© Bild: APA/Roessler

ZEHN JAHRE WIKIPEDIA

"Wissen vermitteln, verbreiten und verbessern"

"Wenn ich einen Fehler sehe oder irgendwas ergänzen kann, dann tu ich das", sagt Helmut Leitner. Der Grazer Software-Entwickler zählt zu den dienstältesten österreichischen Wikipedia-Autoren. Die Online-Enzyklopädie lernte der 55-Jährige, der sich auch beruflich mit Wiki-Systemen beschäftigt, kurz nach deren Start im Jänner 2001 kennen. Seither nutzt der die Wikipedia regelmäßig und bringt sein Wissen auch in Artikel ein.

Harter Kern von 15 bis 20 Leuten

Die Zahl der Wikipedia-Nutzer, die wie Leitner im deutschsprachigen Raum gelegentlich an der Online-Enzyklopädie mitarbeiten, schätzt Kurt Kulac, Obmann des Vereines Wikimedia Österreich, auf rund 22.000. Die Zahl der regelmäßig aktiven Nutzer sei jedoch weit geringer. In Österreich würden weniger als 100 Leute einmal im Monat Beiträge bearbeiten oder erstellen. "Ein harter Kern von 15 bis 20 Wikipedianern macht fast täglich etwas", sagt der Rechtsanwaltsanwärter, der seit 2004 in der deutschsprachigen Wikipedia aktiv ist.

Angefangen hat Kulac, wie viele andere Wikipedia-Autoren auch, mit der Erweiterung des Eintrags zu seiner Heimatgemeinde. Seither hat er mehr als 1000 Artikel angelegt, über 2000 hat er überarbeitet. Sein Fachgebiet ist Biologie und Astronomie. Täglich verbringt er mindestens ein bis zwei Stunden vor der Online-Enzyklopädie.

"Eher durch Zufall"

"Wissen vermitteln, verbreiten und verbessern", wollte der Wikipedia-Autor Regiomontanus, als er 2005 begann, an der Online-Enzyklopädie mitzuarbeiten. Dazu kam er "eher durch Zufall". Er suchte Informationen zu hydrothermalen Quellen am Meeresgrund, so genannte Schwarze Raucher, und war erstaunt, dass es dazu bereits einen Artikel gab. Der hatte allerdings Lücken und so machte sich der Wiener Universitätslektor, der seinen bürgerlichen Namen nicht nennen will, daran diese zu füllen.

Mehrere tausend Artikel, vorwiegend aus dem Bereich der Naturwissenschaft, hat er bereits bearbeitet und durchschnittlich zwei Stunden pro Tag vor Wikipedia verbracht. "Man trägt Inhalte bei, muss sie aber auch verkaufen und erklären, warum sie sinnvoll sind", sagt Regiomontanus.

Der durchschnittliche Wikipedia-Autor ist laut Kulac männlich, zwischen 20 und 30 Jahr alt, studiert oder hat sein Studium vor kurzem abgeschlossen. "Wikipedia-Autoren sind großteils Einzelkämpfer", sagt Kulac: "Sie sind keine homegene Gruppe sondern arbeiten parallel in unterschiedlichen Wissensgebieten."

Damit der Austausch nicht auf das Virtuelle beschränkt bleibt, werden in Wien, Graz und Linz regelmäßig Stammtische veranstaltet. Daneben gibt es auch Redaktionstreffen, bei denen Konzepte für spezifische Fachgebiete diskutiert werden. Die von der Wikimedia Foundation seit 2005 veranstaltete Konferenz Wikimania, die heuer heuer vom 4. bis 7. August im israelischen Haifa stattfindet, dient neben der Erörterung von Zukunftsstrategien auch dem internationalen Austausch der Wikipedianer.

Zahl der Autoren stagniert

Zuletzt stagnierte die Zahl der in Österreich regelmäßig aktiven Wikipedia-Autoren leicht, die Zahl der Gelegenheitsautoren sank sogar. "Der Einstieg für neue Nutzer falle schwer, weil viel schon geschrieben wurde", sagt Kulac. Das Allgemeinwissen sei weitgehend abgedeckt: "Zum Verfassen neuer Artikel sei Fachwissen notwendig, das ist auch der Grund, warum so wenige neue Autoren dazukommen."

In den vergangenen Jahren sei das Regelwerk für Autoren strenger geworden, meint Wikipedia-Autor Regiomontanus. "Dadurch werden auch viele Artikel verhindert", kritisiert der Wissenschaftler: "Man gerät oft in Diskussionen und hat das Gefühl mit Leuten zu reden, die vom Inhalt keine Ahnung haben aber dafür alle Regeln auswendig kennen."

"Artikelqualtiät verbessern"

Wichtig sei, dass die Artikelqualität verbessert werde, meint Kulac: "Anfangs war das Artikelwachstum wichtig, sonst hätte uns keiner wahrgenommen, jetzt gehen wir Altlasten durch." Um die Qualität der Beiträge zu verbessern, arbeitet das österreichische Wikimedia-Team auch an einer Software, die neue Einträge und Bearbeitungen übersichtlich darstellt und den Administratoren die Sichtung erleichtern soll. Vandalismus sei aber auch bisher "kein ernsthaftes Problem" gewesen, sagt Kulac: "99 Prozent der vandalistischen Einträge werden innerhalb der ersten Minuten entfernt."

Für die Zukunft wünscht sich Kulac mehr Unterstützung der öffentlichen Hand, etwa die Bereitstellung von Materialen. Die Nutzung der Online-Enzyklopädie durch öffentlichen Stellen steige exponentiell, es komme aber nichts zurück, kritisiert der Wikimedia-Obmann.

"Revolution, was den Informationszugang betrifft"

Durch die Wikipedia habe sich der Wissenszugang der Menschheit wesentlich verbessert, zieht Kulac eine Bilanz der ersten zehn Jahre. "Viele können sich die Wikipedia nicht mehr wegdenken, weil sie finden, was sie suchen."

"Die Wikipedia war eine Revolution was den Informationszugang betrifft", sagt der langjährige Wikipedia-Nutzer Leitner. "Mein Vater war noch stolzer Besitzer eines Brockhauses", erinnert sich der Software-Entwickler. Die mehrbändige gedruckte Enzyklopädie habe damals mehrere tausend Schilling gekostet und sei nur für wenige erschwinglich gewesen. Heute diene die Wikipedia für viele Leute als erste Informationsquelle: "Was früher teuer war ist heute gratis verfügbar. Das ist ein riesiger Fortschritt."

Mehr zum Thema:

"Wikipedia angesehener als jedes Lexikon"

(Patrick Dax)

[[951:side/Wikimedia-Österreich-Obmann Kurt Kulac]]

Der 2008 gegründete Verein Wikimedia Österreich fungiert wie 25 weitere nationale Schwesterorganisationen der Wikipedia-Trägerorganisation Wikimedia Foundation als lokaler Ansprechpartner für Interessierte. Daneben sammelt Wikimedia Österreich Spenden, organisiert Autorentreffenund initiiert Projekte zur Förderung freien Wissens. Derzeit zählt der Verein 65 Mitglieder.

Bei der jüngsten Wikipedia-Spendenaktion konnte Wikimedia Österreich 80.000 bis 100.000 Euro an Spendengeldern lukrieren. Rund 70 Prozent davon gehen an die Mutterorganisation, die verbleibenden 30 Prozent werden unter anderem für die Förderung österreichischer Wikipedia-Autoren ausgegeben.

Links:

Wikimedia Österreich
Deutschsprachige Wikipedia

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

mehr lesen
Patrick Dax

Kommentare