Pearl Billig-3D-Drucker im Test: Verblüffend gut
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2013 war ohne Zweifel das Jahr, in dem 3D-Druck auch für den Massenmarkt interessant wurde. War diese Technologie zuvor Unternehmen vorbehalten, die es meist zur Herstellung von Prototypen nutzen, kann sich nun theoretisch jeder ein 3D-Drucker zu einem erschwinglichen Preis kaufen und in sein Wohnzimmer stellen. Theoretisch. Denn auch wenn der Preis stark gesunken ist, die Bedienung der meisten 3D-Drucker ist nach wie vor mühsam und erfordert Fachwissen. Und auch der Versuch, die Bedienung zu stark zu simplifizieren, kann in einem Chaos enden,
Pearl ist offenbar nicht sonderlich darum bemüht, zu verstecken, woher der EX1 tatsächlich stammt. Die englischsprachige Software wurde ohne Veränderungen vom Hersteller übernommen und trägt den Namen "Myriwell". Eine kurze Google-Suche nach diesem Namen offenbart, dass das chinesische Unternehmen Riwell den 3D-Drucker in China produziert und dort auch als Myriwell (es sollte wohl MyRiwell heißen) vertreibt. Das Modell kostet direkt vom Hersteller derzeit 5688 chinesische Yuan, das entspricht rund 680 Euro. Mit Zoll und Versandkosten würde der Preis wohl auf ein ähnliches Niveau wie beim Freesculpt EX1 steigen. Der Myriwell war jedoch zeitweise bereits für 3400 Yuan zu haben (knapp 410 Euro), der Hersteller hat den Preis aber vor einigen Monaten erhöht.
Nicht laut, aber störend
Die Maße sind vergleichbar mit denen eines (großen) Multifunktions-Laserdruckers und machen den Betrieb auf dem Schreibtisch ohnedies schwierig. Der EX1 nimmt eine Grundfläche von 59 mal 53 Zentimetern ein und ist 48 Zentimeter hoch. Das ist knapp doppelt so groß wie der Cubify Cube, der Objekte zumindest mit einer vergleichbaren Grundfläche (14 mal 14 gegenüber 14,5 mal 15 Zentimetern) ausdrucken kann. Lediglich in der Höhe kann der EX1 mit 22,5 Zentimetern den Cube (14 Zentimeter) bei weitem übertrumpfen. Wirft man einen Blick auf das verfügbare Volumen, wird der Unterschied deutlicher: 4,9 Liter beim EX1 gegenüber 2,74 Liter beim Cube geben deutlich mehr Spielraum beim Ausdrucken von Objekten.
Das Material wird als Spule auf der Rückseite befestigt. Dort wird erst sichtbar, dass die Konstruktion des EX1 eher "buckelig" ausgeführt ist, da das Bedienpanel etwas nach hinten über dem eigentlichen Gehäuse herausragt, um auf der gleichen Höhe wie die Spule zu sein. Das Abnehmen ist denkbar einfach, da die Spule lediglich mit einer Rändelschraube befestigt wird. Das Einführen des Materials gestaltete sich hingegen schwieriger, da das Filament blind durch den Schlauch gepresst werden muss. Da das Filament üblicherweise auf der Spule aufgewickelt ist, ist auch die Spitze entsprechend gebogen und bleibt dadurch recht leicht hängen.
Verrutschende Klammern
Einziger Unsicherheitsfaktor sind die Klammern, mit denen die abnehmbare Druckplatte auf der beheizten Grundplatte befestigt wird. Diese mit Löchern versehene Platte verrutscht recht leicht, muss aber für die Kalibrierung befestigt werden, da ansonsten nicht der richtige Abstand zur Düse festgelegt werden kann. Der Abstand zwischen Düse und Platte soll laut Handbuch 0,2 Millimeter betragen (immerhin, eine bessere Angabe als "ein Blatt Papier" beim Cube). Im Test erwies sich diese Angabe aber dann als doch etwas zu knapp gewählt. Ein Zehntel Millimeter mehr und es gab keinerlei Probleme.
Pearl liefert die Treiber für den EX1 auf einer DVD mit. Auf dieser findet sich bei der knapp 100 Euro teureren EX1-Plus-Version des 3D-Druckers auch die 3D-Modellierungssoftware TriModo 3D, deren Wert Pearl mit 298 Euro beziffert. Der deutsche Software-Entwickler BeeAlize verkauft die Lizenzen für dieses Programm auch zu diesem Preis, die Funktionalität ist aber
PC muss dran bleiben
Skeinforge ist ein überaus mächtiges Software-Tool, aber unglücklicherweise auch ebenso schwer zu konfigurieren. Die Vielzahl an Optionen werden zwar in einem Wiki umfangreich erläutert, erfordern aber des öfteren Fachwissen und dürften für viele Laien nur schwer durchschaubar sein. Im Test gab es jedoch, mit Ausnahme des Hinzufügens einer Stützstruktur, nie einen Grund, etwas an den Einstellungen zu verändern. Die erstellten gcode-Dateien können auf die mitgelieferte SD-Karte exportiert oder direkt per USB an den Drucker übertragen werden. Das verbundene Gerät muss allerdings über den gesamten Druckvorgang hinweg eingeschaltet bleiben.
Aufpassen sollte man bei der Benennung der gcode-Dateien. Zu lange Dateinamen sorgten im Test unter anderem dafür, dass die SD-Karte nicht mehr erkannt wurde. Zudem sollten Sonderzeichen vermieden werden. Das Menü für die Auswahl von Dateien auf der SD-Karte produzierte außerdem nach jedem Neustart einen Lesefehler. Das ist zwar etwas lästig, ließ sich aber durch das Entfernen und erneute Einsetzen der SD-Karte beheben.
Die Druckergebnisse waren überraschend gut, vor allem bei großen Objekten zeigte der Freesculpt seine Stärken und druckte recht glatte, einheitliche Flächen ohne Fehler. Die Oberfläche ist, ob der Präzision von maximal 0,2 Millimetern, stets recht rau und erfordert meist Nachbearbeitung. Vor allem an den Kanten waren Modelle oft stark ausgefranst, wobei das im Zusammenhang mit der Druckgeschwindigkeit zu stehen scheint und sich wohl mit etwas Feinjustierung beheben ließe. Auffällig wurde das vor allem beim Drucken eines Test-Modells, auf dem viele Zylinder mit kleinen Durchmessern (von einem bis 7,5 Millimeter Durchmesser) platziert waren. Diese waren jedoch stark ausgefranst und zeitweise versetzt. Wer plant, kleinere Objekte mit hoher Präzision auszudrucken, sollte also die voreingestellte Druckgeschwindigkeit herabsetzen.
Diese ist aber ohnehin nicht wirklich hoch, laut Handbuch liegt sie bei knapp 24 Kubikzentimetern pro Stunde, was sich in etwa mit den gemessenen Werten im Test deckt. So benötigte ein Modell der Tardis mit einer Grundfläche von drei mal drei Zentimetern sowie einer Höhe von knapp fünf Zentimetern (innen nur wabenförmig ausgefüllt) rund 97 Minuten. Ein ausgedruckter Portal Cube wies hingegen kaum Unterschiede zu einem auf der deutlich kostspieligeren Stratasys Mojo ausgedruckten Modell auf. Die Oberfläche lässt sich theoretisch in einem Aceton-Dampfbad glätten, allerdings sollte man hier Vorsicht walten lassen.
Da der EX1 lediglich über einen Extruder verfügt, muss Stützmaterial mit der selben Düse und somit auch dem gleichen Material mitgedruckt werden. Die Stützstrukturen erwiesen sich des öfteren als recht schwer entfernbar, vor allem bei filigranen Modellen, die durch zu viel Kraftaufwand beschädigt werden können. Skeinforge erlaubt in den Unmengen der Einstellmöglichkeiten aber auch das präzise Anpassen der Stützstruktur, sodass mit ein wenig Übung auch hier Probleme überwunden werden können. Die Druckqualität ist somit meist vom persönlichen Geschick beim Einstellen abhängig und erfordert Übung.
Der Freesculpt EX1 beweist recht gut, dass ein merkwürdig aussehendes Produkt aus China nicht unbedingt schlechte Performance abliefern muss. Im Gegenteil, mit den richtigen Einstellungen sind die Ergebnisse sogar hervorragend. Dafür muss man jedoch auch hinnehmen, dass man sich etwas tiefer mit der Materie beschäftigen muss. Im Gegensatz zu einigen anderen 3D-Druckern für den Consumer-Markt bietet der EX1 zudem auch ausreichend Freiheiten, um Probleme und mögliche Schwierigkeiten selbst lösen zu können. Das mag das Bastlerherz erfreuen, für Einsteiger bietet das allerdings ebenso viel Frustpotenzial.
Modell:
Freesculpt EX1
Maße:
59 x 53 x 48 cm, 11 Kilogramm
Maximale Größe des Objekts:
22,5 x 14,5 x 15 cm
Verwendbares Material:
PLA, ABS
Druckauflösung:
0,2 Millimeter
Unterstützte Betriebssysteme:
Microsoft Windows (ab XP),
Mac OS X
Lieferumfang:
1 kg ABS-Filament, Spachtel, Pinzette, Linolmesser-Set
Preis:
ab 799 Euro (im Kit mit 3D-Scan-Software um 1.099 Euro)
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