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Smart TV

Android TV im Test: Unerwartet frustrierend

Google hat bereits einige Anläufe auf das Wohnzimmer vorgenommen, meist mit mäßigem Erfolg. Während Google TV, das erste Google-Betriebssystem für Smart TVs, trotz schlagkräftiger Hardware-Partner gefloppt ist, lief es mit dem günstigen Streaming-Stick Chromecast deutlich besser. Daraus hat der US-Konzern seine Lehren gezogen und wagte im Vorjahr einen Neustart. Google TV wurde eingestellt, an seine Stelle trat Android TV.

Ein Jahr später gibt es bereits einige Set-Top-Boxen und Fernseher, die auf Android TV setzen. Vor allem Nvidias Shield Android TV und Googles Nexus Player konnten Kritiker im Zusammenspiel mit Googles TV-Betriebssystem überzeugen. Doch wie schlägt sich Android TV im Vergleich zur Konkurrenz, sei es LGs webOS, Mozillas Firefox OS oder Samsungs Tizen? Mit dem neuen Apple TV wird zudem auch der iPhone-Hersteller bald auf diesem Markt mitmischen. Grund genug, wieder einmal einen Blick auf Googles Plattform zu werfen. Die futurezone hat Sonys angepasste Version von Android TV (Version 5.0.2) getestet.

Android TV orientiert sich am für Media-Center-Software üblichen reihenförmigen Layout. Wie es viele Nutzer etwa von Netflix kennen, werden Inhalte hier in horizontalen Listen organisiert. Den Anfang machen bei Android TV empfohlene Inhalte. So wird beispielsweise ein kürzlich gehörtes Album aus Play Music, ähnliche Videos von YouTube oder ein neuer Film der arte-App angezeigt. Dabei greift Android TV aber nur auf jene Apps zurück, die installiert sind.

Die Navigation erfolgt simpel: Mit einem Steuerkreuz navigiert man durch die Listen, die OK-Taste bestätigt die Eingabe. Zudem gibt es eine Zurück- und eine Home-Taste. Die Bedienung ist intuitiv, auch wenn die Flut an Icons auf dem Bildschirm für Einsteiger zunächst etwas überwältigend ist. So mischt Android TV beispielsweise Vorschläge für interessante Apps aus dem Play Store mit installierten Apps und zeigt alle verfügbaren Eingänge, bevor man zur echten App-Liste gelangt. Diese lässt sich leider nicht frei anpassen, zuletzt verwendete Apps landen stets an erster Stelle. Zudem fühlt sich Android TV derzeit noch sehr langsam an, einige Apps brauchen relativ lange zum Öffnen.

Simple, aber gute Sprachssteuerung

Mit Android TV hält auch eine der wohl besten Sprachsuchen Einzug auf dem Fernseher. Je nach Modell lässt sich die Suche per integriertem Mikrofon, Fernbedienung oder App starten. Die Erkennung war im Test sehr gut, auch wenn man auf hochdeutsche Aussprache achten musste. Leider ließen sich nur Online-Inhalte durchsuchen, lokale Dateien werden ignoriert. Alternativ kann der Benutzer auch manuell seine Suche in die Google-Leiste eingeben.

Hierbei ist vor allem die Android-App nützlich, die als rudimentäre Fernbedienung und Tastatur-Ersatz verwendet werden kann. Der Benutzer bekommt ein virtuelles D-Pad inklusive Zurück-, Home- und Play-/Pause-Taste bereitgestellt, alternativ kann man auch auf ein Touchpad zurückgreifen. Die Spracheingabe funktioniert hier ebenfalls. Einziger Nachteil: Die App schien auch bei aktivem Bildschirm immer wieder die Verbindung zu verlieren. Die Latenz zwischen Eingabe und Reaktion von Android TV ist gering genug, um so auch einfache Spiele zu spielen. Alternativ unterstützt der von der futurezone getestete Sony-Fernseher auch PlayStation-4-Controller, die per Bluetooth sehr einfach gekoppelt werden können. Apropos Spiele: Die Auswahl ist ordentlich, auch wenn einige Spiele zu gesalzenen Preisen angeboten werden. Zudem ließen sich viele 3D-Spiele aufgrund der mageren Hardware des Android TVs nur mit starken Rucklern spielen - Mindestanforderungen wären für Benutzer wohl hilfreich.

Fehlende System-Tastatur

Während Android eine vom Benutzer gewählte System-Tastatur verlangt, scheint Google bei Android TV den Apps die Wahl zu überlassen. Das führte im Test zu teilweise chaotischen Situationen: Angefangen bei Googles Android-Tastatur über die für Smart-TVs übliche ABC-Tastatur hin zu einer kuriosen Tastatur von Amazon, die den PlayStation-Controller nicht erkennt, ist alles dabei. Hier sollte der Benutzer auf die Eingabe per Bluetooth-Tastatur oder App zurückgreifen.

Wer einen Blick in den Play Store wirft, könnte recht rasch den Eindruck bekommen, dass die Auswahl derzeit noch relativ beschränkt ist. Nur durch einige handverlesene Kategorien und empfohlene Apps kann der Benutzer stöbern - zum aktiven Entdecken neuer Apps lädt diese Präsentation nicht ein. Tatsächlich tummeln sich aktuell rund 600 Apps für Android TV im Play Store. Der Benutzer muss sie aber selbst finden. Der Android TV scheint aber auch in der Geräte-Liste im Play Store im Web auf. So lassen sich Apps auch aus der Ferne auf dem Smart TV installieren.

Die Auswahl an kompatiblen Apps ist derzeit noch stark beschränkt. Heimische Apps, beispielsweise die ORF TVThek oder Flimmit, fehlen. Auch einige große Anbieter, wie etwa Spotify, bieten ihre Apps derzeit noch nicht für Android TV an. Dafür finden sich viele alternative Media-Player, wie VLC, Kodi und Plex, sowie Mediatheken im Store. Ein kleiner Trost: Die Suche ist sehr gut gelungen und liefert bereits mit vagen Begriffen brauchbare Ergebnisse. Der Play Store wird jedoch rasch mühsam, wenn es um das Thema Updates geht. Statt automatische Updates im Hintergrund durchzuführen, muss der Nutzer jedes einzelne Update manuell in Gang setzen, auch wenn die App keine neuen Berechtigungen erfordert.
Im Rahmen des Tests dauerte zudem die Installation von Apps eine gefühlte Ewigkeit. Während der Download rasch vonstatten ging, waren die meisten Apps erst nach fünf bis zehn Minuten bereit zum Start. Während der Installation ruckelte auch die Oberfläche von Android TV stark, andere Apps ließen sich kaum verwenden. Einige Apps von Drittanbietern erwiesen sich zudem als instabil, zwei Mal musste Android TV durch Ziehen des Steckers neu gestartet werden. Eine große Stärke ist jedoch, dass das Cast SDK unterstützt wird.Wie beim Chromecast können so alle kompatiblen Apps direkt Videos, Bilder oder andere Inhalte auf den Fernseher streamen. Auch Browser-Tabs aus Chrome können per Cast auf den Fernseher übertragen werden.

Dummes Android TV

Als enttäuschend erwies sich die “Dummheit” von Android TV. Während Android versucht, seinen Benutzer kennen zu lernen und brauchbare Empfehlungen für Videos, Nachrichtenartikel und sogar Routen abgibt, agierte das Smart-TV-Betriebssystem einfältig. Trotz verknüpftem YouTube-Konto und mehrerer YouTube-Videos, die über die Android-TV-App abgespielt wurden, fanden sich nie brauchbare Empfehlungen. Oftmals hatten diese nichts mit der YouTube-Historie zu tun und tauchten Tag für Tag immer an der gleichen Stelle auf.

Wer aus Datenschutzgründen ohnedies auf Personalisierung verzichten kann, dürfte sich wohl auch darüber freuen, dass Google offenbar die Fernseh-Vorlieben des Nutzers ignoriert - oder diese Daten zumindest nicht für den Nutzer aufbereitet. Trotz einer übersichtlichen Programmzeitschrift gibt es keine Programm-Empfehlungen für den Nutzer. Im EPG finden sich neben einer Zusammenfassung der Serie oder des Films auch die Namen der Schauspieler. Diese können ausgewählt werden, woraufhin neben Informationen zu ihnen auch deren Titel, die bald im Fernsehen gezeigt werden, aufgelistet werden.
So ist zumindest die Suche nach neuen Inhalten über Metadaten möglich, ähnlich wie bei Netflix. Das Entdecken neuer Inhalte gestaltete sich trotz der cleveren Google-Suche aber dennoch schwierig. Anbieter wie Amazon Instant Video und Netflix werden in der Suche ignoriert, Googles Dienste wie Play Movie und YouTube werden (natürlich) hervorgehoben. Das schränkt den Nutzen der ansonsten guten Suche stark ein.

Die Einstellungen sind im Gegensatz zum restlichen System unerwartet umfangreich. Der Benutzer muss hier keinerlei Abstriche machen, angefangen bei grundlegenden Bild- und Ton-Einstellungen bis hin zu Bluetooth, WLAN und Eingabegeräten - nahezu alles für den Fernseher Relevante kann hier konfiguriert werden.

Auch die Installation von Apps aus „unbekannter Herkunft“ ist möglich, sodass Apps oder Spiele als APK-Datei über einen USB-Stick installiert werden können - sofern sie mit Android TV kompatibel sind. Ein Blick in die Tiefen der Einstellungen lohnt sich übrigens, denn das Deaktivieren von „Interessensbezogenen Anzeigen“ (Unter Infos - Ads) oder die zahlreichen Diagnose-Tools unter „Hilfe“ dürften für viele Power-User von Nutzen sein. Zudem lassen sich mit dem aus Android bekannten Trick die “Entwickler-Einstellungen” freischalten.

Android TV ist in seinem derzeitigen Zustand eine kleine Enttäuschung. Obwohl die App-Auswahl ordentlich ist, wünscht man sich als erfahrener Android-Nutzer deutlich mehr. Eine YouTube- oder Netflix-App findet sich mittlerweile auch auf jeder Spielkonsole, Set-Top-Box oder proprietären Smart-TV-Systemen, dazu braucht es Google nicht. Stattdessen wären innovative Lösungen wie eine bessere Integration von Google Now gefragt, die die Benutzung des Fernsehers und das Entdecken von neuen Inhalten tatsächlich erleichtern. So ist Android TV derzeit nur eine Smart-TV-Plattform unter vielen.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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