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Europäische Sonde Rosetta landet 2014 erstmals auf Kometen

Fast zehn Jahre nach dem Start tritt ein spektakuläres Raumfahrt-Projekt 2014 in die entscheidende Phase: Erstmals wird im November mit der Raumsonde Rosetta ein wissenschaftliches Gerät auf einem Kometen landen. Im Jänner wird die Sonde aus ihrem jahrelangen Tiefschlaf geweckt, so die Europäische Weltraumorganisation ESA am Diensta . Mit an Bord ist viel Technik aus Österreich.

Rosetta wurde am 2. März 2004 mit einiger Verspätung gestartet. Grund dafür war der Absturz der Trägerrakete Ariane 5 kurz vor dem für Anfang 2003 geplanten Start. Das ursprüngliche Ziel der Mission, Komet „Wirtanen“, musste deshalb aufgegeben werden. Mit dem KometenTschurjumow-Gerasimenko“ wurde ein neues Jagdobjekt gefunden.

Aufschlüsse über die Ursprünge des Sonnensystems

Die Sonde soll erstmals einen Kometenkern direkt und über lange Zeit untersuchen. Man geht davon aus, dass Kometen noch nahezu unverändert aus jenem Material bestehen und jenen interstellaren Staub enthalten, aus dem sich vor rund 4,5 Milliarden Jahren Sonne und die Planeten gebildet haben. Die Mission könnte deshalb Aufschlüsse über die Ursprünge des Sonnensystems bringen, so wie der namensgebende „Stein von Rosetta“ die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen ermöglicht hat. Auch darauf, ob Kometen einst Wasser und Leben auf die Erde brachten, erhoffen sich die Forscher neue Hinweise.

Der Komet hat einen Durchmesser von rund vier Kilometern, umrundet die Sonne in einer exzentrischen Bahn alle 6,6 Jahre und bewegt sich dabei zwischen den Bahnen von Jupiter und Erde. Um ihn zu erreichen musste die Raumsonde nach ihrem Start mehrfach durch Swing-By-Flüge die Schwerkraft von Planeten - dreimal von der Erde, einmal vom Mars - nutzen, um Schwung zu holen.

Auf dieser Reise nutzte sie den knappen Vorbeiflug an den beiden Asteroiden „Steins“ (im Jahr 2008) und „Lutetia“ (2010) für erste wissenschaftliche Beobachtung. Asteroiden sind ja wie die Kometen in der Frühphase des Sonnensystems entstanden. Für diese Phasen wurde die Sonde jeweils aus ihrem elektronischen „Winterschlaf“ geweckt.

Energiesparender Tiefschlaf

Seit 8. Juni 2011 befindet sich Rosetta erneut in einem energiesparenden Tiefschlaf. 31 Monaten Winterschlaf stellen aber keinen neuen Rekord dar: Die ESA-Sonde „Giotto“ zum Halleyschen Kometen Mitte der 1980er Jahre war insgesamt 46 Monate in Tiefschlaf, so die Astrobiologin Pascale Ehrenfreund. Die Präsidentin des Wissenschaftsfonds FWF ist an den Wissenschaftsteams von zwei Instrumenten beteiligt.

Der Wecker für Rosetta ist für 20. Jänner, 11.00 Uhr (MEZ), gestellt, dann soll sie für die finalen Vorbereitungen aktiviert werden. Zu diesem Zeitpunkt ist die Sonde noch neun Millionen Kilometer von „Tschurjumow-Gerasimenko“ entfernt. Zunächst werden die Navigationsinstrumente aufgewärmt und die Hauptantenne auf die Erde ausgerichtet.

Dann werden die elf Instrumente der Raumsonde und die zehn Instrumente der Landeeinheit nach und nach eingeschaltet und ihre Funktion getestet. Nach fast zehn Jahren Reisezeit ist dies eine Phase, die den Wissenschaftern durchaus Sorge bereitet.

Mit Problemen wird gerechnet

Der Leiter des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz, Wolfgang Baumjohann, rechnet damit, dass die lange Ruhephase vor allem bei der Mechanik Probleme machen könnte. „Wer rastet, der rostet - das gilt auch für die mechanischen Teile der Sonde“, sagte Baumjohann. Auch wenn es im All keinen Rost gebe, könnte es Probleme geben.

Etwa bei den beweglichen Teile des vom IFW entwickelten Instruments MIDAS, mit dem der Kometenstaub analysiert werden soll. Dieses spezielle Mikroskop ist eines von mehreren österreichischen Beiträgen zu der Mission.

Kopfzerbrechen bereiten auch die Gyroskope. Ursprünglich wurde die Sonde mit vier solcher Kreisel stabilisiert. Eines sei bereits ausgefallen, ein weiteres nicht mehr ganz in Ordnung gewesen, als die Sonde in die Schlafphase versetzt wurde, so Baumjohann. Sollte es nun nicht mehr funktionieren, müsste zusätzlich mit den Steuerdüsen stabilisiert werden - was allerdings die Treibstoffvorräte und damit später die Manövriermöglichkeiten reduziert.

Die spektakuläre Mission der Raumsonde Rosetta der Europäischen Weltraumorganisation ESA zum KometenTschurjumow-Gerasimenko“ wird von zahlreichen Experimenten „Made in Austria“ bzw. mit österreichischer Beteiligung unterstützt. So ist österreichisches Equipment an der Untersuchung des Staubs und der Magnetfelder des Kometen beteiligt und findet sich auch in einigen Instrumenten der Landeeinheit.

MIDAS

Unter der Federführung des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz ist das Instrument MIDAS (Micro-Imaging Dust Analysis System) entstanden. Mit Hilfe eines Rasterkraftmikroskops wird MIDAS an Bord von Rosetta auf einige Nanometer genau die Struktur der vom Kometen freigesetzten Staubteilchen messen. „Wir erwarten uns davon Aufschluss über die physikalischen Eigenschaften des Kometen“, erklärte IWF-Leiter Wolfgang Baumjohann.

Die Forscher vermuten, dass der Schweifstern noch Staubteilchen enthält, aus denen vor rund 4,5 Milliarden Jahren das Sonnensystem gebildet wurde. Aus Struktur, Form und Art des Zusammenklumpens erhoffen sie sich neue Erkenntnisse darüber, wie die Planeten entstanden sind. Der Staub wird in zahlreichen Zyklen während der gesamten Orbit-Phase der Sonde um den Kometen auf Trägermaterialien gesammelt, die aufgenommenen Bilder und Daten zur Erde gesendet.

Das Gerät MIDAS besteht aus einem Mechanismus zum Staubsammeln und einem Rasterkraftmikroskop, das ein dreidimensionales Bild der Staubteilchen mit einer Auflösung von nur wenigen Nanometern (ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters) liefert. Im Mikroskop wird eine hauchdünne Siliziumnadel die Körnchen abtasten und über das Wechselspiel der an der Oberfläche wirkenden Kräfte Informationen über deren Struktur liefern. Die hohe Messgenauigkeit des Mikroskops stellt die Forscher vor einige Probleme. So müssen beispielsweise die Gyroskope, die den Satelliten stabilisieren, für die Messungen abgeschaltet werden.

COSIMA

Während MIDAS die Form der Staubteilchen erforscht, soll das Experiment COSIMA mit Hilfe eines Massenspektrometers deren chemische Zusammensetzung analysieren. Das IWF hat dafür die Steuerungselektronik entwickelt, vom das damalige Forschungszentrum Seibersdorf (heute Austrian Institute of Technology, AIT) stammt die für die Untersuchung notwendige Ionenquelle.

Die Magnetfelder in der Umgebung des Kometen stehen im Mittelpunkt des Interesses des Experiments RPC-MAG, mit dem erstmals Langzeituntersuchungen eines Kometenschweifs durchgeführt werden. Für dieses Experiment hat das IWF die Datenerfassungseinheit entwickelt.

Instrumente für die Landeeinheit

Das IWF ist auch an einigen Instrumenten für die Landeeinheit „Philae“ beteiligt, die auf der Kometenoberfläche aufsetzen soll. Die Harpune, die dem Lander zur Verankerung auf dem Kometen dient, ist gleichzeitig ein wissenschaftliches Instrument. Es werden damit u.a. Wärmeleitfähigkeit und Festigkeit der Oberfläche gemessen. Das IWF hat den sogenannten Anker-Accelerometer entwickelt: Dafür ist je ein Sensor in den beiden Anker-Harpunen installiert, der die Verzögerung des Ankers beim Eindringen in den Boden misst. Das erlaubt Rückschlüsse auf die Bodenbeschaffenheit.

Für das Experiment ROMAP, das direkt auf der Kometenoberfläche das Magnetfeld misst, hat das IWF eine Anlage entwickelt, die die Kalibrierung des Magnetometers in einem weiten Temperaturbereich erlaubt. Dies ist notwendig, da das Instrument auf dem Kometen extremen Temperaturen ausgesetzt sein wird.

Die Astrobiologin Pascale Ehrenfreund, Präsidentin des Wissenschaftsfonds FWF, ist nicht nur Mitglied des Wissenschafterteams für das österreichische Instrument MIDAS. Sie arbeitet auch in der Gruppe mit, die für das Experiment COSAC (Cometary Sampling and Composition experiment) auf dem Lander „Philae“ verantwortlich ist. Dieses Instrument soll organische Stoffe auf dem Kometen identifizieren.

Das Wiener Weltraumtechnikunternehmen Austrian Aerospace (heute Ruag Space) lieferte nicht nur die Steuer- und Messelektronik für das Experiment MIDAS. Die Firma zeichnete auch für den Wärmehaushalt der Sonde verantwortlich und lieferte die gesamte Thermische Isolation dafür. Der Auftragswert für das Unternehmen im Rahmen des Rosetta-Projekts belief sich damals auf 6,6 Millionen Euro.

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