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ÖH-Wahlen

Verfassungsgerichtshof hebt E-Voting auf

Der Gerichtshof stellte unter anderem fest, dass nicht präzise genug geregelt war, wie und mit welchen Mitteln sowie unter welchen Kriterien die Wahlkommission bei der elektronischen Stimmabgabe überprüfen kann, ob das System fehlerlos funktioniert hat.

Das aktuelle Erkenntnis (PDF) betrifft zwar die Wahl der Hochschülerschaft 2009, VfGH-Präsident Gerhart Holzinger sprach bei einer Pressekonferenz am Mittwoch dennoch von einer „richtungsweisenden Bedeutung“ auch für andere Wahlen.

"Manipulationen schwer zu erkennen"
Beim derzeitigen Stand der Technologie sei E-Voting schwer bis unmöglich durchzuführen. Wenn man eine elektronische Wahl durchführen möchte, müssten entsprechende Anforderungen erfüllt werden. „Das war nicht gegeben“, meinte der VfGH-Präsident.

Holzinger räumte ein, dass bei jeder Wahl Fehler passieren könnten. Beim E-Voting könnten Fehler und Manipulationen allerdings schwerer zu erkennen sein als bei einer Papierwahl. Die Wahlordnung müsse jedoch gewährleisten, dass die Durchführung einer Wahl von jedem nachvollziehbar und auch für die Wahlbehörde überprüfbar ist.

"Maßgeblich für die Zukunft"
Das Erkenntnis, mit dem die Verordnung zum E-Voting bei der ÖH-Wahl aufgehoben worden ist, sei „maßgeblich für die Zukunft“, stellte Holzinger am fest. So habe sich etwa der einzelne Wähler nicht darauf verlassen können, dass bei der Stimmabgabe die Wahlgrundsätze erfüllt wurden und seine Stimme unverfälscht erfasst wurde. In der Wahlordnung fehlten nämlich Regelungen zur transparenten Kontrolle des Systems.

Laut Gerichtshof ist zu berücksichtigen, dass die wesentlichen Schritte der Wahl und der Ergebnisermittlung von der Wahlkommission selbst zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können müssen. Holzinger wies darauf hin, dass es in Österreich überhaupt nur vier EDV-Experten für den Bereich E-Voting gebe, wobei vom Wissenschaftsministerium ein Experte herbeigezogen wurde. „Das ist mit einer demokratischen Wahl nicht vertretbar“, meinte der VfGH-Präsident.

Erst wenige Entscheidungen zu E-Voting in Europa
In Folge der Aufhebung wurde auch den beim VfGH anhängigen Beschwerden gegen das Wahlergebnis 2009 stattgegeben. Unmittelbare Auswirkungen hat das zwar nicht, weil ÖH-Wahlen nach einer gewissen Frist nicht mehr zu wiederholen sind. Außerdem wurde die Wahl 2011 wieder ohne E-Voting durchgeführt. Sollte aber beim nächsten Urnengang erneut die elektronische Stimmabgabe gewünscht werden, muss das Wissenschaftsministerium eine neue Wahlordnung erlassen. Diese muss den Anforderungen des VfGH entsprechen.

Holzinger wies darauf hin, dass es in Europa erst wenige Entscheidungen zur elektronischen Wahl gibt. Umso mehr sei das Erkenntnis des VfGH aus der Dezember-Session „wichtig“.

"Keine Schlussfolgerung auf Bundeswahlen"
Das Innenministerium mistt der Aufhebung des E-Votings bei den ÖH-Wahlen hingegen keine große Bedeutung für andere Wahlen zu. Es sei immer klar gewesen, dass E-Voting für Bundeswahlen verfassungsrechtlich verankert werden müsste, betonte Robert Stein, der Leiter der Abteilung Wahlangelegenheiten. Eine Verfassungsmehrheit zeichnet sich derzeit nicht ab - die SPÖ hat sich angesichts der Pannen bei der ÖH-Wahl 2009 klar gegen das elektronische Wählen ausgesprochen.

Im Innenministerium wird derzeit auch nicht an dessen Einführung bei Nationalrats- oder Bundespräsidentenwahlen gearbeitet - nur die Forschung dazu „passiv beobachtet“. Im Regierungsübereinkommen bestehe kein Auftrag zum E-Voting, merkte Stein an. Aber sollte der Verfassungsgesetzgeber die Voraussetzungen schaffen, müsste E-Voting - unbeschadet des VfGH-Erkenntnisses - in Zukunft möglich sein. Aus dem Erkenntnisse lasse sich „keine Schlussfolgerung für eine allfällige Einführung von E-Voting bei Bundeswahlen ableiten“.

E-Voting kam bei der ÖH-Wahl 2009 zum Einsatz. Die drei Fraktionen Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) und Fachschaftslisten (FLÖ) waren vor den VfGH gezogen und hatten eine Verfassungsbeschwerde gegen die elektronische Stimmabgabe eingebracht.

"Großer Erfolg"
Die Beschwerdenführer begrüßten in ersten Reaktionen den Spruch der Verfassungsrichter. Die GRAS-Aktivisten Sigrid Maurer sprach von einem "großen Erfolg". "Damit hat der demokratiepolitische Wahnsinn endlich ein Ende. Das ist ein großer Erfolg für die Studierenden“, meinte Mirijam Müller, Bundesvorsitzende des VSStÖ. Das von oben herab diktierte Prestigeprojekt des damaligen Wissenschaftsministers Johannes Hahn sei gescheitert, hieß es aus der ÖH.

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