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Apple Mac OS X 10.8

Mountain Lion im Test: Seitenhieb auf Windows 8

"Inspiriert vom iPad, neu gedacht für den Mac." In etwa so bewirbt Apple sein neuestes Mac-Betriebssystem "Mountain Lion" (Mac OS X 10.8), das im Sommer auf den Markt kommen soll. Die nächste Version der Software wurde ohne großen Aufhebens und Show einfach per Online-Information bekannt gegeben - und das hat seinen Grund. Denn Mountain Lion ist, soviel sei schon an dieser Stelle verraten, eher ein Upgrade für Mac OS X 10.7 denn ein wirklich neues Betriebssystem.

Ziel der Übung ist offensichtlich zweierlei: Mit neuen Apps und Funktionen will man den Mac einerseits noch mehr als bisher mit der iCloud und in weiterer Folge mit den iOS-Geräten iPhone und iPad verzahnen und andererseits Microsoft ein wenig die Show stehlen. Denn der rivalisierende Software-Konzern bringt voraussichtlich im Herbst sein Windows 8 heraus (für das es bereits eine kostenlose Testversion gibt). Diese Software soll über kurz oder lang übergreifend von Smartphones über Tablets und PCs alle Geräte gleichermaßen antreiben und App-Entwicklern die Arbeit erleichtern. Apple hingegen steckt noch mitten in der Zusammenführung von mobilem (iOS) und traditionellem Betriebssystem (Mac).

Notification Center: Hier trudeln die News ein

Eine neue Funktion, mit der man sich bei Mountain Lion wohl am schnellsten anfreunden muss, ist das "Notification Center". Rechts oben kann man sich Benachrichtigungen über neue Vorgänge in Programmen einblenden lassen, wie es die populäre App "Growl" schon seit langem tut. Anstatt aber nur zu kopieren, geht Apple einen Schritt weiter und spendiert den Notifications eine eigene Spalte rechts, die man entweder per Klick auf das Zielscheiben-Symbol in der Leiste oben oder mit einer neuen Touchpad-Geste (zwei Finger von rechts in die Mitte ziehen) öffnen kann.

Zum Start werden nur Apple-eigene Programme wie Mail oder Reminders die Funktion haben, App-Entwickler (z.B. Spotify) könnten die Funktion aber ebenfalls integrieren. Je mehr Programmen man Benachrichtigungen erlaubt, desto mehr Notifications werden aufpoppen - hier ist vom Nutzer bedachtsamer Umgang gefragt, ansonsten wird die Funktion schnell nerven.

Messages: Chatten mit iOS-Nutzern

Während am Mobile World Congress bereits der SMS-Nachfolger "joyn" präsentiert wurde, geht Apple lieber eigene Wege und bringt seine iMessages von iOS auf den Mac. Die "Messages"-App ersetzt die ohnehin nicht sehr beliebte iChat-Software und wird im Zusammenspiel mit Facetime zur Echtzeit-Kommunikations-Zentrale. Natürlich mit einer Einschränkung: Kurznachrichten, Fotoversand, Gruppenchats oder Videoanrufe funktionieren nur zu anderen Macs oder iOS-Geräten, was den Empfängerkreis unnötig einschränkt. Zwar greift Messages auf das eigene Adressbuch zu, doch Nachrichten an Nicht-Apple-Nutzer können nicht zugestellt werden.

Da Messages über den Cloud-Dienst iCloud läuft, werden die Chatnachrichten natürlich auf die anderen, mit der eigenen Apple-ID verknüpften Geräte synchronisiert. Das kann schnell nerven, wenn man am MacBook schreibt und die Antworten nicht nur in dem Programm, sondern auch am iPhone, das nebenbei am Schreibtisch liegt, eintrudeln. Messages kann man übrigens bereits jetzt in der Beta-Version testen.

iCloud: Noch nicht wirklich ausgereift

Mit Mountain Lion will Apple sein Baby iCloud neuen Schub verpassen. Mails, Dokumente, Kontakte, Termine - alles soll schnell von A (Mac) nach B (iPhone, iPad) flutschen und umgekehrt. Im Vergleich zu Lion hat sich zumindest in der vorliegenden Developer Preview aber nicht viel getan - lediglich die Synchronisation der neuen Reminder-App (siehe unten) ist dazugekommen. Spannend wird hier vielmehr sein, ob Apple auch anderen Programmen als die eigenen in seine iCloud hineinlässt.

Bis zum endgültigen Release hat Apple bezüglich iCloud noch Arbeit vor sich. Denn so ist es derzeit einfach nur ärgerlich, ein Pages-Dokument in der iCloud zugänglich zu machen und dann im iCloud-Account darauf aufmerksam gemacht zu werden, erst die Pages-App für iOS kaufen zu müssen - oder das Dokument auf iWork.com abzurufen.

Reminders: Geräte-übergreifende Erinnerungen

Mit "Reminders" wird bei der Installation von Mountain Lion eine weitere neue App installiert, die auf die rege Nutzung des Users wartet. Sie soll analog zur iOS-5-App an Termine etc. erinnern - was sie auch brav via Notification am im rechten oberen Bildschirmeck tut. Via iCloud können die Einträge auch synchronisiert werden, was gut und flott funktioniert. Auch in die andere Richtung klappt es im Test tadellos: Binnen Sekunden ist ein Eintrag in der Reminders-App am iPhone (die mit der Sprachsteuerung Siri zusammenpielt) in der Desktop-App gelandet.

Notes: Und noch eine Notiz-App

Zusätzlich zu den alten Notizzetteln und der neuen Reminders-App gibt es bei Mountain Lion auch noch die Notes-App - die, große Überraschung, für Notizen da ist. Ob Einkaufszettel oder Nobelpreis-verdächtige Idee: Apple glaubt, dass Einfälle am besten in Notes aufgehoben sind. Per iCloud-Synchronisation sollen diese Notizen auch gleich auf iPhone oder iPad landen - was im Test aber aus unerfindlichen Gründen nicht funktionierte.

Insgesamt ist Notes aber ohnehin zu vernachlässigen. Mit Evernote, Springpad oder Memonic gibt es sowieso bessere Möglichkeiten, seine Notizen Geräte-übergreifend festzuhalten - vor allem, weil diese nicht in der Apple-Welt aufhören, sondern das Synchronisieren etwa auch auf Android- oder Windows-Geräten erlauben.

Safari: Eine Annäherung an Chrome

Mit der Version 5.2 liefert Mountain Lion eine neue Ausgabe des Apple-Browsers Safari mit. Dessen auffälligste Neuerung ist ganz klar das Fehlen eines Suchfeldes oben rechts. Wer googeln/bingen/yahoo!en will, der tippt einfach in die Adress-Liste des Browsers und bekommt per Dropdown-Menü auch gleich entsprechende Ergebnisse der eingestellten Suchmaschine angezeigt. Diese Funktion ist natürlich schon von einem anderen Browser bekannt, der immer populärer wird: Chrome von Apples Konkurrent Google.

Weiters neu ist ein Senden-Knopf links neben der Adressleiste, über den man die aktuelle URL via eMail, Message oder Twitter blitzschnell verschicken kann.

Twitter-Integration: Apples Facebook-Ersatz

Eigentlich würde Apple ja gerne enger mit Facebook zusammenarbeiten, aber seit den Streitereien rund um das nicht sehr erfolgreiche Apple-Social-Network Ping (bei iTunes) nimmt Apple Vorlieb mit Twitter. So soll der Kurznachrichten-Dienst auch tief in Mountain-Lion-Apps integriert werden. In der vorliegenden Developer Prieview merkt man das derzeit nur bei Safari, wo man eine Web-Adresse direkt aus dem Browser heraus tweeten kann.

Die Funktion bietet sich aber natürlich für eine ganze Reihe anderer Programme an und wird wohl von der Foto-Software bis zum Game in viele Apps Einzug halten. Und vielleicht freunden sich Apple und Facebook ja wieder an, und das Online-Netzwerk bekommt ebenfalls ein Plätzchen im neuen Senden-Knopf spendiert.

Gatekeeper: Kontroverse Programm-Kontrolle

Mit dem "Gatekeeper" versucht Apple, seine App-Welt näher an die restriktive iOS-Welt heranzuführen. Nutzer können sich dafür entscheiden, dass nur mehr Programme aus dem von Apple kontrollierten Mac App Store auf dem Rechner installiert werden können oder der Entwickler des Programms eine von Apple zertifizierte "Developer ID" haben muss. Wer so wie bisher ohne Einschränkungen Software installieren will, der setzt das Häkchen in den Sicherheitseinstellungen auf die - noch schlecht übersetzte - Option "Überall".

AirPlay Mirroring: Streamen auf den Flat-TV

Eine der interessantesten Neuerungen von Mountain Lion ist in der vorliegenden Developer-Version leider noch nicht einsatzbereit: AirPlay Mirroring. Damit soll man den Bildschirminhalt via WLAN und AppleTV-Box auf einen Flat-TV spiegeln können. Das kann für Foto-Show und Urlaubsvideos, aber natürlich auch für Film-Downloads sehr nützlich sein. Unklar ist aber, wie dabei etwa der Sound übertragen wird - ein Test war noch nicht möglich.

Außerdem wird es interessant, ob Apple Mac-Programmen wie Spotify, Simfy uvm. die gleichen AirPlay-Funktionalitäten erlaubt, wie sie iTunes bereits hat. Dann wäre auch möglich, Musik auf eine AirPort Express und damit auf eine Stereoanlage zu schicken, ohne den Umweg über die iOS-Apps nehmen zu müssen.

Game Center: Zentrale für Zocker

Ebenfalls noch nicht einsatzbereit dürfte das Game Center am Mac sein, das von iOS übernommen wurde. Obwohl der Login mittels Apple-ID im Test bereits klappte, wurden keine Spielstände aus iOS-Games oder Kontakte importiert. Generell soll die Software dazu dienen, mit Freunden und Unbekannten gemeinsam Online-Spiele zu zocken - egal, welches Apple-Gerät der/die Mitspieler dazu in die Hand nimmt. Jetzt liegt es primär an den Entwicklern, entsprechende Spiele in die Stores zu bringen.

Fazit

Apples Mountain Lion ist ganz klar als evolutionärer Schritt des Mac-Betriebssystems zu sehen, der keine dramatischen Änderungen - weder im Design noch in den Funktionen - auf die Bildschirme der Nutzer bringt. Noch ist abzuwarten, wie neue Funktionen wie "AirPlay Mirroring" oder das "Game Center" umgesetzt sind. Von der Radikalität, mit der Microsoft mit Windows 8 vorprescht, ist bei Apple nichts zu bemerken.

Prinzipiell ist zu beachten, dass Mountain Lion nicht auf jedem Mac läuft. Ein Cnet-Artikel klärt etwa darüber auf, welche Voraussetzungen die Hardware hat, um Mac OS X 10.8 ausführen zu können.

Der Preis von Mountain Lion wird wohl moderat ausfallen und wie bei Lion oder Snow Leopard bei etwa 30 Euro liegen. Die neuen Apps sind großteils verzichtbar, nur wer auch iPhone und iPad intensiv nutzt, wird von der Synchronisation von Inhalten profitieren. Insofern ist das Update nur für Nutzer kein unbedingtes Muss - aber noch bleibt natürlich abzuwarten, wie die finale Version von Mac OS X 10.8 aussieht.

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Jakob Steinschaden

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