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Mobile Marketing

"Große Firmen sind viel zu feige"

FUTUREZONE.at: Sie haben mit einer Applikation, die sie für Ikea gemacht haben, den Goldenen Löwen in Cannes gewonnen. Wie haben Sie die Jury überzeugen können?

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Carrillo: Der interaktive Ikea-Katalog ist wirklich eine ausgefallene Idee. Man macht ein Foto seiner Wohnung, seiner Zimmer und stellt dann virtuell die verschiedenen Möbel aus dem Katalog hinein und kann gustieren, ob die Möbel in die Wohnung passen. Das hat nicht nur uns und Ikea gefallen, sondern eben auch der Jury.

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Und was bringt so ein Goldener Löwe?

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Ich habe mit meiner Firma schon viele Preise gewonnen, der Goldene Löwe ist auch etwas Besonderes und er tut dem Wiedererkennungswert unserer Firma gut, er hat aber keine zusätzlichen Aufträge gebracht. Kein Auftraggeber engagiert jemanden wegen einer Auszeichnung. Es geht immer nur um die beste Idee. Die zählt, sonst nichts.

Eric Schmidt hat im Frühjahr beim Mobile World Congress in Barcelona die Devise "Mobile first" ausgerufen. Unternehmen haben, sieht man vom derzeitigen App-Boom ab, sich diese Devise noch nicht zu Herzen genommen.

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Google ist clever, daher sollte man deren Empfehlungen folgen. Der Vorteil des mobilen Web gegenüber dem Festnetz-Internet ist bekannt. Es ist vielleicht nicht schneller, was die Geschwindigkeit anlangt, aber man kann über das mobile Web schneller Informationen verteilen und man erreicht eine noch größere Zielgruppe, weil ja so gut wie jeder ein Handy besitzt.

Wenn ich mir aber Marketing-Methoden am Handy ansehe, viel ist da noch nicht los. Es gibt SMS-Gewinnspiele, vielleicht hie und da eine Banner-Werbung, und da und dort ein App-Spiel, das auf ein Unternehmen aufmerksam machen soll. Das kann nicht alles sein?

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Mobile Werbung steht vor dem Durchbruch, aber da darf man sich keine Explosion erwarten, sondern eine Evolution. Seit sechs Jahren ist mein Unternehmen schon auf dem Markt, erst heuer würde ich sagen, ist das mobile Wachstumsjahr. 2007 war das Jahr der Krise, 2008 das Jahr der Erholung und seit 2009 geht’s bergauf. Von 2009 auf 2010 werden wird das Geschäft um 80 Prozent wachsen.

Betrachten wir mal die diversen iPad-Apps, mit denen Medienhäuser nun versuchen, ein neues Kundenklientel zu erreichen.

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Adobe hat eine eigene Gruppe im Silicon Valley, die Medien dabei unterstützt, wie sie ihre Auftritte am iPad, am Kindle etc. populärer machen können. Für die großen Blätter macht Adobe das sogar kostenlos. Im Grunde sind die Informationen und Neuigkeiten, mit denen uns Medien versorgen, ja die gleichen. Es geht darum, den Unterschied heraus zu arbeiten, den Mehrwert, und da können Apps sehr hilfreich sein, wenn sie ausgefallen sind.

Aber genau bei der App-Werbung vermisse ich die Innovationen. Ganz wenige Unternehmen werben mit multimedialer Werbung - sieht man von einigen zahlungskräftigen Firmen ab, die im Magazin Wired inserieren.
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Genau das ist das Problem, dass diese Innovationen ja jemand zahlen muss. Es gibt einige Marken, die immer auf der Suche nach etwas Neuem sind, wie etwa Nike, Coca Cola oder RedBull- die zahlen für die Ideen, denen sind Kosten relativ egal. Aber wenn man zu einer kleineren Firma geht, bekommst du als Antwort: Ok, aber wie viele Produkte verkaufe ich dadurch mehr? Das ist absurd. Man kann ja auch nicht zählen, wie viele Verkäufe ein TV-Spot gebracht hat. Die Einstellung der Firmen zu Werbung und Marketing muss sich ändern, es werden nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt.

Ist es mit großen Kunden leichter als mit kleinen?

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Wir haben da einen sehr sehr großen Kunden, den Namen will ich jetzt nicht sagen, die haben ein riesiges Werbe- und Marketing-Budget. Wir hatten da eine lustige Idee, aber sie trauten sich nicht drüber. Viele Verantwortliche haben Angst vor etwas Neuem. Die großen Firmen sind viel zu feige.

Sie plakatieren nach wie vor Wände voll, verschicken Flugblätter aber vergessen auf das mobile Web?

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Genau so ist es. Weil Marketing-Direktoren kein Risiko eingehen wollen. Vielleicht misslingt ihm eine TV-Kampagne auch, aber dann kann er sich darauf ausreden, dass er auf das gesetzt hat, auf das er (und andere Firmen) immer schon gesetzt haben. Probiert er etwas Neues aus, kann dieser Misserfolg ihm angelastet werden.

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Woran arbeiten Sie derzeit?

>>Eine Kampagne für Mini auf dem iPad. Auch für Sony Ericsson entwickeln wir derzeit eine Location-Based-Service-Kampagne. Wir machen die gesamten mobilen Services für eine spanische Airline, für Vodafone, für spanische Fußballmannschaften etc.

Wieder ein Kandidat für einen Goldenen Löwen dabei?
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Wir arbeiten nicht darum, einen Goldenen Löwen zu bekommen, sondern ein perfektes Ergebnis für den Kunden zu kreieren. Die Werbung für den Mini auf dem iPad wird wirklich cool.

Der österreichische A1Telekom-Generaldirektor Hannes Ametsreiter hat kürzlich das "Jahrzehnt der Apps" ausgerufen. Werden wir wirklich auch 2020 noch über Apps reden?Könnte es nicht ein völlig überschätzter Hype sein?

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Sicherlich wird derzeit viel über Apps diskutiert, aber ich gehe davon aus, dass Apps in den kommenden zwei, drei Jahren ein starkes Thema bleiben. Weil auch die Zahl der Smartphone-User zunehmen wird, die ihre Mobiltelefone mit Apps aufrüsten. Aber freilich kann man die Frage, was 2020 sein wird, nur schwer beantworten, weil alles irrsinnig rasch geht.

Der Erfinder des WWW wiederum, Tim Berners-Lee, sagte kürzlich, dass es besser wäre, Web-Services zu entwickeln, die auf allen (mobilen) Plattformen und Geräten funktionieren, und nicht Apps.

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Da hat er in gewisser Weise recht, aber was man mit Apps machen kann, kann man derzeit noch nicht im Web realisieren. Mit HTML5 wird sich einiges ändern.

Also sollten Firmen auf HTML5 warten?
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Es kommt drauf an, das hängt von Steve Jobs und Eric Schmidt ab, die beiden werden den Standard für das mobile Internet vorgeben.

Apple macht sich derzeit wenig Freunde. Die Geräte verkaufen sich zwar exzellent, aber Apple klagt ständig andere Mitbewerber wegen angeblicher Patentverletzungen, hat es sich mit Adobe verscherzt und auch das Verhältnis mit Google ist nicht wirklich harmonisch.
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Apple wird verlieren, Google wird diesen Kampf gewinnen. Apple ist zwar ein kreatives Unternehmen, aber die Betreiber wollen Apple nicht, die Entwickler sind verärgert, weil Apple eine zu strikte Politik fährt und fast schon etwas Diktatorisches hat, Google und Apple sind auch nicht die besten Freunde. Apple verfolgt die Philosophie: Wer mit uns arbeiten/kooperieren will, muss tun, was wir sagen. Google macht genau das Gegenteil. Google ist offener.

Aber Google steht wiederum mit seiner Datenschutz-Politik am Pranger?
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Google ist wirklich gefährlich, da sie über ihre vielen Produkte eine Menge an User-Daten generieren. Datenschutz und Privatsphäre sind heikle Themen, aber um künftig akzeptiert zu werden und auch erfolgreich zu sein, muss man auf Transparenz und unbedingt auf das Opt-in-Verfahren setzen. Also ich als Kunde muss aktiv einen Dienst bestellen, ihn ordern, die Nutzungsbedingungen lesen und akzeptieren. Eine Opt-out-Methode - ich werde zwangsbeglückt und kann mich erst im Nachhinein vom Dienst abmelden - halte ich für völlig falsch.

Was sind die großen Trends beim Mobile Marketing?
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Auf jeden Fall die Mobile Suche, dann - wie ich dazu sage - der Rich-Media-Content auf Handys, also Videos, Animation mit HTML5 und freilich Location Based Services.

Aber Mobile Marketing ist noch nicht wirklich ein großer Markt?
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2006/2007 war die Krise, da hat Mobile Marketing niemanden interessiert. Jetzt hat sich die Lage entspannt und jetzt ist es so, dass die Firmen dem Trend hinterher hinken, weil der Handy-Markt stärker wächst als sie aufholen könnten. Dennoch: Der Mobile-Marketing-Markt ist noch immer relativ klein und überschaubar.

Welche Smartphone-Betriebssysteme werden sich durchsetzen?
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Android, iPhone OS, Windows Phone 7, Rim.
Also alle, bis auf Nokias Symbian?
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Nokias Performance ist sehr schlecht, schauen Sie sich die wirtschaftlichen Ergebnisse an. Auf dem Smartphone-Markt ist Nokia nicht wettbewerbsfähig. Die Zahl der Apps, die im Symbian-Store downgeloadet werden, ist im Vergleich mit den anderen absolut lächerlich.

(//Gerald Reischl//)

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