© Jakob Steinschaden

Google-Phone

Display-Riese: Samsung Galaxy Nexus im Hands-on

Smartphone-Hersteller im Größenwahn: So könnte man kurz jenen Trend beschreiben, den derzeit zumindest die asiatischen Produzenten von Android-Handys reiten. Nach dem “HTC Sensation XL” (4,7 Zoll oder 11,9 cm), dem “LG Optimus 3D” (4,3 Zoll) und den hauseigenen Schöpfungen “Galaxy SII” (4,3 Zoll) sowie “Galaxy Note” (5,3 Zoll oder 13,5 cm) bleibt Samsung auch mit dem kommenden Android-4.0-Flaggschiff “Galaxy Nexus” (4,65 Zoll oder 11,8 cm) im Bereich der Bildschirmdiagonalen über elf Zentimeter (iPhone: 9 cm).

Hinter dem Monster-Touchscreen steckt aber ein ganz besonderes Smartphone: Samsungs “Galaxy Nexus” (in Österreich ab November um 769 Euro (unverbindlicher Verkaufsempfehlungspreis von Samsung, 16-GB-Variante) ist das gemeinsam mit Google

Flaggschiff des neuen BetriebssystemsAndroid 4.0(aka Ice Cream Sandwich). Die futurezone konnte bereits ein Vorserienmodell (mit 13 GB Speicher) einen Tag lang ausprobieren.

Gehäuse und Größe
So bananenkrumm, wie es ein

suggerieren will, ist das Galaxy Nexus zwar nicht, aber trotzdem: Die leicht gebogene Form des Android-Giganten soll sowohl gut in der Hand liegen wie sich auch ans Gesicht schmiegen und ist somit so etwas wie die Antithese zu den harten Kanten und starren Linien des “iPhone 4S”. Die verwendeten Materialien sind allerdings lange nicht so hochwertig wie beim Rivalen von Apple (Metall, Glas): Die Rückseite wird von angerautem Konststoff in Dunkelgrau dominiert, wobei der abnehmbare Deckel fast schon zerbrechlich wirkt.

In Sachen Dicke ordnet sich das “Galaxy Nexus” (8,84 mm) zwischen Samsungs “Galaxy SII” (8,49mm) und dem “iPhone 4S ein” (9,3 mm) - wobei die Krümmung eine schlanke Linie vortäuscht: Denn ist das Galaxy Nexus oben eine Spur dünner als das Apple-Handy, ist es im unteren Bereich deutlich dicker.

Aber zurück zur Größe: Die könnte potenzielle Interessenten abschrecken. In der Praxis sorgen die 4,65 Zoll für Bedienschwierigkeiten mit einer Hand, weil man mit dem Daumen nicht jeden Punkt auf dem Touchscreen erreicht und dann entweder umgreifen oder die zweite Hand zur Eingabe zur Hilfe ziehen muss. Die 3,5 Zoll des iPhone erweisen sich diesbezüglich als bedienungsfreundlicher, erlauben sie doch einer durchschnittlichen Hand, mit dem Daumen nahezu jeden Bereich des Displays zu erreichen. Andererseits: Hostentaschentauglich ist das “Galaxy Nexus” aber allemal.

Display
Der Größen-Nachteil ist gleichzeitig ein Vorteil: Die 4,65 Zoll bieten Platz für 1280 mal 720 Pixel, was das “Galaxy Nexus” zu eines der wenigen Smartphones (etwa neben der 720p-Version des “Galaxy SII” oder dem “LG Optimus LTE”) mit echtem HD-Display macht. Zum Vergleich: Das “Retina Display” des  “iPhone 4S” bietet 960 x 640 Pixel, die so dicht gedrängt sitzen, dass man die einzelnen Punkte nicht mehr mit freiem Auge erkennen kann. Auch beim “Galaxy Nexus” lassen sich einzelne Pixel nicht mehr ausmachen.

Das Betrachten von Fotos und Videos macht auf dem großen Schirm natürlich mehr Spaß als auf kleineren Handy-Displays. Im Vergleich zum iPhone 4 ist das Vorserienmodell des “Galaxy Nexus” allerdings in Sachen Farbtreue unterlegen: Sein “sAMOLED”-Display bringt kein so klares Weiß wie das Apple-Handy zustande und neigt zu gelblichen Farbtönen. Das mag aber am Vorserienmodell liegen, auf die finale Version darf man diesbezüglich gespannt sein.

Anschlüsse und Tasten
Bei Anschlüssen und Tasten gibt sich das “Galaxy Nexus” sparsam - denn Tasten gibt es unter dem Bildschirm keine. Stattdessen werden - je nach laufendem Programm, Bedienelemente am unterem Display-Rand eingeblendet. Physische Knöpfe gibt es lediglich zum Ein- und Auschalten (rechts oben) und für die Lautstärke (links oben).

Unkonventionell ist das “Galaxy Nexus” bei den Anschlüssen. Mit dem Mikro-USB-Anschluss zum Laden und Computer-Anschließen erfüllt man brav die neuen EU-Vorgaben - doch den 3,5mm-Klinkenanschluss für Kopfhörer an der Unterseite (wohl aus Platzproblemen) einzubauen, ist ungewöhnlich. Wer unterwegs Musik hört, muss das Gerät also kopfüber in die Hosentasche stecken, damit das Kopfhörer-Kabel nach oben Platz hat. Interessant für Personen, die vorhaben, vom iPhone 4 auf das Galaxy Nexus zu wechseln: Es hat einen normalen SIM-Karten-Slot und setzt also nicht auf die neuen Micro-SIMs.

Akku

Ein kurzes Wort zum Akku: Das Vorserienmodell ist mit einer vergleichsweise starken Batterie mit 1750 mAh ausgerüstet. Zum Vergleich: Das “Samsung Galaxy SII” hat einen Akku mit 1650mAh-Akku, das “Nokia N9” einen mit 1450mAh. Ob das für extra lange Laufzeiten sorgen wird, ist anzuzweifeln: Das große HD-Display und der starke Prozessor werden dem Akku im Regelbetrieb viel Energie abverlangen. Für ein wirklich aussagekräftiges Urteil war die Testdauer zu kurz.

Prozessor
Das “Galaxy Nexus” ist mit 1 GB RAM sowie einem Dual-Core-Prozessor mit 1,2 Gigahertz ausgerüstet und damit rein zahlenmäßig dem iPhone 4S überlegen. Die Bedienung von Menü und Apps läuft flüssig, der Browser lädt rasch, auch die Kamera - darauf legt Samsung besonderen Wert - startet schnell. Im Benchmark-Test konnte das Vorserienmodell des “Galaxy Nexus” jedoch nicht mit dem “iPhone 4S” mithalten: Der BrowserMark von Rightware wies dem Galaxy Nexus einen Score von 72102 aus, das iPhone 4S konnte im

einen Score von 88706 erreichen. Hardware und Browser des Apple-Handys dürften also insgesamt flinker rechnen - allerdings ist auch hier noch ein Test des finalen Modells des Samsung-Smartphones abzuwarten.

Foto und Video
Etwas mager ausgestattet wirkt das “Galaxy Nexus” mit der 5-Megapixel-Kamera. Wieder zum Vergleich: Apples “iPhone 4S”, NokiasLumia 800“ oder HTCs “Sensation” bieten bereits 8 Megapixel. Die rückwärtige Kamera soll aber trotzdem 1080p-Videos wie das iPhone 4S schaffen. Die Front-Kamera für Videotelefonate und Selbstporträts bietet 1,3 Megapixel.

Das Vorserienmodell litt im kurzen Testzeitraum leider an Software-Problemen, die die Kamera-Funktion regelmäßig zum Absturz brachte bzw. starkes Bildruckeln verursachten. Auch hier bleibt abzuwarten, wie sich die endgültige Version des Geräts bei Foto und Video schlägt.

Android 4.0
Die wohl größte Neuerung, die mit dem “Galaxy Nexus” auf den Markt kommt, ist Android 4.0 (“Ice Cream Sandwich”). Dafür hat Google beim “Look & Feel” des Betriebssystems angesetzt. Das fängt bei der Display-Sperre an (man zieht zum Entsperren ein Vorhangschloss-Symbol nach rechts oder startet die Kamera mit einem Ziehen desselben Symbols nach links) und hört beim Menü auf. Dort herrschen jetzt viele Linien und der neue Schrift-Typ “Roboto” vor, die der Software einen klares, wenn auch etwas kühles Feeling verpassen.

Etwas verkompliziert wird die Steuerung durch das Fehlen von physischen Tasten und die Aufteilung von Bedienelementen in die “System Bar” (drei Symbole für “Zurück”, “Homescreen” und “Multitasking”) und die “Action Bar” (Bedienelemente wechseln je nach App). Gut ist, dass sich eingehende Anrufe nun sofort mit einer SMS beantworten lassen. Details am Rande: Android erlaubt es nun auch, Screenshots zu machen, und der Browser erlaubt das Offline-Speichern von Webseiten (Instapaper lässt grüßen).

Dass auch Google bei Apple wie umgekehrt abkupfert, zeigt auch das neue Ordner-System: Man kann jetzt Apps in einen gemeinsamen Folder legen, indem man ein App-Symbol über ein zweites zieht - das kennen iOS-Nutzer bereits seit längerem. Zur Differenzierung von Apples iOS rückt Android 4.0 seine “Widgets” weiter in den Vordergrund: Im Menü gibt es neben dem Reiter “Apps” (hier finden sich auch die “Einstellungen”) einen für die “Widgets”. Hier finden sich bekannte Elemente wie Analoguhr, Energiesteuerung, eMail oder Suchbalken, die per “Drag & Drop” auf einen der weiterhin fünf Homescreens gelegt werden können.

Viel Wert legt Android auch auf die Hervorhebung der Multitasking-Funktion. Ein fast immer eingeblendetes Stapel-Symbol unten rechts ruft eine Liste aller laufenden Programme auf, die gerade im Hintergrund laufen - hier hätte Google allerdings übersichtlicher gestalten können. Der Wechsel zu den anderen Apps funktioniert aber jedenfalls sehr rasch und mit weniger Zeitverzögerung als etwa unter iOS 5.

Noch nicht alles testbar
Wie bereits erwähnt, lag der futurezone ein Vorserienmodell des “Galaxy Nexus vor”. Wichtige neue Android-Funktionen wie das NFC-Feature “Android Beam”, um Kontakte, Webseiten, Apps, Karten und Wegbeschreibungen auf andere Android-Handys zu übertragen, waren in dem Gerät noch nicht freigeschaltet. Auch “Face Unlock” (Smartphone per Gesichtserkennung entriegeln), “WiFi Direct”, “Voice Typing”, und die neue, tiefe Integration des Online-Netzwerkes Google+ konnten leider noch nicht ausprobiert werden. Auch der Zugriff auf den “Android Market” und generell die Aktivierung eines Google-Kontos am Gerät war nicht möglich.

Insgesamt ist das “Galaxy Nexus” ein vielversprechendes Gerät, das auch in Österreich viele Käufer finden wird. Wer sich nicht von der Größe abschrecken lässt, kommt durch das Gerät schnell an das neue Betriebssystem Android 4.0, das gegenüber iOS 5 von Apple mit einigen Neuerungen aufwarten kann (NFC, WiFi Direct, Widgets, Gesichtserkennung).

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