-Produkte wie Haarwuchs- und Potenzmittel oder Anabolika sowie Suchmittel.  Zunehmend sind es aber auch Grippemittel, Cholesterinsenker oder Krebsmittel. Die portugiesische Berichterstatterin Marisa Matias sieht in den gefälschten Medikamente „stille Killer“. Mathias weist darauf hin, dass Fälschungen nicht nur unwirksame, sondern auch giftige Substanzen enthalten können, die „die Patienten schädigen oder sogar töten können“.

Schutz vor Fälschungen im Internet

Nun soll mit dem neuen europäischen Gesetz vor allem der Verkauf von Arzneimitteln über das Internet als einer der Hauptvertriebswege geregelt werden: Apotheken müssen nun hierfür eine separate Genehmigung einholen. Nicht nur Lieferanten, auch Vermittler von Arzneimittel müssen sich künftig registrieren lassen. Außerdem sollen sich die Verbraucher an einem EU-weiten Logo orientieren können. Auf diese Weise sollen sie auf einen Blick erkennen können, ob es sich um eine genehmigte Internet-Apotheke handelt.

Diese werden außerdem über eine zentralen Website der Mitgliedstaaten verlinkt. Dort sollen auch die Beipackzettel von verschreibungspflichtigen Medikamenten veröffentlicht werden. Außerdem sollen Nebenwirkungen, Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten aufgelistet werden.Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente soll weiterhin verboten bleiben.

Die Lieferkette von Hersteller bis zum Verkäufer soll künftig lückenlos überwacht werden. So sollen Pharmaunternehmen Sicherheitsmerkmale auf den Verpackungen verschreibungspflichtiger Medikamente anbringen. Auf diese Weise können Apotheker prüfen können, ob die Packung echt ist und ob sie verändert wurde. Die Europäische Kommission will diese Sicherheitsmerkmale noch entwickeln. Sie könnten beispielsweise ein Sicherheitscode sein. Mit Hilfe des Codes könnten die Apotheker überprüfen, ob die Verpackung echt ist. Für nichtverschreibungspflichtige Medikamente sollen sie nur in Ausnahmefällen gelten. Dies wäre etwa bei Lifestyle-Arzneimitteln der Fall, für die ein hohes Fälschungsrisiko besteht. Für Paracetamol oder Aspirin, die aufgrund des billigen Preises für Fälscher unattraktiv sind, werden die Regeln nicht gelten.

Zweidimensionaler Matrixcode für jede Packung

Einen erheblichen Mehraufwand für die Pharmabranche bedeutet die lückenlose Überwachung der Lieferkette von Hersteller bis zum Verkäufer. So sollen Pharmaunternehmen Sicherheitsmerkmale auf den Verpackungen verschreibungspflichtiger Medikamente anbringen. Auf diese Weise können Apotheker prüfen können, ob die Packung echt ist und ob sie verändert wurde.

Die Europäische Kommission will diese Sicherheitsmerkmale noch in einer Detailregelung festlegen. Fest steht bereits, dass dies nicht mit RFID-Technik, sondern mit einem  zweidimensionalen Matrixcode umgesetzt werden wird. Die RFID-Technik wäre teurer und nicht fälschungssicherer gewesen. Der Matrixcode wird aus 54 Ziffern bestehen, der unter anderem den Landescode, die Chargennummer und das Verfallsdatum enthalten wird. Den Code können die Apotheker mit einem Lesegerät einscannen und überprüfen, ob die Verpackung echt ist.

Pilot aus Deutschland soll EU-weit Pate stehen

In einem Piloten soll das Verfahren bereits ab April entwickelt und getestet werden. Aufgesetzt wird er in Deutschland für einen zweistelligen Millionenbetrag von den vier Pharmaverbänden BAH, BPI, VFA und dem Verband ProGenerika sowie der Apothekerschaft und dem Großhandel. Hermann Kortland, Geschäftsführer des deutschen Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), sagte der Futurezone: „Der Pilot soll europaweit Pate stehen. Wir zeigen, wie es machbar ist und wie ernst wir das Thema nehmen.“

Die EU-Kommission schätzt den Aufwand, der mit der Einführung des Sicherheitscodes verbunden ist, auf rund 12 Mrd. Euro.  Teuer wird dies, weil etwa bereits ein Lasergerät, das die Nummern individuell auf jede Packung aufbringt, pro Produktionslinie rund 100.000 Euro kostet.

Frühwarnung

Apotheken müssen künftig außerdem die Medikamente zurücknehmen, die mutmaßlich gefälscht sind. Geht von diesen vermutlich eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit aus, sollen alle Mitgliedstaaten und alle Akteure in der Lieferkette eine Schnellwarnmeldung erhalten.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass  ein Prozent der über die legale Lieferkette verkauften Medikamente gefälscht sind. Doch insbesondere in Entwicklungsländern sollen bis zu 30 Prozent der angebotenen Arzneimittel gefälscht sein. Die Richtlinie regelt daher auch den Im- und Export von Arzneimitteln in Drittstaaten.

Die Richtlinie wurde mit der großen Mehrheit von 569 Ja-Stimmen bei 12 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen angenommen. Der Rat muss nur noch formell zustimmen. Die Mitgliedstaaten müssen ihre nationalen Gesetzgebungen innerhalb der den nächsten zwei Jahre anpassen.

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