Das Ladenetzwerk YouCharge will Anbieter und Nutzer von privaten Ladestellen auf öffentlichem Grund verbinden
Das Ladenetzwerk YouCharge will Anbieter und Nutzer von privaten Ladestellen auf öffentlichem Grund verbinden
© Enio GmbH

Elektromobilität

YouCharge ermöglicht Stromtanken vor Nachbars Garten

YouCharge soll es Besitzern einer eigenen Stromtankstelle ermöglichen, auch andere Elektromobilisten von der Lademöglichkeit profitieren zu lassen - und zwar vor dem eigenen Grundstück im öffentlichen Raum. In Baden wurde nun die erste derartige Installation eröffnet. Elektroautobesitzer können sie mittels App oder mobiler Webseite nutzen. Eine Anmeldung bei YouCharge ist dabei nicht unbedingt notwendig.

Vorteile für Alle

Betreiber der ersten privaten Stromtankstelle auf öffentlichem Grund in Österreich ist Fritz Vogel. Er ist einer der beiden Geschäftsführer des Wiener Unternehmens Enio, das YouCharge ins Leben gerufen hat. "Wir hoffen dadurch einen Präzedenzfall geschaffen zu haben", meint Franz Schodl, der zweite Enio-Geschäftsführer, bei der Eröffnung der Stromtankstelle. YouCharge soll allen Beteiligten Vorteile bringen: Betreiber von Ladepunkten sollen damit Geld verdienen, Elektromobil-Nutzer soll mehr Lademöglichkeiten vorfinden und sich eventuell die Installation einer eigenen Anlage ersparen, die Gemeinde wiederum soll sich Errichtungskosten aus eigenen Mitteln ersparen.

"Bis Ende 2020 möchten wir den Elektromobilitätsanteil am PKW-Gesamtfahrzeugbestand auf fünf Prozent erhöhen", meint die niederösterreichische Wirtschafts- und Technologielandesrätin Petra Bohuslav zur Unterstützung des Projekts YouCharge. "Als Stadt mit besonderer Verantwortung für die Klimaziele freut es mich, dass für YouCharge der Grundstein in Baden gelegt wird", ergänzt Bürgermeister Stefan Szirucsek.

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Stolperfreies Laden

Die Ladestelle in Baden bietet eine Ladeleistung von 11 Kilowatt für Elektrofahrzeuge mit Typ-2-Ladebuchse. Äußerlich erscheint die Ladesäule sehr schlank. Ein etwa drei Meter langes Ladekabel lässt sich daraus hervorziehen. Ein integrierter Mechanismus rollt das Kabel selbstständig wieder auf, wenn der Stecker vom Elektroauto abgezogen und fallen gelassen wurde. So soll verhindert werden, dass Fußgänger am Gehsteig über das Kabel stolpern.

An der Ladesäule selbst ist kein Display vorhanden, lediglich ein Kontaktpunkt für Ladekarten, sowie ein QR-Code für spontane Nutzer. Die YouCharge-Ladestelle kann mit den Karten von Enio, aber in Zukunft auch mit den Zugangskarten anderer Stromlieferanten genutzt werden, die Teil des Hubject-Netzwerks sind. Unter anderem hätten damit künftig auch die Nutzer des gerade erst vor wenigen Wochen vorgestellten ÖHUB Zugang. Strombedürftige ohne Netz-Mitgliedschaft können mit ihrem Smartphone den QR-Code scannen, werden daraufhin auf einen Webshop weitergeleitet und bezahlen dort die gewählte Stromliefermenge mit Kreditkarte.

Kosten

Den Tarif für die Stromtankstelle setzt der private Betreiber selbst fest. Er kann nach gelieferten Kilowattstunden oder nach Aufenthaltszeit an der Ladesäule abrechnen. Auch eine Kombination ist möglich, um Nutzer dazu zu bewegen, ihr Elektrofahrzeug nach erfolgreichem Aufladen möglichst schnell von der Säule zu entfernen. Ebenfalls möglich sind Sondertarife, etwa für Anrainer oder Mitbetreiber. Die gelieferte Strommenge wird durch den hauseigenen Stromzähler gemessen. Die Abrechnung übernimmt Enio.

Die Kosten für die Errichtung der Anlage übernimmt der Betreiber. Die Ladesäule ist für 2990 Euro erhältlich, erklärt Co-Geschäftsführer Fritz Vogel bei der Präsentation. Inklusive notwendiger Bauarbeiten komme man auf rund 3500 Euro. An der Ladesäule in Baden werden Nutzern künftig etwa drei Euro pro Stunde Aufenthaltszeit verrechnet. Der Parkplatz vor der Ladesäule ist derzeit noch nicht für Elektromobil-Fahrer reserviert. Die Möglichkeit der Parkplatzreservierung für Elektrofahrzeuge werde aber bald kommen, meint Franz Schodl.

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Standortfrage

In erster Linie soll YouCharge Hausbesitzer ansprechen, die selbst elektromobil sind und die Fortbewegungsart attraktiver für weitere Interessierte machen wollen. Neben Mehrfamilienhäusern könnten YouCharge-Ladepunkte aber ebenfalls errichtet werden, meint Schodl. Hier sei der Hauseigentümer für die Errichtung verantwortlich. Während Enio in Baden rasch eine Genehmigung für die YouCharge-Ladestelle erhielt, seien die bürokratischen Hürden an anderen Orten ein wenig komplexer. In Wien sei man etwa schon seit einiger Zeit in Verhandlungen um eine Ladestation im 16. Wiener Gemeindebezirk. Der Bezirksvorsteher zeigt sich aufgeschlossen, hat allerdings nicht die alleinige Entscheidungsbefugnis.

"Wir sind jedenfalls hochmotiviert und hoffen, dass YouCharge um sich greifen wird", sagt Schodl. Mit der Bemühung um bessere Ladeinfrastruktur will er der Reichweitenangst entgegenwirken, die seiner Meinung nach den medialen Diskurs zum Thema Elektromobilität zu stark prägt. In Zukunft sollen die YouCharge-Stationen auch für eine größere Nutzerschaft zugänglich werden. Denkbar ist etwa die Integration von Schuko-Steckern, um Fahrer von Elektromotorrädern anzusprechen. Unter bestimmten Voraussetzungen könne die Ladeleistung auch 22 kW erreichen. Schnellladestationen mit noch höheren Ladeleistungen will Enio derzeit nicht errichten.

Sharing-Prinzip

Dass Privatpersonen ihre eigenen Ladestationen anderen Elektroautofahrern anbieten, ist international nichts Neues. Im Netzwerk PlugShare bieten etwa auch Privatpersonen eigene Ladepunkte zur Nutzung an, aus Enthusiasmus für Elektromobilität manchmal sogar kostenlos. Das schwedische Netzwerk Elbnb (quasi Airbnb für Strom) arbeitet ähnlich, ebenso das US-Start-up EVmatch. Der grundlegende Unterschied zu YouCharge ist die Verwendung von privatem statt öffentlichem Grund.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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