© Jakob Steinschaden

Amazon-Tablet

Kindle Fire im Test: Multimedia mit Macken

Marktforscher sehen es schon auf dem

, US-Konsumenten freuen sich über den
, und Design-Guru
: Der “Kindle Fire”, Amazons neues Tablet, gehört mit Sicherheit zu jenen Geräten, die 2011 in den Listen der wichtigsten Hightech-Neuheiten landen wird.

Derzeit ist der Kindle Fire nur in den USA um 199 Dollar (152 Euro) erhältlich, stößt kurz vor Weihnachten aber auch im Ausland auf viel Interesse. Aber Achtung: Wer es etwa bei eBay im Ausland ersteigert, muss rund 50 Euro Zoll sowie Postgebühr bezahlen. Die futurezone konnte einen auf diesem Weg eingeführten Kindle Fire bereits einem ersten Test unterziehen.

Gar nicht so leicht

Konzeptuell sowie von der Hardware her ist der Kindle Fire komplett anders angelegt als das iPad. Während das Apple-Produkt seinem Hersteller satte Einnahmen besorgt, verkauft Amazon sein Tablet

. Der Online-Händler spekuliert auf einen mittelfristigen Gewinn, soll das Tablet doch das ultimative Portal zu kostenpflichtigem Content sein - vom eBook bis zum gestreamten Film.

Mit den Maßen 190 mm x 120 mm x 11.4 mm ist der Kindle Fire nur etwa halb so groß wie das iPad, bringt mit 413 Gramm aber dennoch einiges an Gewicht auf die Waage (iPad 2: 601 Gramm, Samsung Galaxy Tab: 380 Gramm). Auch ist er eine Spur dicker als das iPad 2, hat jedoch weder Kamera noch 3G-Modul spendiert bekommen (nur WLAN). Darüber hinaus sind nur 8 GB Speicher unter dem Gehäuse aus griffigem Plastik verbaut. Es gibt zwar einen Kopfhörer-Anschluss, Lautstärkeregler am Gehäuse fehlen leider.

“Easy to hold in one hand”, verspricht Amazon. Das mag zwar stimmen, in der Praxis greift man den Kindle Fire aber meist trotzdem mit zwei Händen an und verlegt sich darauf, es im Querformat zu halten - was aber nicht nur ergonomische Gründe hat. Noch ein Wort zur Hardware: Das Gerät hat nur einen Knopf zum Einschalten, Programme werden immer über einen eingeblendeten “Home”-Knopf beendet.

Touchscreen mit Mankos
Bei der Display-Größe hat sich Amazon für sieben Zoll (1024 x 600 Pixel) entschieden - und sich damit zurecht eine Rüge von Design-Guru Nielsen eingehandelt: Content, der für Magazine, Smartphone-Displays, 10-Zoll-Tablet oder Desktop-PCs ausgelegt ist, würde in dieser Größe nicht funktionieren, so Nielsen.

Dieser Kritikpunkt ist berechtigt. Werden Webseiten in der Standard-Form angezeigt, sind Schrift und Links tatsächlich oft zu klein, um les- bzw. klickbar ("Fat-Finger-Problem") zu sein. Wechselt man auf die mobile Webseite, will das Layout ebenfalls nicht so recht passen. Immerhin kann man dem Browser “Silk” in den Einstellungen sagen, dass er mobile Webseiten-Darstellungen präferieren soll.

Der Touchscreen selbst funktioniert gut, wenn er auch nicht so flott reagiert, wie man es sich wünschen würde. Beim schnellen Scrollen oder der Pinch-to-Zoom-Geste zum Vergrößern etwa merkt man, dass er verzögert bzw. manchmal etwas ruckelt. Diesbezüglich (und wegen anderen Problemen) hat Amazon ein

. Anzumerken ist auch, dass der Bildschirm stark spiegelt - ein Problem, dass aber viele Tablets betrifft.

Silk - der kritisierte Browser
Anders als bei iPad oder Android-Tablets üblich werden beim Kindle Fire Programme nicht über Apps und Widgets auf einem Startbildschirm angesteuert, sondern über sieben Reiter in der Leiste oben (“Newsstand”, “Books”, “Music”, “Video”, “Docs”, “Apps”, “Web”) abgerufen. Von Googles Betriebssystem Android, auf dem der Kindle Fire läuft, merkt man optisch rein gar nichts.

Über “Web” öffnet man den Browser “Silk”, der von Amazon ob seiner Cloud-Funktionalität als sehr schnell angepriesen, von Datenschützern genau deswegen kritisiert wird (der komplette Datenverkehr wird über Firmenserver geleitet, dort für das Tablet optimiert und komprimiert). Im Kurztest war von Speed nichts zu bemerken: Unter gleichen Verbindungsbedingungen luden Webseiten wie Kurier.at, NYT.com oder futurezone.at im iPad-2-Browser "Safari" schneller. Das deckt sich mit Testergebnissen, von denen etwa ReadWriteWeb berichtet.

Ein weiteres Problem des Browsers: Wenn man im Querformat surft, nehmen die Menüleisten oben und unten recht viel von der ohnehin schon recht geringen Bildfläche weg. Positiv anzumerken ist aber in jedem Fall, dass der Kindle Fire im Gegensatz zu Apples iPad den Web-Standard Flash unterstützt.

Viele Inhalte - aber nicht in Österreich
Viel surfen oder arbeiten (Dokumente lassen sich aufspielen) soll man mit dem Kindle Fire aber ohnehin nicht - Amazon ist es wohl lieber, dass man in seinem reichhaltigen Online-Shop Geld ausgibt. Die Bereiche “Newsstand”, “Books”, “Music”, “Video” und  “Apps” haben eigene Stores angeschlossen, zu denen man von den auf dem Gerät (ca. 6,5 GB sind frei) bzw. in der Cloud (unbegrenzter Speicherplatz, aka Amazon-Server) gespeicherten eigenen Inhalten mit einem Klick wechseln kann.

Schaltzentrale des Kindle Fire ist der Startbildschirm, der im "Cover Flow"-Stil von Apple die zuletzt benutzten Programme schön nebeneinander auffädelt. Das sieht gut aus, allerdings weiß jeder andere, der das Tablet zur Hand nimmt, welche Bücher/Filme/Apps man gerade liest/sieht/nutzt. Insofern lohnt es sich, das Gerät per Code zu sperren. Aktiv personalisieren wie etwa mit App-Icons am iPad lässt sich der Startbildschirm nicht - er wird automatisch personalisiert.

Ob Apps in Amazons Appstore (von Amazon freigegebene Android-Apps), mehr als eine Million Bücher im Kindle Store (plus 2 Mio. kostenlose Titel), mehr als 400 digitale Magazine und Zeitungen im Newsstand, mehr als 17 Mio. Songs in Amazons MP3 Store oder mehr als 100.000 Filme und TV-Shows - das Angebot ist mit Sicherheit überwältigend. Amazon-Prime-Kunden können für 79 Dollar im Jahr obendrein gebührenfrei und nach Belieben 10.000 Filminhalte und 5000 eBooks nutzen.

Die Crux der Geschichte: Abgesehen von den eBooks unterliegt der restliche Content offenbar Lizenzbeschränkungen. “Amazon App Store is not yet available in your region” heißt es etwa, wenn man in Österreich ein Programm auf den Kindle Fire laden will, genauso, wie Fehlermeldungen bei Film-Streams aufpoppen. Einzig den vorinstallierten, personalisierbaren Feed-Reader Pulse kann man hierzulande nutzen. Lediglich über einen Umweg kann man derzeit Musik auf das Tablet bringen - und zwar, indem man selbst MP3s in Amazons Cloud Drive (5 GB gratis) hochlädt.

Fazit
Insgesamt hat Amazon solide, wenn auch nicht überwältigende Hardware abgeliefert, sich in Sachen Menüführung etwas Neues überlegt und den Konsum von Cloud-Content auf die nächste Ebene gehoben. Auch der Preis von gerade einmal 199 Dollar ist ein schlagkräftiges Argument. Dem stehen einige Nachteile gegenüber: Der Browser wirft Privatsphäre-Fragen auf und ist (noch) nicht sonderlich schnell, für unterwegs gibt es keine 3G-Option. Solange Amazon seine Online-Shops nicht in Österreich aufsperrt, ist eine Anschaffung zudem eigentlich sinnlos.

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