Zeiss Cinemizer OLED: Virtual Reality mit Kabelsalat
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Virtual Reality-Brillen geistern bereits seit fast zwei Jahrzehnten durch die Medien und lassen viele in Anbetracht der Möglichkeiten träumen. Für großes Aufsehen sorgte im Vorjahr die Oculus Rift, die erstmals eine intensive Virtual Reality-Erfahrung zu einem günstigen Preis liefern konnte. Doch die Consumer-Version der Oculus Rift lässt noch auf sich warten, bislang kommen nur Entwickler in den Genuss der VR-Brille. Mittlerweile drängen auch andere Hersteller auf diesen Markt. Neben Sony hat nun auch der Optik-Hersteller Zeiss mit dem Cinemizer OLED eine Consumer-VR-Brille veröffentlicht. Diese soll mit einem vergleichsweise günstigen Preis sowie Mobilität punkten, da es derzeit das einzige Modell mit Akku-Pack ist.
In der Theorie verspricht der Cinemizer also virtuelle Realität für unterwegs, doch kann man dieses Versprechen auch tatsächlich einlösen? Die futurezone hat versucht, in die alternative Realität abzutauchen, musste dabei aber einige Hürden überwinden. Ob es auch als Multimedia-Brille zum Film schauen, Spielen oder Arbeiten taugt, hat die futurezone getestet.
Wer bereits einmal das Vergnügen mit einer VR-Brille hatte, weiß, dass diese meist alles andere als komfortabel ist. Sonys HMZ-T2 wiegt beispielsweise 330 Gramm. Verglichen mit dem üblichen Gewicht einer Brille, die, je nach Gestell, zwischen 25 und 50 Gramm auf die Waage bringt, ein stolzer Wert. Hier kann der Cinemizer punkten, denn mit 120 Gramm ist man einer der leichtesten Vertreter auf dem Markt. Auch das mitgelieferte Akku-Pack, mit dem der Cinemizer konfiguriert und mit anderen Geräten verbunden wird, ist lediglich 60 Gramm leicht.
Nervige Kabel
Anpassbar ist der Cinemizer auch am Nasensteg, der mit zwei verschiedenen Erweiterungen verlängert beziehungsweise in einem steileren Winkel angebracht werden kann. Die mitgelieferten In-Ear-Kopfhörer können abgenommen werden, stören aber dank der mitgelieferten Halterung, in der sie bei Nicht-Benutzung abgelegt werden können, nicht wirklich. Die an der Seite der Brille herausragenden Kabel können mit montiertem Headtracker aber schnell lästig werden, vor allem bei häufigen Bewegungen des Kopfes. Einerseits halten sie den Benutzer etwas zurück und stören dabei die Illusion, andererseits legen sie sich unangenehm um den Hals, wenn die Kabel auf der linken Seite liegen.
Waschbär-Effekt
Wird die Brille zumindest 15 Minuten lang verwendet, sind nach der Benutzung auch recht deutlich Abdrücke im Gesicht zu sehen. Brillen-Träger dürften diese Druckstellen auf der Nase gewohnt sein, mit dem Sichtschutz kommen allerdings auch noch Abdrücke um die Augen dazu, wodurch man dann kurzzeitig einem Waschbären ähnlich sieht. Diese Effekte treten aber auch bei anderen VR-Brillen auf, durch deren höheres Gewicht teilweise sogar deutlich stärker. Eine Ausnahme bildet die Oculus Rift, die zwar dreimal so schwer ist wie der Cinemizer, aber ähnlich wie eine Ski-Brille mit einem verstellbaren Band am Kopf fixiert wird.
So wird ein einzelner Punkt, wie beispielsweise das Nasenbein, deutlich weniger belastet und das Gewicht besser verteilt. Daher ist es im Grunde genommen nahezu unverständlich, wieso Zeiss und Sony weiterhin auf dem “Brillengestell-Konzept” beharren, auch wenn der Cinemizer ein sehr leichtes Modell ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit Hilfe der Fixierung über ein verstellbares Band verhindert wird, dass Umgebungslicht eindringt.
Bei den beiden verbauten 0,39 Zoll großen AMOLED-Bildschirmen des Cinemizer setzt Zeiss auf die etwas ungewöhnliche Auflösung von 870 mal 500 Bildpunkten. Das entspricht einer Pixeldichte von 2570 ppi - im Vergleich mit Smartphones, Tablets und Laptops ein eindrucksvoller Wert, aufgrund der niedrigen Auflösung kommen aber meist eher griesige Bilder zustande. Auch das Bildformat ist mit 1,74:1 ungewöhnlich, aber zumindest am 16:9-Format angelehnt, sodass kaum Bildinformation verloren geht. Das würde ohnedies auf dem “kleinen Bildschirm” kaum auffallen. Laut Zeiss soll der Cinemizer einen 40 Zoll-Bildschirm aus zwei Metern Entfernung imitieren, Kino-Stimmung kommt dabei aber nicht wirklich auf. Das mag mitunter daran liegen, dass 40 Zoll mittlerweile zu einer Standard-Größe für Fernseher geworden sind und daher nur mehr wenige Leute wirklich begeistert.
Mühsames Lesen und Spielen
Herkömmlicher Text in 12 pt-Größe war nahezu unmöglich zu lesen, auch bei Menüs in Spielen kam es mitunter zu Problemen, beispielsweise bei umfangreichen Grafik-Einstellungen. Daran konnten auch die Dioptrien-Einstellungen, die für jedes Auge einzeln über Räder an der Seite vorgenommen werden können, nichts. Der Cinemizer unterstützt einen Bereich von -5 bis +2 Dioptrien. Hier war vor allem die etwas lockere Ausführung der Einstell-Räder lästig. Diese waren derart lose, dass die Einstellung beim Aufsetzen stets neu angepasst werden musste.
Ohnedies kam es bei zahlreichen Spielen zu wahren Format-Kriegen, denn je nach Auflösung des Eingabe-Signals wird ein anderes 3D-Format eingesetzt. Der Cinemizer unterstützt Side-by-Side und Top-Bottom (zwei verschiedene Bilder neben- oder übereinander dargestellt), Line Interleaved (zwei versetzte Halbbilder in einem Frame) sowie das Frame Packing-Verfahren, das mit dem neuen HDMI 1.4-Standard unterstützt wird und zwei Vollbilder in 1080p in einem Bild transportieren kann. Frame Packing ist natürlich das zu bevorzugende Verfahren, allerdings muss es auch vom Ausgabegerät unterstützt werden. Das war bei den im Test verwendeten Geräten definitiv der Fall, dennoch tauchte Frame Packing nie als Auswahl-Möglichkeit auf.
Headtracking
Die Farben wirkten, trotz AMOLED-Technologie, in der Standard-Einstellung meist etwas blass, über die recht umfangreichen Einstellungen ließ sich das aber rasch wieder korrigieren. Die Helligkeit ist in der Standard-Einstellung jedoch gut gewählt, höhere Werte strengten im Test recht rasch die Augen an. Für ein ungewohntes Gefühl sorgte auch die Verwendung des Head-Trackers. Die Eingabe wurde gut und sehr präzise angenommen, ein Tool von Zeiss erlaubt die Kalibrierung. In Shootern wie Crysis 2 oder Battlefield 3 kam es zu etwas kuriosen Erlebnissen, da man auch trotz Headtracker weiterhin eine Maus zur Steuerung benötigt. Die Bewegungen werden sehr genau umgesetzt, möchte man nach hinten blicken, muss man den Kopf tatsächlich um 180 Grad drehen. Wirklich Sinn macht der Headtracker wohl nur in Spielen, bei denen die Mausbewegung lediglich die Perspektive verändert, beispielsweise Flugsimulatoren, Rennspiele oder jene in die das Zeiss-SDK integriert wurde.
Angenehmes Film-Schauen
Für mäßige Begeisterung sorgt das stark eingeschränkte Sichtfeld. Das menschliche horizontale Sichtfeld beträgt üblicherweise 180 Grad, im Falle des Cinemizers aber nur magere 30 Prozent. So wirkt es viel mehr als würde man allein in einem abgedunkelten Raum mit einem Bildschirm als einzige Lichtquelle sitzen. Im Vergleich bieten der HMZ-T2 von Sony (45 Grad) sowie die Oculus Rift (90 Grad) deutlich größere Sichtfelder.
Die niedrige Auflösung war am ehesten noch bei Filmen verschmerzbar, auch wenn es bei 3D-Filmen wieder zu einer Streifenbildung kam. Das ließ sich auch durch Verändern der Auflösung nicht beheben. Das wohl interessanteste Feature des Cinemizers ist dessen Mobilität. Dank Akku ist es theoretisch auch möglich, unterwegs Filme anzusehen, die auf dem Smartphone oder Tablet abgespeichert sind. Mit Hilfe eines MHL-Adapters funktionierte das im Test tadellos, mit Apps wie dem 3DVPLayer oder dem MX Player ließen sich auch Side-by-Side-Videos problemlos abspielen. Größtes Manko hierbei war allerdings der 450 mAh starke Akku. Laut Zeiss soll dieser 2,5 Stunden Wiedergabe ermöglichen, im Test war aber meist nach rund eineinhalb Stunden Schluss. Um den Akku zu laden, muss dieser über Micro-USB an ein Netzteil oder einen USB-Anschluss angesteckt werden.
Sound
Der Ton wird über die beiden mitgelieferten Kopfhörer ausgegeben, die über ein recht kurzes Kabel am 2,5 mm-Anschluss angehängt wurden. Diese lassen sich jedoch auch abnehmen, wenn sie nicht gebraucht werden. Zudem ist es auch möglich, eigene Kopfhörer an eine eigens dafür vorgesehene Buchse an der Kontrolleinheit anzuschließen. Die Qualität der mitgelieferten In-Ear-Kopfhörer ist jedoch solide. Optional bietet Zeiss auch einen Adapter für iPhone und iPod an, unverständlicherweise aber nur für den 30 Pin-Dock-Anschluss, der ab dem iPhone 5 aber durch den Lightning-Anschluss ersetzt wurde.
Virtuelle Realität wird wohl noch eine Weile für den Heimgebrauch auf sich warten lassen. Um genau zu sein bis Ende 2014, denn dann soll eine Consumer-Version der Oculus Rift erscheinen. Diese wird Full HD-Auflösung bieten und mit mobilen Geräten verwendbar sein. Der Cinemizer ist im Vergleich dazu ein netter Ansatz, der versucht einen günstigen Einstieg zu bieten, kommt aber viel zu spät. Das Gebotene kann nicht wirklich überzeugen, dafür ist die Konfiguration zu mühsam und das Endergebnis zu enttäuschend. 3D-Spiele und Filme lassen sich zwar mit dem Cinemizer verwenden, die Qualität ist allerdings alles andere als berauschend.
Ungeduldige, die bereits jetzt einen Einstieg in die VR-Welt wagen und unter 1.000 Euro bezahlen wollen, stehen derzeit vor der Wahl: Zeiss Cinemizer OLED oder
Modell:
Zeiss Cinemizer OLED
Gewicht:
120 g (Gewicht auf der Nase: 75 g; Akku-Pack: 60 g)
Bildschirm:
2 OLED-Bildschirme mit je 870 x 500 Pixel (1 Zentimeter Bildschirmdiagonale, 2500 ppi, entspricht einem 40 Zoll-Bildschirm bei 2 Meter Abstand)
Field of View:
30 Grad (Menschen: 180 Grad,
Oculus Rift: 90 Grad)
Akku:
450 mA - sechs Stunden (
iPhone/
iPod); 2,5 Stunden (HDMI)
Lieferumfang:
Nasenpolster plus zwei Anpassungselemente, USB-Kabel, AV-Videokabel (3,5mm 4pin auf Cinch), HDMI auf Mini-HDMI-Adapter-Kabel, Reiseetui, zwei 2,5 mm Kopfhörer
Preis:
649 Euro (ohne Zubehör); Headtracker: 199 Euro, EyeShield: 39 Euro
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