DNA als Datenspeicher: Keine Alternative zur Festplatte
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"Alles was auf einem Computer gespeichert werden kann, kann auch in DNA gespeichert werden", sagt der Mathematiker und Zoologe Nick Goldman. Ihm und seinem Team am European Bioinformatics Institute im englischen Hixton ist es gelungen rund 750 Kilobyte an Daten - darunter 154 Shakespeare-Sonnete, ein Bild und ein 26 Sekunden langer Ausschnitt aus Martin Luther Kings "I have a Dream"-Rede im MP3-Format, ein PDF-File und einen Software-Algorithmus - in synthetischer DNA zu speichern und verlustfrei wieder auszulesen. Die Anfang des Jahres im Fachmagazin "Nature" veröffentlichten Forschungsergebnisse sorgten weltweit für Aufsehen.
Anfang September präsentierte Goldman seinen DNA-Datenspeicher bei der Ars Electronica in Linz, die heuer unter dem Thema "Total Recall" stand. Im Interview mit der futurezone spricht der Wissenschaftler über das Experiment und über die Zukunft von DNA als Datenspeicher.
Auch andere Forscherteams haben sich bereits an der Datenspeicherung in DNA-Molekülen versucht. Wodurch unterscheidet sich Ihr Experiment von früheren Versuchen DNA als Datenspeicher zu nutzen?
Nick Goldman: Wir haben tausend Mal mehr Information in DNA gespeichert als bei vorangegangenen Experimenten. Dazu haben wir einen Code geschrieben, der es uns erlaubt, jede Art von Information zu speichern. Davor war es nur möglich, Texte in DNA zu speichern. Wir wollten zeigen, dass es möglich ist, alles was auf einem Computer gespeichert werden kann - Texte, Bilder, Musik oder was auch immer - auch in DNA zu speichern.
Es gab eine andere Gruppe rund um den Wissenschaftler George Church, die ähnliches versucht hat wie wir. Das fand etwa zur selben Zeit statt, wurde aber früher publiziert. Wir haben im Gegensatz zu diesem Experiment einen Code zur Fehlererkennung implementiert, weil wir aus der Mikrobiologie die Erfahrung hatten, dass alles was schief gehen kann auch schiefgeht. Wir haben also damit gerechnet, dass es zu Problemen kommt und konnten möglichen Fehlern entgegenwirken.
Wo liegen die Fehlerquellen?
Mögliche Fehler können etwa bei der Synthetisierung der DNA auftreten. Es gibt dabei eine Fehlerrate von etwa einem Prozent. Auch beim Auslesen kann es zu Fehlern kommen. Auch dabei beträgt die Fehlerquote rund ein Prozent. Wenn Sie nur Text verschlüsseln ist das möglicherweise kein Problem, da der Text auch dann verstanden werden kann, wenn einer von hundert Buchstaben fehlt oder falsch ist. Bei anderen Formaten könnte das jedoch zum Problem werden.
Wie lange hat es gedauert, die Files zu entschlüsseln?
Der gesamte Prozess hat etwa zwei Wochen gedauert, wobei der Großteil der Zeit für die Vorbereitungen draufgegangen ist. Das tatsächliche Auslesen, die Wiederherstellung der Information aus der DNA, hat nur wenige Minuten gedauert. Heute haben wir bessere Geräte zur Verfügung und könnten den gesamten Prozess auf ein paar Tage reduzieren. Schon bald werden es nur wenige Stunden sein. Wir sind sehr optimistisch, dass die technische Entwicklung in diesem Tempo weitergeht.
Planen Sie Experimente mit größeren Datenmengen?
Ja, das haben wir vor. Wir wurden von einer Reihe von Unternehmen kontaktiert, darunter große Medienunternehmen. Ich kann ihnen aber aus Verschwiegenheitsgründen keine detaillierten Auskünfte dazu geben. Nur so viel. Bei den nächsten Experimenten werden wir hundert Mal, wenn nicht sogar tausend Mal soviel Information speichern. Das ist allerdings immer noch sehr teuer.
Wie teuer?
Die Herstellung synthetischer DNA kostet rund 12.400 Dollar pro Megabyte, unser Experiment war mit rund 10.000 Dollar etwas billiger. Das Auslesen der Daten macht noch einmal ein Zehntel dieser Summe aus. Wenn Sie es sich leisten können, die Information in DNA zu speichern, sollte das aber kein Problem sein.
DNA wird sicherlich nicht die Festplatte ersetzen. Dazu ist der Prozess zu teuer, auch das Auslesen dauert zu lange. Ich sehe aber eine gute Chance, dass DNA in etwa zehn Jahren eine nützliche Technologie sein könnte, wenn es darum geht, Dokumente auf längere Zeit sicher zu verwahren. Dazu ist eine Reihe von technologischen Verbesserungen in verschiedenen Bereichen notwendig. Wir sind da sehr optimistisch.
Wie sollte DNA gelagert werden?
Wenn Sie die Daten nur für kurze Zeiträume benötigen, können Sie DNA in ihrer Hosentasche tragen. Wenn Sie die Informationen für zehn, hundert oder gar tausend Jahre verfügbar haben wollen, sollten Sie die DNA in kühlen und trockenen Umgebungen lichtarm lagern. Ein Kühlschrank würde genügen, eine Gefrierfach wäre aber besser. Ich könnte mir vorstellen, dass es Unternehmen geben wird, die entsprechende Möglichkeiten anbieten werden. Norwegen oder die Schweiz wären dazu gut geeignet.
Wäre es auch möglich, die synthetische DNA in lebende Organismen zu implementieren?
Wir haben daran kein Interesse. Das wäre sehr schwierig und es wäre auch unethisch. Es würde möglicherweise auch gar nicht funktionieren. Genome verändern sich und viele der Teile, die sich verändern, sind biologisch wichtig. Die synthetische DNA könnte sich auch verändern und die gespeicherte Information könnte verloren gehen. Der Organismus würde das aber unbeschadet überstehen, weil der Code, den wir verwenden, sich grundsätzlich von jenem eines lebenden Organismus unterscheidet.
Könnte ich die Daten für kurze Zeiträume auf diese Art transportieren?
Sie könnten damit sich problemlos durch Flughafenkontrollne kommen, wenn Sie das meinen. Mit herkömmlichen Scanning-Mechanismen kann das nicht entdeckt werden. Die synthetische DNA lässt sich auf den ersten Blick nur sehr schwer von natürlicher DNA unterscheiden. In der Welt der James Bond-Filme, aber auch für Edward Snowden, wäre dies sicherlich eine Möglichkeit. Auch der Partner des Journalisten (Anm. Prism-Aufdeckungsjournalist Glen Greenwald), der vor kurzem in London auf dem Flughafen festgehalten wurde und dessen Computer konfisziert wurden, wäre damit wohl problemlos über die Grenze gekommen.
Die synthetische DNA verändert sich nicht?
Die DNA, die wir zum Speichern von Informationen nutzen, ist fast inaktiv. Sie wird in einem Röhrchen verwahrt. Die Chancen, dass sie mutiert oder sich etwas verändert, sind sehr gering. Unter kalten trockenen Bedingungen sollte es nicht passieren. Auch natürliche DNA verändert sich nicht mehr, sobald sie gefroren ist. Es gibt genügend Beispiele, bei denen DNA von lebenden Kreaturen, die vor 10.000 oder 100.000 Jahren gestorben sind, erfolgreich wieder hergestellt werden konnte.
Stimmt es eigentlich, dass Sie auf die Idee zu dem Experiment gekommen sind, weil der Speicherplatz in Ihrer Abteilung am
European Bioinformatics Institute in Hixton knapp wurde?
Ja, das hat uns dazu inspiriert, darüber nachzudenken. DNA wird unsere Probleme aber leider nicht lösen. Bei uns steht die langfristige Datenspeicherung nicht im Vordergrund. Forscher wollen schnell auf Daten zugreifen. Es gibt heute keine Alternative zu Festplatten, auf denen Daten kompakt gespeichert und vergleichsweise schnell abgerufen werden können.
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