NETZNEUTRALITÄT

USA legt Regeln fürs Internet fest

Das Internet steht vor einem grundlegenden Umbruch: In den USA wurden am Dienstag die Spielregeln für das Internet neu festgelegt. Dabei ging es vor allem um die Idee der Netzneutralität, die besagt, dass alle Daten gleich schnell beim Nutzer ankommen sollen.

In den Plänen des FCC-Chefs Julius Genachowski ist ist zwar vom Recht der Verbraucher die Rede, "gesetzmäßige Inhalte zu senden und zu empfangen". Eine generelle Blockade von Websites mit "legalen Inhalten, Applikationen und Services" sei nicht erlaubt. Breitbandanbietern wird in dem Regelwerk aber erstmals die Flexibilität eingeräumt, den Verkehr in ihren Netzen in "vernünftiger Weise" zu steuern. Sie müssten die Maßnahmen des Netzwerkmanagements jedoch gegenüber ihren Kunden offenlegen.

Das Gerüst bringe eine gewisse Sicherheit für Unternehmen und Investoren mit sich, so Genachowski. Dabei sollen die Grundregeln eines offenen Internets als Plattform für Innovation, freier Meinungsäußerung und Wettbewerb aufrechterhalten werden.

Zugeständnisse an die Provider

Netzbetreiber fühlen sich benachteiligt, weil sie seit dem Vormarsch von Online-Videos in den USA immer größere Datenmengen umschlagen müssen. Die US-Telekomaufsicht FCC kommt ihnen deshalb entgegen. Sie will ihnen erlauben, Verbraucher, die mehr Daten herunterladen, stärker zur Kasse zu bitten. Die Anbieter sollen auch mit "speziellen Diensten" experimentieren dürfen, die besseren Zugang zu bestimmten Angeboten bieten. Sie müssten jedoch gegenüber der Behörde rechtfertigen, warum für diese Dienste eine bevorzugte Behandlung notwendig sei.

Mobilfunkbetreiber mit mehr Freiheiten

Doch dies alleine reicht nicht, um verstärkt Kritiker der neuen Regeln auf den Plan zu rufen. Das Netz soll - vereinfacht ausgedrückt - zweigeteilt werden. Bei Internetverbindungen per Handy hätten dann die Mobilfunk-Netzbetreiber wie Verizon Wireless oder AT&T in den USA viel stärker das Sagen. Einzelne Dienste, die mit den Services des Netzbetreibers konkurrieren, dürfen allerdings nicht zur Gänze gesperrt werden, heißt es.

Das Regelwerk wurde am Dienstag von der Regulierungsbehörde mit den Stimmen der Demokraten Mingon Clyburn und Michael Copps beschlossen. Genachowski hatte sich die Unterstützung von den zweien der insgesamt fünf Kommissare, die die FCC leiten, im Vorfeld gesichert. Die Republikaner Robert McDowell und Meredith Attwell Baker glauben, dass die Regeln vor Gericht nicht standhalten werden.

Laut einem CNN-Bericht wird das finale Dokument mit dem Regelwerk erst in "einigen Tagen" nach der Abstimmung veröffentlicht.

Kritiker: "Regeln voller Lücken"

Netzneutralität-Befürworter haben an den neuen Internet-Vorgaben vieles auszusetzen. "Diese Regeln scheinen voller Lücken zu sein", sagte Craig Aaron von der Internet-Gruppe "Free Press". Diese Regulierung werde eine Reihe von schlechten Beispielen hervorrufen, meinte etwa Aparna Sridhar, ebenfalls von der "Free Press". Apps von Wettbewerbern werden mit Sicherheit blockiert werden, um hauseigene Apps zu monetarisieren, so Sridhar zur BBC. Andere Streiter für ein freies Internet stimmen dem Vorschlag jedoch zu: Er sei besser als gar nichts, sagen sie.

In Amerika war die Debatte über die Netzneutralität 2008 eskaliert, als der Netzbetreiber Comcast Daten blockierte oder langsamer zustellte, die über den Dienst BitTorrent flossen. Die FCC rügte dies damals als Verstoß gegen US-Richtlinien. Später urteilte ein Gericht aber, die Behörde sei dazu nicht befugt gewesen. Damit sehen Kritiker die Autorität der FCC bei der Regulierung des Breitbandinternets daher in Frage gestellt.

Österreich: Telekomgesetz-Novelle

In Österreich erwartet Georg Serentschy, Chef der heimischen Regulierungsbehörde RTR, für 2011 eine Novelle des Telekomgesetzes mit Verbesserungen bei Netzneutralität und - sicherheit. Dabei sollen Kundeninteressen bei Verletzungen der Netzneutralität geschützt werden. Es seien Tools für Kunden und Info-Kampagnen über die Angebote notwendig, die Konsumenten "müssen informiert werden, was sie für ihr Geld bekommen". Dies geht mit der Linie der EU-Kommissarin Neelie Kroes überein.

Orange-Chef Michael Krammer betonte erst Mitte November, dass die Gleichbehandlung von Inhalten im Netz auf Dauer nicht zu halten sei. Hier müsse nach der Servicequalität differenziert werden. Es könne nicht sein, dass die Netzbetreiber wegen des steigenden Datenverkehrs gewaltige Summen in den Netzausbau investieren, den Ertrag daraus aber ausschließlich Google & Co generieren.

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(futurezone/Reuters)

Gastkommentar

Den Telekoms dieser Welt gefällt ihre Rolle als "Bitpipe" nicht. Dies- und jenseits des Atlantiks wollen sie am Erfolg von Google, Facebook & Co. mitverdienen und fordern ein Ende der Netzneutralität. Der freie Journalist Georg Holzer analysiert die Schein-Argumente der Telekoms in einem Gastkommentar für die FUTUREZONE.

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