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ÖSTERREICH

"Orientierungsphase" bei E-Books

E-Book-Angebote sind auf der Messe Buch Wien, die noch bis Sonntag am Wiener Messegelände stattfindet, nicht leicht zu finden. Erst am rechten hinteren Ende der Ausstellungsfläche stoßen Besucher auf eine kleine Ansammlung von Ständen, wo über Download-Möglichkeiten und Lesegeräte informiert wird - die "E-Media-Lounge", wie es im Jargon der Veranstalter heißt.

Dort präsentieren Sony, Morawa, Buchmedia und ein Apple-Händler einschlägige Geräte. Zu sehen sind zwei Sony-Reader, auch ein iPad wird zum Probieren herumgereicht. Das Interesse ist verhalten und damit bezeichnend für den Markt für E-Books in Österreich. Anders als in den USA, wo für E-Books heuer im Bereich der Belletristik bereits bis zu zehn Prozent Marktanteil prognostiziert werden, ist der Verkauf elektronischer Bücher hierzulande kaum mehr als eine Fußnote.

"Verkaufszahlen gibt es nicht"

"Aussagekräftige Ergebnisse über Verkaufszahlen von elektronischen Lesegeräten im österreichischen Markt gibt es derzeit nicht", heißt es in einer Aussendung des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels (HVB) von vergangener Woche: "Dasselbe gilt für die getätigten E-Book-Downloads." In Deutschland sieht es nicht besser aus. Der Marktanteil der elektronischen Titel wird auf höchstens ein Prozent geschätzt.

Die Gründe dafür liegen nach Meinung von Marktbeobachtern an der geringen Anzahl verfügbarer Titel. Während das Angebot an Lesegeräten (Tablets und E-Ink-Reader) durchaus attraktiv ist, lassen deutschsprachige E-Books auf sich warten.

Schmales E-Book-Angebot

Im deutschsprachigen Raum betrage das Verhältnis der E-Books zu gedruckten Titeln gerade einmal 1:10, sagte Hans Huck, Sprecher des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren im Börsenverein des deutschen Buchhandels, bei einer Diskussion zum Thema E-Books am Donnerstagabend auf der Buch Wien.

In Vergleich zu den USA, wo mehr als eine Million E-Books auf den Download warten, seien lediglich 30.000 bis 35.000 deutschsprachige Titel elektronisch verfügbar. Laut Umfragen unter Verlegern erscheine derzeit nur ein Drittel aller Neuerscheinungen auch als E-Book, so Huck: "Das führt nicht unbedingt dazu, dass der Markt getrieben wird."

"Überlegen, wo wir hinwollen"

"Wir müssen uns überlegen, wo wir hinwollen", meinte Benedikt Föger, Vorsitzender des Österreichischen Verlegerverbandes und Geschäftsführer des Wiener Czernin Verlags. "In Österreich betragen die Auflagen üblicheweise nicht mehr als 2000 Stück", sagte Föger. Gehe man von einem E-Book-Verkaufsanteil von einem Prozent aus, seien dies gerade einmal 20 E-Books, der Markt existiere noch nicht, so der Verleger: "E-Books rechnen sich erst in fünf oder zehn Jahren."

Erfahrungen internationaler Verlage würden auch zeigen, dass elektronische Bücher nicht in allen Bereichen angenommen werden. Als Beispiel nannte er eine üppig aufgemachte, mit Audio- und Videomaterial versehene Biographie eines Countrymusikers aus dem US-Verlag Ingram, von der als E-Book gerade einmal 18 Kopien verkauft wurden, während die Printausgabe Verkaufszahlen von 35.000 Stück erreichte. "Wir müssen uns klar werden, für welche Bereiche E-Books sinnvoll sind", so der Verleger: "Wir sind in der Orientierungsphase."

Fachverlage "deutlich weiter"

Ein Bereich, in dem E-Books auch im deutschsprachigen Raum schon jetzt markante Markanteile erreichen, ist der Wissenschaftsbereich. Einzelne Verlage würden bereits 17 Prozent ihres Umsatzes mit E-Books machen, rechnete Huck vor: "Das Fachverlagswesen ist deutlich weiter als andere Verlagsbereiche."

Im wissenschaftlichen Bereich sei der Arbeitsstil zu 100 Prozent digital, sagte Michael Huter, der Sprecher für wissenschaftliche Fachverlage im HVB und Betreiber des auf Lehrbücher spezialisierten Verlags Huter & Roth. "Wissenschaftliche Zeitschriften waren die ersten Publikationsformen, die digital erschienen sind", sagte Huter. Heute erscheine bereits ein Drittel der Publikationen ausschließlich im Netz. Der Bereich habe sich dynamisiert und beschleunigt.

Die Forschungscommunities im Netz seien in vielen Bereichen auch nicht mehr auf die Vermittlung durch die Verlage angewiesen. "Sie haben eigene Archive und eigene Publikationsorgane", erzählte Huter. Der Trend gehe außerdem zu digitalem und mobilem Lernen und zu multimedialen Inhalten auf Lernplattformen, so Huter. Mit E-Books, wie wir sie kennen, habe das nichts zu tun: "Die gelten in der Wissenschaft als Boulevard."

Rolle der Verlage

Der Wiener Anwalt und Urheberrechtsexperte Alfred Noll warf die Frage auf, ob das E-Book-Geschäft überhaupt Sache der Verlage sei. Im Verlagsrecht sei lediglich von der Vervielfältigung und der Verbreitung von Werken die Rede, argumentierte Noll. Bei E-Books sei beides nicht der Fall, es werde lediglich die Zugänglichkeit gewährt: "Warum stellt man die Rechte nicht Dienstleistungsfirmen zur Verfügung, die sich darum kümmern?"

Die Herstellung und Entwicklung von Inhalten sei die eigentliche Kernleistung der Verlage konterten Huter und Föger: "Das Manuskript, das eingereicht wird, ist weit vom Produkt entfernt, das die Leser zu Gesicht bekommen." Auch die Leser bräuchten Verlage als Marke zur Orientierung. Sie stünden mit ihren Programmen für Qualität und Haltung. "Das wird bei E-Books Bestand haben", zeigte sich Föger überzeugt.

Veränderungen kommen aber auch auf Buchhändler zu. Sie müssten ebenfalls E-Books anbieten, um Kunden nicht zu verlieren, meinte Huck. Der Einstieg kleinerer Buchhändler sei gerade jetzt wichtig. Es sei zwar absehbar, dass auch hierzulande die großen Player, wie etwa Amazon, dominieren werden. "Die Frage ist, ob wir ihnen 70 oder 90 Prozent des Marktes lassen."

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(Patrick Dax)

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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