Starshot
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© Breakthrough Initiatives

Raumfahrt

"Dass uns Aliens entdecken, müssen wir in Kauf nehmen"

Die Organisation Breakthrough Initiatives hat das Projekt "Breakthrough Starshot" ins Leben gerufen. Ziel ist es Minisonden, die weniger als ein Gramm wiegen, zum nächstgelegenen Sternensystem Alpha Centauri zu schicken.

Die winzigen Raumschiffe bestehen nur aus einem einzigen, 35 Quadratmillimeter großen Chip, der von einem etwa vier Mal vier Meter großen Segel angetrieben werden soll. Den "Wind" sollen 50.000 Hochleistungslaser mit je einem Megawatt Leistung auf der Erde liefern, die solche "Starchips" dann aus einer Umlaufbahn innerhalb von zwei Minuten auf 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen - das entspricht etwa 60.000 Kilometer pro Sekunde.

Eine Reise zum Alpha-Centauri-System würde so etwa 20 Jahre dauern. Dort angekommen, sollen die Sonden nicht nur Fotos von Exoplaneten machen, sondern auch andere Daten zurückschicken. Der russische Milliardär Juri Milner stellt 100 Millionen US-Dollar Anfangsfinanzierung zur Verfügung.

Die futurezone hat Pete Klupar, den Chefingenieur der Breakthrough Initiatives, beim Pioneers Festival in Wien zum Interview getroffen.

futurezone: Ich bin 1984 geboren. Wie wahrscheinlich ist es, dass ich die ersten Bilder aus einem anderen Sonnensystem noch sehen werde?
Pete Klupar: Du wirst die ersten Aufnahmen von Alpha Centauri sehen. Wir wollen jetzt zehn Jahre in Forschung und Entwicklung investieren und peilen den ersten Start für 2035 an. Dann erreichen uns die ersten Fotos etwa 2060. Wenn du gesund lebst, geht sich das aus.

Ihr habt das Alpha-Centauri-System ausgewählt, weil es das nächstgelegene ist. Ziel ist aber vor allem die Erforschung von Exoplaneten. Ob es solche im Centauri-System gibt, ist unklar.
Wir wissen sehr wenig über die beiden Sterne im Alpha-Centauri-System. Das wollen wir in den kommenden Jahren ändern.

Pete Klupar
Was, wenn kein Planet gefunden wird?
Laut heutigem Wissensstand liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es innerhalb von zwölf Lichtjahren einen erdgroßen Exoplaneten in der habitablen Zone seines Sterns gibt bei 100 Prozent. Wir könnten also auch andere Ziele anvisieren.

Wie weit kann ein Ziel maximal entfernt sein?
Der limitierende Faktor ist die Zeit, die wir bereit sind zu warten. Ich glaube, dass es wenig Sinn macht, Projekte anzugehen, die nicht innerhalb einer Generation abgeschlossen werden können. Das entspricht einer maximalen Zielentfernung von 20 Lichtjahren.

Ihr wollt 1000 Sonden losschicken. Wie kommt man auf diese Zahl?
So viele können wir mit einer Falcon-Rakete auf einmal in den Orbit bringen. Dann würden wir drei Jahre lang eine Sonde pro Tag mit den Lasern beschleunigen. Mit dieser Zahl haben wir Reserven, da bei der langen Reisezeit mit Ausfällen gerechnet werden muss.

Das klingt trotzdem nach Schrot und Spatzen.
Wir planen zehn verschiedene Sondentypen. Durch die geringe Größe ist die Funktionalität begrenzt, so dass wir die Chips spezialisieren. Eine Sorte wird Fotos machen, eine andere analysiert die Atmosphäre mit Spektroskopen und so weiter.

Die Sonden werden nicht bremsen können und rauschen mit 60.000 Kilometer pro Sekunde an Alpha Centauri vorbei. Was heißt das für die Bilder?
Wir werden die Kamera rotieren müssen, um wackelfreie Bilder zu schießen. Durch die Distanz - etwa eine astronomische Einheit (rund 150 Millionen Kilometer, Anm.) - muss sich die Kamera dabei aber nicht einmal so schnell wie ein Sekundenzeiger bewegen. Das kriegen wir hin. Die Bilder werden durch die hohe Geschwindigkeit stark rotverschoben sein.

Was wird auf den Bildern von Planeten zu erkennen sein?
Die Auflösung wird sich im Bereich von 100 Kilometer bewegen. Auf Europa umgelegt hieße das, dass die Form Italiens grob erkennbar wäre.

Warum der große Abstand?
Wir wollen uns oberhalb der Ekliptikebene bewegen, um dem interplanetaren Staub zu entgehen. Im interstellaren Medium erwarten wir in 20 Jahren Reisezeit nur etwa vier Kollisionen mit Partikeln.

Würden wir eine Zivilisation erkennen?
Das werden wir innerhalb der nächsten zehn Jahre schon von der Erde aus erledigen können.

Wie könnten die Sonden nach Spuren von Leben suchen?
Durch die spektroskopische Analyse der Atmosphäre von Exoplaneten. Biomarker wie Sauerstoff - vor allem in Zusammenhang mit Methan - gelten hier als gute Indizien.

Ein Ziel aus so großer Entfernung exakt zu treffen klingt schwierig.
Das erfordert eine Genauigkeit von ein bis zwei Millibogensekunden. Derzeit wissen wir allerdings noch nicht, wo Planeten in dem System sein könnten. Das werden wir aber herausfinden. Alpha Centauri beinhaltet glücklicherweise den hellsten Stern in der südlichen Hemisphäre, das macht das Zielen einfacher. Dann müssen wir nur noch errechnen, wo der Stern und die Planeten zur erwarteten Ankunftszeit sein werden.

Was ist aus heutiger Sicht die größte technische Herausforderung?
Wir brauchen das Segel. Das verlangt einen sehr leichten und hauchdünnen Stoff mit sehr hoher selektiver Reflektivität und niedriger Absorption. Ich bin sicher, dass wir das schaffen.

Was ist mit den Lasern?
Wir planen, an einem hochgelegenen, sehr trockenen Ort 50.000 Ein-Megawatt-Laser aufzustellen. Das wäre schon möglich, ist aber noch zu teuer. Die Preise halbieren sich derzeit aber alle eineinhalb Jahre. Die Energie von 50 Gigawatt bekommen wir zusammen, wir können sie ja nach und nach sammeln, um sie dann in zwei Minuten konzentriert abzustrahlen.

Die Sonden sind Beschleunigungskräften von 60.000 g ausgesetzt. Würde das die Chips nicht einfach zerreißen?
Wir haben heute smarte Projektile, deren Sensorik teilweise sogar für 120.000 g zertifiziert ist. Wir müssen nur zusehen, dass keine ungestützten Strukturen auf unseren Chips sind. Das heißt vor allem, dass wir die Drähte, die einzelne Elemente verbinden, loswerden müssen.

Sind Gravitationsquellen, die vom Kurs ablenken könnten, ein Problem?
Durch die Position von Alpha Centauri ist die Flugbahn weit genug aus der Ekliptikebene unseres Systems, um Schwerkrafteinflüsse hier zu verhindern. Im Zielsystem könnte das ein Problem werden. Hier müssen wir die Lage mit Teleskopen klären.

Sind nachträgliche Kurskorrekturen möglich?
Die Sonden können ihren Kurs sehr langsam beeinflussen, über Jahre hinweg, auf die Distanz zu Alpha Centauri um bis zu 40 Millionen Kilometer in jede Richtung. Der Schub kommt von der Strahlung der winzigen Mengen an radioaktiven Stoffen, die zur Energieversorgung an Bord sind. Die Energieversorgung wird so für etwa 80 Jahre sichergestellt, nach demselben Prinzip wie bei Radionukleidbatterien, nur kleiner.

Was wird die Mission kosten?
Ich rechne mit fünf bis acht Milliarden US-Dollar. Die entscheidende Frage ist, wie lange wir warten. Je länger wir den Start hinauszögern, desto billiger wird die Technologie, vor allem bei den Lasern. Ich hoffe, dass hier in zehn Jahren der kritische Wert unterschritten ist.

Wieviel Geld ist schon zugesagt?
100 Millionen US-Dollar.

Wo soll der Rest herkommen?
Ich hoffe von privaten Investoren. Die private Finanzierung von wissenschaftlichen Projekten zum Wohl der Allgemeinheit hat lange Tradition.

Habt ihr keine Angst vor Interessen der Investoren?
Ich liebe den Kapitalismus und hasse Kapitalisten. Wir stellen derzeit all unsere Ergebnisse im Netz der Allgemeinheit zur Verfügung. Ich hoffe, dass das auch so bleibt, wenn wir einen wirklich großen Spender gewinnen könnten.

Wie habt ihr Stephen Hawking für das Projekt gewonnen?
Er ist ja eigentlich ein Skeptiker, weil er nicht will, dass die Menschheit die Aufmerksamkeit der Außerirdischen auf sich zieht. Er hat aber von dem Projekt gehört und war sofort begeistert.

Den Laserstrahl werden die Aliens tatsächlich kaum übersehen können.
Ja, das wäre auch von der Erde aus kurzzeitig das hellste Licht am Himmel. Aliens könnten es allerdings nur zwei Sekunden lang sehen. Den Rest der zweiminütigen Anschiebephase verdeckt das Segel ihnen die Sicht. Das ist ein Risiko, das wir in Kauf nehmen müssen.

Wie schicken die Mini-Sonden ihre Daten zurück?
Das Segel dient als Schüssel für die Rückübermittlung der Daten. Wir können mit supraleitenden Nanodrähten schon einzelne Photonen zählen, das erlaubt den Empfang von sehr schwachen Signalen. Die Übermittlung eigentliche Übermittlung nimmt drei Monate in Anspruch, auch weil wir die Batterien immer wieder laden müssen. Eine Minute Signalübertragung gefolgt von zwei Tagen Ladezeit. Dazu kommt, dass das Signal mehr als vier Jahre braucht, um uns zu erreichen.

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Markus Keßler

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