DEUTSCHLAND

Klinik testet Operieren mit dem iPod aus

Wenn Orthopäde Holger Bäthis im Kölner Operationssaal seinen iPod verlangt, will er die Darstellung der optimalen Beinlänge wissen und nicht etwa Entspannungsmusik hören. Der Patientin auf dem OP-Tisch vor ihm wird gerade ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt. "Bei der Hüfte ist der iPod mein Kontrollinstrument, zeigt mir in Millisekunden, ob Position und Beinlänge optimal sind. Bei Knie-Prothesen hilft er auch bei der Vorbereitung - wo ich den Schnitt ansetze", erklärt der Mediziner. "Eine ganz klare Vereinfachung des Arbeitsablaufs und eine verbesserte Präzision."

Rund 40 Eingriffe mit Unterstützung des tragbaren Assistenten hat der Oberarzt am Städtischen Klinikum Köln-Merheim bereits absolviert. Die dortige Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie unter Leitung von Bertil Bouillon hat das System mit entwickelt - und testet seit einigen Monaten in einem weltweit einzigartigen Pilotversuch den Einsatz des iPod im OP. Parallel dazu läuft auch ein Test in einem Krankenhaus in Nashville, Tennessee. Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte die Pilotstudie genehmigt, sagt ein Behörden-Sprecher.

Datenübertragung per WLAN

Das System funktioniert so: Am iPod, der in einer sterilen Hülle steckt, sind Antennen-Kugeln und ein kleiner Taststab angebracht. Ein Infrarot-Kamera-System - zwei Meter vom OP-Tisch entfernt - kann den iPod über die Kugeln orten. Oberarzt Bäthis hält den iPod-Taststab an die Stelle, in die das künstliche Gelenk eingepasst werden soll: "Die Gelenk-Anatomie wird registriert, digitalisiert, die Daten gehen an das Kamera-System - die Berechnungen kommen in Millisekunden zurück an mich via iPod. Das funktioniert kabelfrei mit WLAN, also keine Stolperfallen mehr hier im OP-Raum."

Computergestützte Navigation als Basis

Die Arbeit basiert dabei auf einer seit Jahren etablierten Technik im OP, der computergestützten Navigation. "Die Exaktheit mit dem iPod ist ausreichend gut", meint Rolf Haaker, Experte für computerassistierte orthopädische Chirurgie. Der iPod könne in der Orthopädie, Neurochirurgie, im HNO-Bereich oder der Gesichtschirurgie eingesetzt werden. Hier sei computergestützte Navigation verbreitet und habe zu viel besseren OP-Ergebnissen geführt.

Systeme "groß wie Kühlschränke"

Der iPod habe die Vorteile, dass er leicht bedienbar und viel kleiner sei als die riesige "Workstation" mit Rechner und Großmonitor, die derzeit in die OP-Säle geschoben wird, sagt Haaker von der Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. "Er ermöglicht wohl auch kürzere OP-Zeiten." "Die Systeme sind bisher groß wie Kühlschränke und erfordern immer zusätzliches Bedienpersonal", ergänzt Bäthis. Der iPod ist auch kostengünstiger: "Für das bisherige Computersystem müssen die Kliniken bis zu 200.000 Euro investieren, das nun getestete System kostet deutlich unter 50.000 Euro", sagt Bäthis.

Die Software dazu hat ein Hersteller von Navigationssystemen entwickelt, eine Firma namens Brainlab AG bei München. Bäthis zufolge steht die iPod-Navigation kurz vor der CE- Zertifizierung und Marktzulassung. Er ist überzeugt: "Im Auto gab es früher keine Navis, jetzt überall. Auch in der Medizin wird der Einsatz wachsen, vor allem im Bereich Prothetik, HNO und Neurochirurgie."

(dpa)

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