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Smart Car

"Am liebsten beim Autofahren Zeitung lesen"

futurezone: Automotive rangiert bei AT&S an dritter Stelle. Steckt in diesem Bereich nicht ein gewaltiges Wachstumspotenzial,  hat das ein ähnliches Potenzial wie der Mobilfunksektor?
Andreas Gerstenmayer: Mindestens, weil die Anwendungsvielfalt viel breiter ist. Smartphones sind Kommunikationsgeräte, die sich in Richtung Computer entwickelt haben, beim Auto hat man eine Technologie, die einerseits Mobilität bietet, aber andererseits auch Plattform für  Kommunikationslösungen ist. Und dazu kommt noch das Thema Energieeffizienz.

Was sind die Megatrends im Auto?
Infotainment, Entertainment, Sicherheit und Energie-Effizienz.

Infotainment im Auto – davon spricht man schon seit Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten.
Ja, aber jetzt bekommt es eine ganz neue Dimension, jetzt geht es um das gesamte Kommunikationsverhalten in einem Auto. Im Prinzip hat man in einem Auto alle Funktionalitäten, die man in einem Smartphone auch hat. Zugang zum Internet, da man in vielen Autos eine Dockingstation für das Smartphone hat, mitunter sogar ein eigenes Display. Ich kann mir meine eMails vorlesen lassen, Informationen werden fahrergerecht aufbereitet. Dann gibt es den ganzen Bereich Navigation. Wenn ich heute wissen will, ob ich beim Ziel, das ich anfahre, in der Nähe ein Restaurant bekomme, erhalte ich diese Info. Heute gibt es bei manchen Oberklassefahrzeugen ein angeschlossenes Call-Center-Service. Bei BMW Connected Drive etwa kann ich anrufen und kann bitten, mir am Zielort ein Hotel, ein Restaurant etc. zu empfehlen und auch zu reservieren. Man kann heute eine Dienstleistung herum bauen und das kommt immer stärker.

Aber heute ist vor allem von Car2Car-Kommunikation die Rede.
Die gehört sowohl zum Bereich Infotainment, aber auch zum Thema Sicherheit. Bei Car2Car werde ich künftig in Echtzeit über Staus, Baustellen und sonstige Unregelmäßigkeiten informiert, ich werde aber auch darüber informiert, dass es in eineinhalb Kilometern eine Nebelbank gibt oder ein Stau in eine unübersichtliche Kurve reicht. Die Telematik-Diskussion gibt es seit gut zehn, 15 Jahren, aber diese Art der Telematik war von der Aktualität der Daten abhängig, und die stammten von stationären Systeme wie etwa dem Verkehrsfunk. Auf Basis der Car2Car-Technologie kann man auf mobile Datendienste aufbauende Systeme entwickeln. Wenn alle Verkehrsteilnehmer miteinander reden, weiß ich jederzeit was auf meinem Fahrweg los ist.

Was kann mab bei der Sicherheit noch erwarten?
Da gehören die ganzen On-Board-Systeme, Spurhalte-Systeme, Spurwechsel-Systeme, Abstandshalter etc. dazu. Viele Autos haben ja solche Systeme schon integriert: Wenn man vergisst, einen Blinker zu setzen, wird man gewarnt, wenn man die Geschwindigkeit überschreitet, wird man gewarnt. Wenn man auf die weiße Linie rechts oder links kommt, bekommt man eine Warnung. Wenn der Abstand nicht eingehalten wird, wird automatisch das Tempo reduziert. Wenn etwas von der Seite  reinfliegt, bremst es abrupt ab, weil das Sensoren erkennen.

Die Sensorik hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt, vor einigen Jahren waren Reifendrucksensoren die Sensation.
Das sind relativ einfache Sensor-Lösungen, aber künftig wird es nicht nur solche passiven Systeme geben, die nur Informationen liefern, sondern auch aktive, die direkt ins Fahrverhalten eingreifen.

Der Bereich Entertainment im Auto ist klar, Radio, Web, TV. Aber wie kann der vierte Bereich „Energieeffizienz" technologisch aufgerüstet werden?
Dazu gehört der gesamte Bereich Motorsteuerung und Verbrauchssteuerung. Auch hier geht es um die Information, die das Fahrzeug in Echtzeit erhält. Wenn ich weiß, dass in drei Kilometern ein Stau ist, brauche ich nicht mehr mit hoher Geschwindigkeit fahren, sondern kann das Tempo reduzieren und spare dadurch Sprit. Nicht zu vergessen das Thema LED im Auto, auch das ist ein Energiesparthema. Beispiel Fernlicht – früher hat man zwei Lampen benötigt, heute wird der Spiegel oder die Linse verstellt und man hat das Fernlicht.

Werden viele mechanische Systeme  durch elektronische ersetzt?
Im Motor selber nehmen zunehmend Sensoren die Kontrolle über die Kraftstoffeinspritzung, auch die Getriebesteuerung wird mit einer elektronischen Einheit unterstützt. Schauen Sie sich heute eine Bremse an, eine Lenkung. Da ist kaum mehr eine mechanische Verbindung vorhanden, die werden via elektronischer Signale gesteuert.

Wie viele Leiterplatten gibt es eigentlich in einem Auto?
Ein indischer Tata hat 20, ein Luxusklassefahrzeug wie etwa ein BMW bis zu 400 Leiterplatten. Es gibt eine Pi-mal-Daumen-Rechnung – ein Mittelklassewagen hat mehr als 200 Leiterplatten. Unter 200 Leiterplatten befinden sich viele Standardlösungen, vom Fensterheber bis zum Sitzversteller. Wir bei AT&S fokusieren hauptsächlich auf den smarten Bereich.

Sie arbeiten mit den führenden Automotiv-Lösungs-Firmen zusammen.
Wir arbeiten schon lange mit den führenden Systemlieferanten (Tier-Ones) zusammen. Mit Hella etwa bei der LED-Beleuchtung, Spurwechsel- und Spurhalte-Systemen. Wir kooperieren mit Conti - der größte Automobilzulieferer  überhaupt - bei Navigationslösungen, Sensorik-Systemen oder bei der Motorsteuerung.

Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?
Wir entwickeln keine Produkte, sondern Basis-Technologien und Produktionsprozesse, mit denen wir unseren Kunden Möglichkeiten anbieten können, ihre bisherigen Lösungen anders zu gestalten und zu verbessern. Beispiel: Wir ersetzen gerade mit einem Unternehmen eine sehr teure Keramik-Applikation in einer Getriebesteuerung durch eine Leiterplattenlösung. Das ist in erster Linie eine Kosteneinsparung.

Bislang gab es im Auto ja kein Platzproblem, darum konnten ja Leiterplatten ein wenig größer ausfallen als bei mobilen Endgeräten.
Das stimmt zwar, aber mittlerweile ist auch Miniaturisierung ein Thema geworden. Bislang hat man gesagt, man hat in einem Auto genug Platz, aber inzwischen werden die Module kleiner, weil dadurch das Gewicht reduziert wird, wodurch wiederum die Energieeffizienz gesteigert werden kann. Die Automobilisten feilen  an jedem Gramm. Je kleiner die Komponenten, umso mehr Gewichtseinsparung hat man. Es ist so wie bei Smartphones – man steigert ständig die Funktionalität, wird aber nicht schwerer.

Wo werden Sie die Leiterplatten für den Automotive-Bereich produzieren?
HDI in Shanghai, Multilayer und Standard-Lösungen in Indien und Speziallösungen in Österreich. Viele der Technologien, die wir heute im Automotiv-Bereich anbieten, haben wir vor zehn Jahren im Mobilfunkbereich entwickelt.

Besteht nicht die Gefahr, dass je mehr Funktionen ein Smart-Car hat, die Anfälligkeit größer wird?
Sicherlich ist das auch eine Gefahr, vor allem auch deshalb, weil es im Auto noch eine Vielzahl anderer Systeme gibt, die eine Wechselwirkung erzeugen. Der ganze Bereich der EMV – also die elektromagnetische Verträglichkeit -  ist nicht zu unterschätzen. Früher hatte man die dicken Kabelstränge, die jede einzelne Funktion physikalisch verbunden hat. Mittlerweile setzen sich immer mehr Bus-Systeme durch. Auch Intel und RIM denken über den mobilen Anwendungsbereich nach. RIM hat QNX gekauft, weil sie mit ihrer QNX-Software Systeme im Auto erobern wollen. QNX ist im Auto eine der Software-Anwendungen.

Da Smartphones gehackt werden können, kann man davon ausgehen, dass auch Smart-Cars von Hackern attackiert werden können.
Datensicherheit im Auto ein ganz großes Thema. So muss vor allem jede Bluetooth-Schnittstelle in einem Auto abgesichert werden. Aber hier stellt sich die Frage – ist es ein System- oder ein User-Problem. Die meisten Probleme entstehen wegen der Nutzer, weil sie etwa die Werkseinstellungs-Zugangscodes bzw. -Passwörter nicht ändern. Viele schützen ja nicht einmal ihre Smartphones mit einem Passwort. Dann darf man freilich die Systeme nicht miteinander koppeln – ich darf eine Entertainment-Lösung nicht mit den sicherheitsrelevanten Kreisläufen verbinden. Wenn das Brems- mit dem Entertainment-System verbunden wäre, das wäre fatal.

In Europa sind Sie mit den europäischen Herstellern ohnehin in Kontakt, war das der Grund für die neue US-Dependance in Chicago, um näher am US-Automarkt zu sein?
Das war einer der Gründe, aber Chicago haben wir gewählt, weil wir von dort die drei wichtigen Zweige Medizintechnik, Automotiv und Luftfahrt gut verbinden können.

Was wünschen Sie sich vom Auto der Zukunft?
Am liebsten würde ich Zeitung lesen beim Autofahren.

Das selbstfahrende Auto hat ja Google schon entwickelt.
Ich wünsche mir eine Lösung für den innerstädtischen Bereich, ein Megacity-Vehikel, ähnlich dem BMW i3. Über Land glaube ich nicht, dass man selbstfahrende Autos wie es Google entwickelt hat, einsetzen wird können. Aber innerstädtisch sehr wohl. Warum soll es künftig nicht Park&Ride-Plätze am Stadtrand geben, auf denen eine Flotte von selbstfahrenden eAutos mit Navigation gibt. Man setzt sich rein, gibt sein Ziel ein und das Auto liefert einen dort ab. Man drückt auf „Parken", das Auto parkt sich automatisch ein, wo es einen freien Platz findet, wenn ich es wieder brauche, rufe ich es und es holt mich wieder ab. Kein Mensch muss mehr in die Stadt reinfahren, dadurch dass das alles fremdgesteuert ist, gibt es keinen Stau mehr, weil keiner schnell oder langsam fahren muss.

Eine gute Idee, aber ist sie realistisch?
Innerstädtisch ist das alles machbar. In einer Stadt habe ich nicht die hohen Geschwindigkeiten, ich kann den Elektro-Antrieb wirklich nutzen und das Parkplatz-Problem ist auch gelöst. Wie viel verbringen Sie in Wien Zeit bei der Parkplatzsuche? Wenn man es will, kann man es relativ zügig aufbauen.

Aber das setzt eine gewaltige Infrastruktur voraus.
Schauen Sie sich die heutige Verkehrsinfrastruktur an, die ist nicht weniger gewaltig und muss auch aufrecht erhalten werden.

In der Wiener Hofburg findet von 12. bis 13. Juli Österreichs größte Digital-Marketing Conference & Expo, das Werbeplanung.at Summit, statt. 61 heimische und 36 internationale Referenten sowie 25 ausgesuchte Fach-Moderatoren werden auf den drei Vortragsbühnen stehen. AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer wird beim Summit beim von der futurezone.at organisierten Panel "eMobility" unter anderem mit AustriaTech-Chef Russ und Kapsch Traffic-Com-Chef Toplak über die Zukunft der Mobiltität diskutieren.

Von 22. bis 26. Oktober findet in Wien der ITS Weltkongress statt, bei dem über 300 Unternehmen aus 65 Ländern ihre neuesten Entwicklungen im Bereich Verkehrstechnik und Telematik präsentieren. Neben internationalem Fachpublikum soll die Veranstaltung auch Privatpersonen die Möglichkeit bieten, die Technik auf den Straßen von morgen zu begutachten. Eine eigene Navigator-App macht die Messe zur Rätselrallye.

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