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Spieletest

FIFA Fußball-WM 2014: Halbes FIFA zum vollen Preis

Ab dem 12. Juni kämpfen wieder 32 Mannschaften um den Fußball-Weltmeister-Titel. Österreich ist nicht dabei, zuletzt konnte man sich 1998 für eine Endrunde qualifizieren. Seitdem hält auch Electronic Arts die Rechte am offiziellen WM-Videospiel. EA hat keine Schuld an der Nicht-Qualifikation Österreichs, dennoch haben das österreichische Fußball-Nationalteam und EAs WM-Spiele etwas gemeinsam: Sie sind nur von durchschnittlicher Qualität.

FIFA 98: Road to World Cup” genießt zwar nach wie vor Kultstatus, doch die letzten drei WM-Spiele waren lediglich abgespeckte Versionen vom FIFA des jeweiligen Jahres mit allen Nationalteams, die an der WM-Qualifikation teilgenommen haben. Dieses Jahr gibt es eine neue Auflage für Playstation 3 und Xbox 360, die WM-Stimmung verbreiten soll und insgesamt 203 Nationalmannschaften beinhaltet. Doch gibt es mehr Neues als WM-Optik und lizenzierte Nationalteams? Die futurezone hat getestet, ob sich hinter “FIFA Fußball Weltmeisterschaft 2014” mehr verbirgt als ein FIFA 14,5.

Wirft man einen Blick auf die Spielmodi, hat sich nur wenig verändert im Vergleich zu FIFA 14. In “Road to FIFA World Cup” (das Pendant zum Manager-Modus in FIFA 14) übernimmt man die Rolle des Nationaltrainers einer der 203 Nationalteams und versucht sich für die WM zu qualifizieren. Der Ablauf ist dabei stets gleich, das Team versucht sich in Testspielen an anderen Mannschaften und sammelt in der WM-Qualifikation (hoffentlich) Punkte, um später Weltmeister zu werden. Zwischen den Spielen gibt es Trainingslager, in denen man mit verschiedenen Skill-Games die Fähigkeiten der Spieler verbessern kann. Die Trainingslager sind wichtig, die Werte der Spieler können dabei deutlich verbessert werden. Spieler-Scouting gibt es nicht, auch der Nationalkader bleibt stets gleich.

Ähnlich funktioniert der “Teamkapitän”, bei dem der Spieler wie im “Be a Pro”-Modus die Rolle eines Nationalspielers übernehmen kann. Dabei muss man sich allerdings erst einmal Reputation erarbeiten und über die B-Elf in die Hauptauswahl des Nationalteams kommen. Der sonstige Ablauf ist ident zum “Road to FIFA World Cup”-Modus. Gut gelungen ist der “Geschichte der Qualifikation”-Modus, in dem 60 verschiedene Szenarien aus der WM-Qualifikation nachgespielt werden können. Dazu zählen beispielsweise der 10:0-Rekordsieg von England über San Marino oder das Comeback der Isländer gegen die Schweizer Nationalmannschaft.
“Road to Rio de Janeiro” entspricht dem Saison-Modus von FIFA 14. Der Spieler muss sich von Liga zu Liga hocharbeiten. Dafür spielt er online Spiele gegen andere Mannschaften und sammelt dabei Punkte. Am Schluss entscheidet die Zahl der Punkte, ob das Team aufsteigt, in der Liga bleibt oder absteigt. Statt Ligen kommen im “Road to Rio de Janeiro”-Modus die zwölf offiziellen Stadien der WM zum Einsatz, in denen die Spiele absolviert werden müssen. Am Schluss wartet das Finale in Rio de Janeiro. Natürlich kann auch die normale Endrunde mit einer Mannschaft der Wahl gespielt werden, sowohl offline als auch online. So könnte man in knapp eineinhalb Stunden zum Weltmeister werden. Noch nicht freigeschaltet ist der “Geschichte der Endrunde”-Modus. Dieser wird wie der “Geschichte der Qualifikation”-Modus funktionieren und Szenarien aus den spannendsten Spielen der Endrunde beinhalten.

Die KI hatte bei Defensiv-Aufgaben oftmals schwere Aussetzer. Selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad lassen Weltklasse-Verteidiger wie John Terry oder Sergio Ramos den Spieler bis zur Straufraumgrenze ohne wirkliche Gegenwehr durch. Das führt einerseits dazu, dass das Spiel im Mittelfeld sehr flüssig hin und her läuft, Distanzschüsse sind aber dadurch übermächtig und führen meist zum Erfolg. Laut EA wurde auch die Ballphysik überarbeitet und an den neuen offiziellen WM-Ball “Brazuca” angepasst. Brazuca soll eine hohe Fluggeschwindigkeit liefern, im Spiel tut er das definitiv. Der Ball fliegt im Vergleich zu FIFA 14 in Raketengeschwindigkeit, bei angeschnittenen Schüssen hat der Torwart nahezu keine Chance.

So unaufmerksam die Verteidigung auf dem Rest des Feldes auch sein mag, innerhalb des Straufraums ist sie unüberwindbar. Tore über lange Flanken oder Tricks im Straufraum sind eine wahre Seltenheit, daran ändert auch die leicht verbesserte Steuerung für enge Ballführung nichts. Apropos Kopfbälle: Die sind nun ein Stück “fairer”, da es nun auch für Spieler möglich ist, sich über die Schulter eines gegnerischen Mitspielers nach oben zu drücken. So haben auch Mannschaften, deren Verteidiger eher klein gewachsen sind, eine Chance auf den Ball. So sind Kopfball-Ungeheuer wie Mario Mandzukic keine Übermacht mehr.

Einsteigerfreundlich

Im Vergleich mit FIFA 14 verläuft ein Spiel in FIFA WM 2014 deutlich schneller und Arcade-lastiger. Bedächtiges Passen oder umsichtiges Verteidigen sind passé, wie im Hallenfußball geht es ständig hin und her. Torreiche Spiele mit insgesamt mehr als zehn Toren sind die Folge, so etwas gab es seit FIFA 08 nicht mehr. Auch wenn das nach einem Rückschritt klingt, unterhaltsam ist es dennoch. Gerade Spiele mit Freunden werden so erst richtig unterhaltsam und zu einem offenen Schlagabtausch, denn nichts ist langweiliger als ein dröges Eins zu Null. Zudem dürften so auch blutige Anfänger deutlich mehr Spaß mit dem Spiel haben. Einsteiger will FIFA WM 2014 mit dem Schwierigkeitsgrad “Anfänger” und der “Zwei Tasten”-Steuerung locken, die standardmäßig eingestellt werden.

Mehr taktische Kontrolle gibt es nun auch bei Eckbällen. Der Spieler kann vor der Ausführung nun zwischen vier verschiedenen Taktiken wählen, beispielsweise “Torwart bedrängen” (mehr Spieler im Sechs-Meter-Raum) oder “Zum kurzen Pfosten laufen”. Ansonsten ist der Taktik-Manager im Vergleich zu FIFA 14 aber unverändert.

Eine Weltmeisterschaft besteht nur zu (geschätzten) 60 Prozent aus dem Fußball-Spiel selbst, die restlichen 40 Prozent sind Unterhaltungsprogramm. Die “Show” sozusagen. EA kann diese in FIFA WM 2014 auch bieten. Zum Start des Turniers wird eine lange Eröffnungs-Show mit Kommentar gezeigt.In den Zwischensequenzen lässt sich sogar Sepp Blatter erkennen. Ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen: EA hätte ruhig auf ihn verzichten können, beliebt ist er unter Fußball-Fans ohnedies nicht. All das macht einen leicht überladenen Eindruck, zumindest wenn man sich bereits an FIFA 14 gewohnt hat. Die Präsentation zu Beginn der Spiele bietet schöne Kamerafahrten um das Stadion und ist stimmig, doch die Zwischensequenzen während des Spiels nerven nach einer Weile.

Bei jedem Einwurf oder Wechsel den Trainer oder Fans zu zeigen, stört etwas den Spielfluss. Zudem gibt es nur für 19 WM-Mannschaften Trainer-Modelle (hoffentlich wird kein Trainer vor der WM entlassen). Das sorgt dafür, dass bei Spielen zwischen einem WM-Teilnehmer und einer Mannschaft, die sich nicht qualifiziert hat, ständig der Trainer der WM-Mannschaft gezeigt wird, auch nach Szenen des anderen Teams. Bei den Außenaufnahmen der Stadien lässt die Grafik ihre Muskeln spielen, das hätte man der betagten FIFA-Engine gar nicht zugetraut. Leider sorgt sie dafür im Spiel, wenn beispielsweise ein Getümmel im Strafraum herrscht, Ruckler erkennen, die den Spielfluß stören.
Aus unerfindlichen Gründen ist EA zudem offenbar der Meinung, dass die Stimmung besser wird, wenn Szenen von Fans aus Bars oder Public Viewing-Zonen gezeigt werden. Sie wird nicht besser. Tatsächlich drückt es die Stimmung sogar etwas, da der Jubel aus dem Stadion leiser geschaltet wird und die Geräuschkulisse bei den Fan-Szenen recht verhalten ist. Die Szenen wirken, so gut gemeint es auch sein mag, etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Auffällig war außerdem, dass das Trikot mit der Rückennummer 10 bei Fans jeder Mannschaft sehr beliebt sein muss. Jeder Fan mit Trikot, der in einer der unzähligen Zwischensequenzen zu sehen war, trug ein diese Nummer auf dem Rücken.

Guter Soundtrack

Wie bei FIFA 14 kommen in der deutschen Sprachausgabe die Kommentatoren Frank “Buschi” Buschmann und Manfred “Manni” Breuckmann zum Einsatz. Laut EA wurden 15 Stunden an zusätzlichen Kommentaren aufgenommen. Damit dürften aber Kommentare in alle Sprachen gemeint sein, denn zumindest während den Spielen wurden die gleichen Worthülsen wie in FIFA 14 verwendet.

Lediglich bei der “Vorberichterstattung” zum Spiel fielen neue Kommentare auf, in denen die Mannschaften nett beschrieben wurden. Aber auch diese Beschreibungen bleiben auf WM-Teilnehmer beschränkt, zur österreichischen Nationalmannschaft fällt “Buschi” und “Manni” nichts ein. Bei sehr unbekannten Nationalmannschaften mit ungewöhnlichen Spielernamen, wie jener von Macau oder Amerikanisch-Samoa, herrscht während des Spiels oft lange Stille, da keine Sprachdateien für die Namen vorhanden sind. Der Soundtrack ist, wie bei vielen anderen EA Sport-Spielen, sehr gut gelungen. Neben dem offiziellen WM-Titel von Pitbull und Jennifer Lopez findet sich sehr viel Musik von brasilianischen Künstlern auf der Playlist, aber auch hierzulande bekannte Interpreten wie NoNoNo, Switchfoot oder Tine Tempah zu finden.

Kein Next-Gen

Warum eigentlich keine Next-Gen-Version für PS4 und Xbox One? Electronic Arts begründet das gegenüber Videogamer.com damit, dass man mit den “vorhandenen Ressourcen” ein Spiel erschaffen wollte, das für “so viele Personen wie möglich verfügbar ist.” Die gleiche Begründung dürfte wohl für das Fehlen einer PC-Version gelten. Es seien aber für FIFA 14 Aktionen und Turniere mit WM-Inhalten im SpielmodusFIFA Ultimate Team” geplant.

FIFA WM 2014 hat ein großes Problem. Es ist ein Spiel das drei, vielleicht vier Monate lange Spaß macht. Danach fehlt einfach der persönliche Bezug zu den Inhalten, denn dann ist die WM vorbei und der Wiederspielwert für Fans trotz der Möglichkeit, Szenarien aus der Endrunde nachzuspielen, gering. FIFA hat dieses Problem nicht, denn Liga-Fußball wird das ganze Jahr hindurch gespielt. Das ist schade, denn das Spiel selbst ist nicht schlecht, doch im direkten Vergleich mit FIFA kann es einfach zu wenige Argumente liefern, um einen Preis von 60 Euro zu rechtfertigen.

Gegen FIFA WM 2014 spricht auch, dass alle Spielmodi in der einen oder anderen Form auch in FIFA 14 enthalten sind. Passend zu Brasilien hätte man einen Spielmodus mit Futsal oder Beachsoccer integrieren können, das letzte FIFA Street ist ja mittlerweile zwei Jahre alt (und seit Ende März ohne Online-Server). So kann das Spiel nur eingefleischten WM-Fans und Konsolen-Spielern, die noch kein FIFA besitzen und gerne mit Nationalmannschaften spielen, empfohlen werden.

Alle anderen Fußball-Fans sollten nach wie vor zu FIFA 14 greifen, das vor allem auf den Next-Gen-Konsolen durch die höhere Framerate und Auflösung optisch eine Wohltat ist. In den Next-Gen-Versionen fehlt aber mittlerweile der Turnier-Modus, sodass man sich trotz 46 Nationalteams keine eigene Endrunde zusammenstellen kann. In Pro Evolution Soccer 2014 (das derzeit kostenlos für PSN-Mitglieder ist) gibt es aber einen Turnier-Modus und 81 Nationalteams, von denen viele allerdings ohne lizenzierte Spieler sind.

tl;dr: FIFA 14 ohne Klub-Mannschaften und Wiederspielwert, dafür mit 203 FIFA-Nationalmannschaften

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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