Bei der Erkennung der komplizierten Gesten, wie dem Zoomen oder den Mausklicks, kam es im Test gelegentlich zu Schwierigkeiten.
Bei der Erkennung der komplizierten Gesten, wie dem Zoomen oder den Mausklicks, kam es im Test gelegentlich zu Schwierigkeiten.
© Gregor Gruber

Test

Wiener Software bringt Gestensteuerung auf PCs

Washington, 2054. Der junge Polizist John Anderton, gespielt von Tom Cruise, sucht auf einem großen Bildschirm nach Hinweisen für seinen nächsten Fall. Mit blau leuchtenden Handschuhen schiebt er Inhalte auf seinem virtuellen Desktop herum, vergrößert Bilder und spult ein Video vor und zurück. Das ist wohl eine der bekanntesten Szenen aus dem bereits zehn Jahre alten Science-Fiction-Thriller Minority Report.

Nur die wenigsten dürften geglaubt haben, dass diese Technologie schon im Jahr 2012, mehr als vierzig Jahre vor Spielbergs Film, Wirklichkeit werden würde. Dass die Software dazu aus Österreich stammt, lässt das Ganze nur noch ein wenig mehr wie Science Fiction erscheinen. Die futurezone hat die Universal Remote, eine Steuerungssoftware für die Kinect, einem Test unterzogen und überprüft, ob sie bereits an die Vision aus Minority Report heranreicht.

Die Universal Remote wurde von den beiden Wiener Programmierern Alexander Pfeiffer und Alexander Seewald entwickelt. Ursprünglich für einfache Gesten konzipiert, hat sich das Programm schnell zu einer umfangreichen Bedienungslösung mit frei belegbaren Gesten entwickelt. Mittlerweile sind drei Versionen verfügbar - Basic, Standard und Profi. Während die Basic-Version lediglich die Bedienung der Pfeiltasten durch Wischgesten ermöglicht, bietet die Standard-Version bereits alle vordefinierten Gesten, wie zum Beispiel das Vergrößern oder Verkleinern durch Ziehen oder das Klicken mit den Händen. Die Profi-Version ermöglicht darüber hinaus das freie Definieren eigener Gesten.

Funktional, aber unübersichtlich
So schnell und einfach die Installation der nur wenige Megabyte großen Datei von statten geht, umso umständlicher erweist sich die Einrichtung. Ein vierseitiges Handbuch sowie eine grafische Erklärung der Gesten sind die gesamte Dokumentation, mehr bekommt der Käufer nicht. In vielerlei Hinsicht sind durchschnittliche Nutzer am besten damit beraten, die Einstellungen beizubehalten und nur Änderungen an der Höheneinstellung der Kinect vorzunehmen. So sollte die Software bei den meisten Nutzern bereits ohne große Veränderungen funktionieren.

Ist das einmal nicht der Fall, müssen einige Feineinstellungen vorgenommen werden. So kann neben der Reaktionszeit für eine Bewegung auch der notwendige Abstand der Handflächen zum Körper sowie der "Zoomfaktor" eingestellt werden. Für die Bedienung aus kurzen Abständen (weniger als 1,5 Meter) muss der sogenannte Near-Mode aktiviert werden, der mit der Kinect for Windows eingeführt wurde. Dabei müssen lediglich der Oberkörper und die Arme sichtbar sein. Gerade dieser Modus hat allerdings im Test die meisten Schwierigkeiten verursacht.

Winken, Wischen und Halten
Die Kinect kann eine Tiefe von knapp sechs Metern messen, alles außerhalb dieses Feldes ist für die Sensoren nicht mehr wahrnehmbar. Daher darf der Benutzer auch maximal sechs Meter von Kinect entfernt stehen, dabei sollte aber der gesamte Körper stets sichtbar sein. Für nähere Aufnahmen gibt es bei Kinect for Windows den Near Mode. Hat man sich einmal an einer guten Position eingefunden, kann mit Hilfe des Preview-Modus die Erkennung der Gesten überprüft werden.

So mühsam die Gesten zu Anfang noch sind, umso einfacher und natürlicher werden sie mit der Zeit. So ist ein kurzes Wischen in die entsprechende Richtung gleichbedeutend mit einer Pfeiltaste und somit ideal für die Steuerung von Präsentationen geeignet. Powerpoint und Prezi werden von der Software sogar nativ unterstützt. Dafür muss die Präsentation allerdings bereits vor dem Starten der Universal Remote im Vollbildmodus laufen. Das ist auch eines der größten Probleme der Software, denn zur Steuerung eines Programms muss sie zuvor aus einer Liste ausgewählt werden. Diese wird zum Start der Software erstellt und danach nicht mehr aktualisiert. So muss stets die zu steuernde Anwendung vor dem Starten von Universal Remote laufen.

Auch die Auswahl der richtigen Anwendung aus der oft sehr langen Liste erweist sich oft als lästig, da viele mehrmals darin aufgelistet sind und diese dann nacheinander durchprobiert werden müssen. Die Befehle werden als Tastatureingaben übergeben und können in der Profi-Version frei belegt werden. Dadurch ist theoretisch auch jede beliebige App steuerbar, in der Praxis erwies sich das aber besonders bei einfachen Aufgaben hilfreich. So imitiert das Hochhalten der rechten Hand sowie eine Vorwärtsbewegung der linken Hand einen Linksklick mit der Maus. Eine Cursorsteuerung ist allerdings nicht möglich. Durch das Auseinanderziehen der beiden Hände, ähnlich wie bei Smartphones, kann gezoomt werden - hier wird einfach das Mausrad simuliert.

Kein Spielzeug
Wer nun bereits von Virtual Reality träumt, der wird relativ schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Gesten werden nur mit einer Verzögerung von knapp einer Sekunde übernommen und sind damit nicht unbedingt für Spiele geeignet. Das ist auch zu Anfang ein wenig irritierend, da der Nutzer kein unmittelbares Feedback bis zur Ausführung des Befehls erhält.

Die Basic-Version ist mit zehn Euro (exklusive Mehrwertsteuer) noch relativ günstig und für Powerpoint-Präsentationen vollkommen ausreichend. Wünscht man etwas mehr Funktionalität, wird es deutlich teurer. So kostet die Standardversion bereits 49 Euro, die Profi-Version sogar 99 Euro. Rechnet man hier noch die Kosten für ein Kinect for Windows mit ein, so kommt man schnell auf knapp 300 Euro für eine relativ einfache BewegungssteuerungKinect für die Xbox 360 kostet mit knapp 100 Euro zwar lediglich die Hälfte, hat allerdings keinen Near-Mode und ist somit kein ausreichender Ersatz für das aktuelle Windows-Modell. Allerdings lässt sich die Xbox-Variante dennoch mit der Software verwenden, dann muss allerdings ein größerer Abstand zur Kamera gehalten werden.

Fazit
Kinect hat bereits bei ihrer Veröffentlichung ordentlich Staub aufgewirbelt und eine zuvor unerschwingliche Technologie massentauglich gemacht. Doch trotz der Euphorie der zahlreichen Softwareentwickler und Bastler stößt man nur allzu oft auf Grenzen im Alltag. Diese zeigen sich leider auch bei der Universal Remote, die eine hervorragende Erweiterung für Präsentationen darstellt, sonst aber nur schwer Anwendung finden wird. Erst mit Lösungen wie der Leap könnte die Bewegungssteuerung auch Einzug in die alltägliche Bedienung von PCs finden. Dort bieten sich bereits jetzt breite Anwendungsfelder in der Medizin oder dem CAD-Bereich. Wer aber dennoch bereits jetzt einen Blick in die Zukunft wagen möchte, kann sich an die Universal Remote wagen. Für 10 Euro bekommt man außerdem eine der günstigsten Präsentationsfernbedienungen, die derzeit auf dem Markt erhältlich sind.

Alternativen
Bislang wurden mehr als 18 Millionen Stück der Kinect abgesetzt. Damit ist sie die mit Abstand erfolgreichste Bewegungssteuerung. Das liegt allerdings auch am Mangel an Alternativen, zuvor gab es lediglich relativ teure Geräte, die für die Verwendung in der Industrie ausgelegt sind.

Mit der Leap könnte aber ab März 2013 eine günstige und extrem genaue Alternative kommen. Das Gerät soll bis zu 200 Mal genauer sein als die Kinect und somit Bewegungen auf den Hundertstel Millimeter genau analysieren können. Der kleine Kasten wird lediglich vor den Bildschirm gelegt und schon werden Handbewegungen und Gesten erkannt. Doch während Kinect eine Reichweite von bis zu sechs Metern bietet, dürfte die Leap auf eine deutlich kürzere Distanz beschränkt sein. Somit muss man sich tatsächlich unmittelbar vor dem Gerät befinden, um eine Geste auszuführen.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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