Immer und überall spielen lautet der Vorsatz
Immer und überall spielen lautet der Vorsatz
© Benjamn Sterbenz

Analyse

Sonys PlayStation 4 muss um Relevanz bangen

Sechseinhalb Jahre sind in der schnelllebigen Elektronikbranche eine Ewigkeit. In der knapp 30 Jahre jungen Videospiel-Industrie stehen sie sogar für eine gesamte Ära. Als Ende 2005 Microsofts Xbox360 und einige Monate später Sonys PlayStation 3 erschien, bedeutete dies einen großen Sprung für Konsolen: Hochauflösende Grafik, die wunderbar mit den neuen Flat-TVs harmonierte sowie Internet-Anbindung, um mit Freunden zu spielen und Spiele im Netz zu kaufen.

2013 geht nun die nachfolgende Generation ins Rennen – und sieht sich einem Markt gegenüber, der sich komplett gedreht hat. Regeln und Strategien, die noch 2006 galten, treffen nicht mehr zu. „Das Zentrum der Unterhaltung ist nicht mehr das Wohnzimmer, sondern der Spieler und dessen Alltag", gestand PlayStation-Chef Andrew House im Zuge der Vorstellung der PS4 ein.

Der neue Erzrivale Smartphone
Die neue PlayStation 4, Nintendos Wii U und auch die kommende neue Xbox sind längst nicht mehr die dominanten, unangefochtenen Gaming-Plattformen. Die mobile Revolution, angeführt von Apple, hat den Markt auf den Kopf gestellt. Nun sind Smartphones und Tablets jene Geräte auf denen vorrangig gespielt wird. Das konnte auch Sony während der Präsentation der PlayStation 4 nicht leugnen. Mehrmals wurde unterstrichen, dass das PlayStation-Erlebnis sich auch auf Handys und Tablets erstrecken wird. Man werde sich an die Mobilität der Nutzer anpassen, hieß es. Zudem sollen Spiele künftig genauso schnell starten, wie man das vom Handy gewohnt ist.

Die harte Realität
Unter den Top 10 bei den kostenlosen, vor allem aber bei den Bezahl-Apps, finden sich in Apples App-Store auch 2012 wieder vorwiegend Spiele. Gibt ein Konsument bei Apple Geld für eines der 800.000 Programme aus, passiert dies meistens für ein Spiel. Bedenkt man, dass seit dem Start des iPhones 500 Millionen Handys und Tablets mit iOS verkauft wurden, wird die wirtschaftliche Relevanz dieser Spielecke noch deutlicher. Denn alleine Apple hat mehr spielfähige Geräte im Markt als Sony (77 Millionen verkaufte PS3), Microsoft (75 Millionen Xbox360) und Nintendo (100 Millionen Wiis und 150 Millionen NDS) zusammen.

Der PC als sympathischer Underdog
Aber nicht nur der mobile Sektor setzt den Konsolen zu, auch der PC-Markt hat angespornt durch die App-Revolution ein Revival erlebt. Zum einen war da der Hype rund um Facebook-Spiele (Social Games), zum anderen konnte sich Free-2-Play durchsetzen und eine Nische für sich besetzen. Beides Modelle, die Sony auch bei der PlayStation 4 anbieten will. Der Konzern betonte, dass man Entwicklern alle Möglichkeiten und Verwertungsoptionen offen lassen will. Im Streben, alle Trends zu vereinen, erlaubt Sony bei der PS4 sehr viel Spielraum.

„Für uns als kleines Entwicklungsstudio ist der bürokratische Mehraufwand bei Konsolen auf jeden Fall ein Hindernis. Persönlich merke ich, dass in letzter Zeit immer mehr interessante Spiele nur mehr am PC laufen", sagt Felix Bohatsch von Broken Rules zur futurezone. Um relevant zu bleiben, müssen sich dem Entwickler zufolge die Konsolen deutlich ändern. Was Sony bei der PlayStation nun tatsächlich versucht.

Mit Volldampf gegen die Konkurrenz
Ein weiterer bedeutender Faktor ist schließlich Valves Steam-Plattform, die sich als erste Anlaufstelle für PC-Spiele etabliert hat. Bei diesem App-Store für PC-Spiele, der aktuell knapp 1900 Titel führt, sind 54 Millionen Nutzer registriert, wobei im Schnitt rund fünf Millionen das Service täglich nutzen.

Für Spieler hat Steam ein bequemes, einfaches Service geschaffen, um neue PC-Spiele testen und kaufen zu können. Aber auch Entwickler profitieren von dem Dienst, durch den es wieder wirtschaftlich geworden ist, für PCs – immerhin die weltweit potenziell größte Spiele-Plattform - zu entwickeln. Hinzu kommt, dass Valve, Betreiber von Steam, in diesem Jahr eine kleine, günstige Spielmaschine anbieten will, die nur zum Gamen da ist. Die SteamBox soll die Hardware-Erweiterung des populären Internet-Services werden.

Ouya, Shield, Edge und viele mehr
Damit nicht genug, haben sich für 2013 noch weitere Systeme und Lösungen angekündigt, die um Spieler und deren Geldbörse buhlen. Die Android-Konsole Ouya kommt ebenso auf den Markt wie die neuartige Virtual-Reality-Brille Occulus Rift. Das Interessante dabei: Beide Geräte wurden durch Crowdfunding im Internet finanziert und belegen somit, dass Kundschaft vorhanden ist. Des Weiteren kommt von Razer, dem Hersteller von Gamer-Mäusen und Keyboards, mit dem Edge ein Spiele-Tablet. Archos und Wikipad haben ebenfalls ähnliche Produkte angekündigt. Schließlich überlegt auch Chip- und Grafikkartenhersteller Nvidia ins Gaming-Geschäft einzusteigen. Auf der CES in Las Vegas wurde heuer mit Project Shield ein tragbares Gerät vorgestellt, das mit fantastischer Grafik hervorstechen soll.

AppleTV als Geheimwaffe
Schließlich erwarten Experten, dass der heimliche Marktführer Apple 2013 ebenfalls auf die neue PlayStation 4 und Xbox reagieren wird. Die kleine Zusatzbox AppleTV soll, so die hartnäckigen Gerüchte, zur Spiele-Plattform ausgebaut werden. Mit einem Schlag wären dann hunderttausende Spiele am Flat-TV verfügbar.

Diese Aspekte will Sony bei der PS4 berücksichtigen

Entscheidender Moment
Sony selbst ist sich dieses herausfordernden Umfelds durchaus bewusst. „Wir sind an ein einer entscheidenden Weggabelung. Es ist der Moment der Wahrheit gekommen, der über unsere Zukunft entscheidet", sagte PlayStation-Chef Andrew House während der PS4-Demonstration. So wird betont, dass die neue Konsole neben toller Grafik vor allem auf Vernetzung und Unterhaltung setzen wird. Die neue PlayStation ist eine Unterhaltungszentrale für Filme, Serien und Musik. Sony, das Film- und TV-Studios sowie Musiklabels besitzt, sieht die PlayStation als Zentrale im Wohnzimmer, die der Einstiegspunkt in die Welt des Entertainments sein soll. Im Gegensatz zu den kleinen Firmen und Newcomern spielt der Konzern hier seine Rolle als mächtiger Rechteinhaber aus. Man kann aus einem großen Topf an Inhalten schöpfen. Andere müssten dafür hohe Lizenzgebühren zahlen. Auch seitens Microsoft ist zu hören, dass die neue Xbox als Entertainment-Zentrale im Wohnzimmer zu sehen ist.

Das Bezirzen der Entwickler
Natürlich nehmen die Spiele weiterhin eine wichtige Stellung ein. Um sicher zu stellen, dass man gutes Material hat und viele Entwickler und deren Ideen für sich gewinnen kann, hat Sony bei der neuen PlayStation einen konventionellen Weg eingeschlagen. Anstatt wie bei der PlayStation 3 auf eine radikale, neuartige Technik zu setzen und damit Programmierer zu vergrämen, ist das neue Gerät einem herkömmlichen PC sehr nahe. So kann man viele verbaute Komponenten, wie etwa den AMD-Prozessor oder den Arbeitsspeicher im Handel kaufen.

Dieser Schritt hat Kalkül. Durch die Nähe zu Computern, Steam und der PC-ähnlichen Xbox macht man es Entwicklern einfacher, Spiele auch für die PlayStation zu adaptieren. „Nahe an den etablierten PC-Architekturen zu bleiben, ist sicherlich richtig. Eine eigene Chiparchitektur wie auf der PS3 zu entwickeln war ein Fehler. So wie es diesmal gemacht wird ist, es kosteneffizienter. Die Medienintegration ist ebenfalls sehr wichtig, z.B. ist Smartglass sehr spannend", sagt Harald Riegler vom Wiener Studio Sproing zur futurezone. Mehrfach unterstrich Sony im Zuge der Präsentation, dass man sich nach den Wünschen der Entwickler gerichtet hat. Man wolle ihnen Werkzeuge geben, mit denen sie ihre Kreativität voll ausfalten können. Der Entwickler stehe bei der PS4 genauso im Zentrum wie der Spieler.

Hoffen auf die Indies
Konsolen sind inzwischen wie 3D-Blockbuster-Kino. Zweistellige Millionenbeträge für die Entwicklung und nochmals so viel für Marketing können sich nur noch die wenigen Großen wie EA oder Activision leisten. Mit der nächsten Generation wird das nochmals heftiger. Konsolen sind daher für die Kunden durchaus relevant, aber für immer weniger Entwickler", sagt etwa Michael Paeck  von Cliffhanger Studios (Jagged Alliance Online, Shadow Run Online) zur futurezone. Der Studio-Chef ergänzt: „Da man die riesigen Budgets der Konsolenspiele auch wieder reinholen muss, werden Spiele immer mehr verwässert, damit sie auf jedermanns Geschmack passen."

Gerade im Entwickler-Sektor hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Junge Nachwuchs-Designer, frustrierte Industrieveteranen oder durch zahlreiche Studio-Schließungen entlassene Entwickler haben eigene Firmen gegründet und bereichern den Markt mit kleinen, feinen Titeln. Diese sind oftmals gewitzter und unterhaltsamer als die hochpolierten und kalkulierten Produkte bekannter Konzerne wie Electronic Arts, TakeTwo oder Ubisoft. Diesen Kreativ-Markt will Sony nun verstärkt anzapfen und mit Exklusiv-Deals wie etwa bei Jonathan Blows The Witness an sich binden.

Warum PlayStation 4?
Mit der neuen PlayStation kann Sony nun alles in einer Box anbieten. Blockbuster-Games sind ebenso vertreten, wie kleine Independent-Produktionen, hinzu kommt ein reichhaltiges Angebot an Filmen und Musik. Diese Strategie könnte mittelfristig jedoch einen Haken haben. Dadurch, dass die neue PlayStation der kommenden Xbox, aber auch PCs sehr ähnlich ist, fehlt ein Alleinstellungsmerkmal. Die Spiele werden ähnlicher aussehen und sich nicht so stark unterscheiden. Ein großer Qualitätssprung von der aktuellen auf die nächste Generation und ein damit verbundener Wow-Effekt bleiben ebenfalls aus. Die Fortschritte wird man nur im Detail erkennen, Besitzern von Tausende Euro teuren Spiele-PCs werden sie wohl gar nicht auffallen. Einen einzigartigen Grund, warum man sich künftig gerade für eine PlayStation entscheiden soll, bleibt Sony somit bis auf weiteres schuldig. Mit der Ankündigung, den Spieler und dessen Aktionen permanent überwachen und analysieren zu wollen, liefert Sony selbst sogar ein handfestes Argument dagegen.

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