© Jessica Adams

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Algen sind die bessere Treibstoff-Alternative

„Die Zeit ist endlich reif, Mikro- und Makroalgen als Quelle für Ethanol, Biodiesel oder Methan zu nutzen“, erklärt Michele Stanley, Leiterin des von der EU geförderten, schottisch-irischischen Projektes BioMara. Auch in Deutschland, Holland und den USA wird dazu eifrig geforscht und experimentiert. Der Grund: „Wir brauchen schnell wachsende Pflanzen, die nicht mit Landwirtschaft und Natur um Land und Süßwasser konkurrieren.“

Grüner Schleim und dichte Wälder
Nicht alles, was sie mit den Wellen wiegt, auf der Oberfläche grünlich sprießt, Strände vergiftet, wie derzeit die Grünalgen in Frankreich oder im Mittelmeer alle anderen Pflanzen verdrängt wie die Caulerpa, eignet sich zur Biosprit-Verwertung. Experimentiert wird derzeit mit Mikroalgen – mittlerweile in Tanks gezüchtete, ölproduzierende Einzeller. Sie gelten schon eine ganze Weile als große Hoffnung für die Biodieselproduktion. Doch die neuen Stars der Forschung sind die schnellwachsenden Braunalgen (Kelp), die auf dem Meeresgrund wahre Wälder bilden. Die Wasserpflanzen der Gattung Laminaria werden – je nach Art – zwischen fünf und dreißig Metern hoch und bieten sich als Biomasse zur Gewinnung von Methan und Ethanol an.

Biosprit aus Algen ist der nächste logische Schritt in der Biotreibstoff-Gewinnung. Ethanol aus Nutzpflanzen trug zum rasanten Anstieg der Lebensmittelpreise in den letzten Jahren und in der Folge zu Nahrungsmittelknappheit in Drittweltländern bei. Mehr und mehr Anbauflächen liefern nicht mehr Nahrung, sondern das Ausgangsprodukt für Ethanol oder Biodiesel. Am dramatischsten ist es in den USA: Bereits 40 Prozent der Maisernte ist für die Ethanolproduktion reserviert. Finanzkräftige Investoren wie Google unterstützen die Entwicklung von alternativen Biospritquellen wie etwa aus Gräsern oder Holzabfällen. Die Hürde dabei: Diese Pflanzen enthalten den Stoff Lignin, der ihnen Festigkeit verleiht und sich zumindest derzeit nur mit großem Aufwand abbauen lässt.

Sich in den Wogen wiegen
„Wasserpflanzen brauchen keine Substanz, die sie aufrecht hält“, beschreibt Jessica Adams von der Aberystwyth Universität in Wales einen wesentlichen Vorteil von Braunalgen. „Je biegsamer, desto weniger können ihnen Druck und Strömung anhaben.“ Die Expertin für Fermentationsprozesse hat ein Jahr lang Kelp vor der walisischen Küste gesammelt, getrocknet, auf seine Zusammensetzung getestet und diese Monat für Monat verglichen. Das Ergebnis: Für die Ethanolgewinnung geeignete Algen erntet man am besten im Juli, wenn der Kohlehydratgehalt deutlich höher liegt. Im März geernteter Kelp enthält nur vier Prozent Kohlehydrate; im Juli ist es das Zehnfache.

Algen-Anbau
„Wollen wir Kelp kommerziell nutzen wollen, müssen wir ihn anbauen“, meint Michele Stanley. In den britischen Gewässern wachsen rund 10 Millionen Tonnen Kelp. Auf etwa 1000 Kilometern wächst dieser sogar besonders dicht, - zwischen 10 und 20 Kilogramm pro Quadratmeter. Doch so schnell können sich die Algenwälder auch wieder nicht regenerieren, dass sie den britischen Biosprit-Bedarf decken würden. „Und außerdem würde man mit nicht-nachhaltigen Kelpernten ganze Ökosysteme zerstören. Braunalgen geben ideale Laichplätze ab.“ Was freilich noch viele Experimente erfordern wird, ist: Wie baut man Braunalgenwälder systematisch an? Welche Lektionen aus der Landwirtschaft lassen sich auf auf die Welt unter dem Wasserspiegel übertragen?

Vielfache Nutzung
Projekte in Norwegen, Holland und Deutschland zielen darauf ab, die Braunalgen vielfältig zu nutzen. In Norwegen experimentiert man mit Kelpwäldern in der Nähe von Lachsfarmen. Deren Abwässer würden die Algen düngen. Bei Off-shore Windenergieanlagen in Deutschland und Holland überlegt man Muschelbetten anzulegen. Mit Hilfe von Seilen und Netzen ließen sich Strukturen schaffen, wo Braunalgen sich verankern können. Solcherart geschaffene Wälder würden sich zur Fischzucht anbieten.

Braunalgen abzuernten und nur als Treibstoffs zu verwerten, rechnet sich – zumindest derzeit - nicht,“ erklärt Michele Stanley. Doch die Wasserpflanzen haben noch eine ganze Reihe begehrenswerter Bestandteile: Sie enthalten etwa für die pharmazeutische und Kosmetikindustrie wertvolle Stoffe wie Karotin oder Pigmente. Alginat wird zu Sättigungskapseln für Übergewichte verarbeitet. „Erst wenn wir die Algen dieserart voll verwertet haben“, erklärt die Forscherin, „dann machen wir aus der übrigen Biomasse Biosprit. In fünf bis zehn Jahren sollten wir so weit sein.“

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