© Christoph H. Brenei, Wiener Linien, APA

Echtzeitdaten

Wiener Linien erneuern Fahrplan-App qando

Viele Wiener nutzen sie und fast ebenso viele ärgern sich: Die Rede ist von der App qando der Wiener Linien. Diese erntete in der Vergangenheit immer wieder Kritik. So wurden die Verkehrsechtzeitdaten, etwa wann die nächste Straßenbahn um die Ecke kommt, häufig nur dann angezeigt, wenn man den "Aktualisieren"-Knopf mehrfach gedrückt hat. Am Ende kam die Straßenbahn dann häufig, bevor man die Daten dazu überhaupt abfragen konnte.

"Das System ist nicht für die rund fünf Millionen Zugriffe pro Monat, die wir im Schnitt verzeichnen, ausgelegt. Wir haben am Anfang einfach nicht mit einem derartigen Andrang gerechnet", erklärt Helmut Winhofer, Bereichsleiter Neue Medien bei den Wiener Linien, im futurezone-Gespräch. Doch dieses Ärgernis soll sich mit einem Update der App auf die Version 4.0 jetzt ändern und bessern.

Eigene Plattform für Echtzeitdaten
"Dafür war viel Hintergrundarbeit notwendig", so Winhofer. "Bisher hat jede einzelne Echtzeit-Abfrage eine Abfrage am Server des Grundleitbetriebssystems generiert. Jetzt haben wir eine Schicht dazwischen gelegt und die Echtzeitdaten werden über eine eigene Informationsplattform abgefragt. Das Grundleitbetriebssystem wird nicht mehr strapaziert", so Winhofer.

Damit sollen die Echtzeitzugriffe via App schneller werden und praktisch bei jeder Abfrage funktionieren. Das allein ist bereits ein driftiger Grund, das Update der App zu installieren, sobald es verfügbar ist. Die Echtzeitdaten werden allerdings ab Ende August auch freien App-Entwicklern zur Verfügung stehen, die in Konkurrenz zu qando treten werden.

Ab Ende Juli erhältlich
Bis dahin haben User jedoch noch ein wenig Zeit, um sich mit dem neuen qando anzufreunden. Für iOS und Android soll das qando-Update nämlich bereits Ende Juli zur Verfügung stehen, die mobile Webversion wird laut Winhofer erst in ein paar Wochen fertig sein. Die verbesserte Echtzeitdatenabfrage ist aber bei weitem nicht die einzige Änderung.

Die App hat auch ein neues Interface bekommen. Zuvor gab es bei qando im unteren Bereich Tabs, zwischen denen man hin- und herwechseln konnte. Ab Version 4.0 gibt es ein Seitenmenü ähnlich wie bei der Facebook-App, zu dem man mit einem Fingerwisch nach links gelangt. Die App wurde außerdem dem Branding der Wiener Linien angepasst und statt in Blau wird jetzt alles in Rot angezeigt.

Aktueller Standort als Ausgangspunkt
Zusätzlich wurde die App um zahlreiche neue Funktionen erweitert. Im Menüpunkt "Monitor" wird jetzt automatisch der "aktuelle Standort" als Ausgangspunkt für die Abfrage hergenommen. Neben den Öffi-Stationen in der Umgebung, sieht man auch zahlreiche Points Of Interests (POIs), die sich in der Nähe befinden. Dazu zählen unter anderem auch CarSharing-Angebote, die in grün angezeigt werden, Car2Go-Autos, die in blau angezeigt werden, CityBikes mit dem roten Fahrrad-Symbol. Auch bei diesen Daten handelt es sich um Echtzeitdaten.

"Man sieht bei Car2Go etwa auch, wenn der Tank des Autos nur zu 21 Prozent gefüllt ist und in welchem Zustand sich das Auto außen und innen befindet", erzählt Winhofer. Bei den CityBike-Stationen wird zudem angezeigt, wie viele Stellplätze frei und wie viele Räder verfügbar sind.

Alternative Mobilitätsangebote
Doch warum nimmt ein Öffi-Anbieter wie die Wiener Linien überhaupt derartige Daten in ihr System? "Das sind alles Formen von öffentlicher Mobilität. Wir verstehen weder Car2Go noch das CityBike als unsere Konkurrenten. Es ist ok, Autos zu benützen, solange man diese nicht selbst besitzt. Wenn es abends etwa zu lange dauert, bis der nächste Bus kommt und es steht ein Car2Go ums Eck, spricht nichts dagegen, das auch zu benützen. Wir wollen mit der App diese alternativen Verkehrsmittel miteinander vernetzen", sagt Winhofer.

Neben den Mobilitäts-Alternativen werden in qando 4.0 auch weitere City-Infos angezeigt, etwa, wo sich die nächste Polizeistation befindet, wo das nächste Museum liegt, der nächste Park, Krankenhäuser sowie Nachtapotheken mit ihren Dienstzeiten. Die Daten zu CarSharing, CityBike und POIs wie den Polizeistationen kommen dabei aus dem Open Data-Pool der Stadt Wien. Sie stehen allen Entwicklern frei zur Verfügung. Die Daten für die Nachtapotheken kommen vom Apothekerverband, auch mit Car2Go gibt es eine eigene Vereinbarung, da die Live-Daten hier vom Unternehmen selbst geliefert werden.

Informationen, die man nicht braucht, ausblenden
Damit man als App-Nutzer nicht von dem Informationsangebot überfordert wird, lassen sich bestimmte Informationen auch deaktivieren. Wer etwa keine Autos nutzt, kann CarSharing und Car2Go über den sogenannten Kartenfilter ausblenden. Außerdem lassen sich in der App ab sofort die Abfahrten personalisieren.

Wer etwa immer nur an einer bestimmten Linie, die in eine bestimmte Richtung fährt, interessiert ist, kann diese als Favorit abspeichern. Befindet man sich dann an einer bestimmten U-Bahn-Station, bei der etwa mehrere Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen wegfahren, bekommt man dadurch an erster Stelle auf dem Startscreen genau diese Verbindung angezeigt, die man favoritisiert hat. "Damit ist der klassische Use-Case der App besser als bisher abgedeckt, denn viele Leute fahren häufig von einer bestimmten Station in der Nähe ihrer Wohnung in eine bestimmte Richtung, wie etwa in die Arbeit oder zur Ausbildungsstätte", so Winhofer.

Haltestellenabfrage und Abfahrten
Doch auch für Gegenden, in denen man sich nicht so häufig aufhält und sich schlecht auskennt, bietet qando 4.0 Verbesserungen. Man kann sich zum Umgebungsort z.B. auch bei der Routenabfrage eine Karte einblenden lassen und sieht genau, wo und wie weit entfernt sich das nächste Verkehrsmittel befindet. Man kann bei Bedarf auch zum Satellitenmaterial wechseln.

Das Kartenmaterial im Hintergrund stammt von Basemap, die Satellitenfotos sind Orthografie-Aufnahmen von wien.gv.at. Über die sogenannte "Haltestellenabfolge" lässt sich etwa rausfinden, wo die nächste U-Bahn hinfährt und was die nächsten Stationen sind. Über den Menüpunkt "Abfahrten" lassen sich außerdem alle Abfahrten des Tages abrufen bis zum letzten Verkehrsmittel. Auch die erste Verbindung am nächsten Tag wird angezeigt.

Personalisierte Routenplanung
Im "Routen"-Bereich wurde auch die Online-Suche toleranter. "Es wird jetzt auch die Schloßstraße erkannt, wenn man sie mit ss schreibt", so Winhofer. Die Routenplanung lässt sich außerdem soweit personalisieren, als dass man einstellen kann, ob es schnell gehen soll, ob man einen kurzen Fußweg zurücklegen will, oder ob man möglichst wenig umsteigen möchte. Unter dem Menüpunkt "Optionen" lassen sich außerdem auch Dinge einstellen wie "man möchte keine Stiegen steigen", was etwa für Mütter mit Kinderwägen in Fragen kommt. Man kann sich auch barrierefreie Öffi-Wege anzeigen lassen.

Daten über Störungen sowie über kaputte Aufzüge sind mit dem Update auch detaillierter vorhanden. "Das liegt an verbesserten Leitstellungsprozessen", erklärt Winhofer. Die Daten werden außerdem jetzt dynamisch geladen und es ist kein Update der App mehr erforderlich, um aktuelle Daten einzuspielen. So wurde einem etwa bisher auch noch der alte Ticket-Preis im Bereich "Ticket" in der App angezeigt, wenn man diese nicht aktualisiert hat. "Das aktualisiert sich jetzt alles automatisch. Allerdings nur dann, wenn es wirklich neue Informationen am Server gibt. Alles andere würde die App verlangsamen", so Winhofer.

Feedbackmöglichkeit
Mit dem Update kommen auch die Menüpunkte "Hinweise & News", "Linien & Pläne", "Hilfe & Info" sowie "Feedback" hinzu. Über eine symbolisierten Sprechblase können Nutzer nun direkt ihr Feedback an die Entwicklungsabteilung der Wiener Linien senden.

"Man kann technische Probleme wie Abstürze der App melden, falsche Daten oder einfache Verbesserungsvorschläge. Optional kann man auch eine E-Mail an den Kundendienst senden oder den Wiener Linien über Facebook Mitteilungen zukommen lassen", erklärt Winhofer.

Auch im Kontext, etwa direkt im Menüpunkt "Routenplanung", wird Feedback ermöglicht. Wenn jemand eine kürzere Route weiß und diese vorschlägt, wird diese nach einer Prüfung seitens des Unternehmens auch berücksichtigt. "In der Entwicklungsabteilung werden die Vorschläge klassifiziert und wenn jemand eine Rückmeldung zu seinem Vorschlag wünscht, bekommt er diese auch. Dadurch können wir die Datenqualität kontinuierlich verbessern", sagt Winhofer.

Konkurrenz ab Ende August
Qando 4.0, bisher die einzige Wiener Fahrplan-App mit Echtzeitdaten, muss sich jedoch schon bald gegen zahlreiche Konkurrenten behaupten. Spätestens Ende August geben die Wiener Linien nämlich ihre Verkehrsdaten an Entwickler frei.

Beim Create Camp der Wiener Linien im Jänner diesen Jahres, bei dem die Fahrplanfreigabe der Echtzeitdaten getestet wurde, gab es bereits 14 Projektideen von freien Entwicklern rund um die Fahrplandaten und Störungsinformationen der Wiener Linien. "Diese Konkurrenz sehen wir gelassen. Für uns ist es wichtig, dass wir ein gutes Service für unsere Fahrgäste bieten und ich denke, das ist uns mit qando 4.0 gut gelungen", meint Winhofer.

Erster Eindruck
Der erste Eindruck von qando 4.0 bestätigt dies. Es gibt viele Funktionen, die sich im Alltag als sehr nützlich erweisen können - sowohl bei Routinefahrten, als auch bei Einmal-Erlebnissen in Wien. Allerdings wird der Umstieg von der alten qando-App für viele User sicherlich nicht ganz einfach werden, da sich die Menüführung komplett ändert und es mit den POIs und den dazugehörigen Einstellungsmöglichkeiten viele neue Optionen auftun. Auch wie sich das neue System der Echtzeitdatenabfrage dann in der Praxis verhalten wird, wenn auch zahlreiche andere Apps darauf zugreifen können, wird sich erst weisen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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