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TRANSPARENZ

Open Data: "Wachstumsmarkt für Innovationen"

"Die Weiterverarbeitung öffentlicher Daten ist ein Wachstumsmarkt für Innovationen", sagt Daniel Dietrich, Gründer des deutschen Open Data Networks im Gespräch mit der Futurezone. Die Freigabe von der öffentlichen Hand erhobener, nicht personenbezogener Daten wie etwa Geo-, Umwelt- und Verkehrsdaten oder Daten aus dem Gesundheits-, Bildungs- und Planungsbereich biete zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmen und Wissenschaftler. Durch die Freigabe der Daten in strukturierter Form werde auch die Demokratie gestärkt, ist Dietrich überzeugt.  

Am Mittwochabend ist Dietrich im Rahmen der Diskussionsreihe twenty.twenty der Telekom Austria im Wiener Hub zu Gast, wo er in seiner Keynote skizzieren wird, wie Entwickler mit offenen Daten arbeiten und welche Geschäftsmodelle daraus entstehen können.

Futurezone: Herr Dietrich, Sie werden am Mittwoch in Wien darüber sprechen, wie Entwickler mit Open Data arbeiten können. An welche Anwendungen denken Sie? Mit welchen Beispielen werben Sie für Open Data?

Dietrich: Für mich als Bürger ist wohl alles interessant, was einen Bezug zu meinem Alltag herstellt. Etwa wofür die Verwaltung Geld ausgbit und welche Bauvorhaben in meinem Stadtteil geplant sind. Mich interessieren auch Informationen zu öffentlichen Verkehrsmitteln und wieviele Kindergartenplätze es in meiner Wohngegen gibt. Für diese Informationen sehe ich eine große Chance bei Webanwendungen und auch im mobilen Bereich.

Welche Chancen sehen Sie für die Unternehmen?

Die Datenveredelung ist ein Wachstumsmarkt für Innovationen. Aus der Aufbereitung, der Analyse und dem Mischen der Rohdaten entstehen Anwendungen, die der Bürger benutzen kann und will.  

Die Weiterverarbeitung von Daten des öffentlichen Sektors ist an sich ja nichts Neues. Die Offenheit macht den Unterschied. Das zeigt sich etwa am Beispiel der USA, wo Wetter- und Geodaten gemeinfrei sind, solange sie von Bundesbehörden erstellt wurden.  Jeder kann damit machen was er will. Das hat dazu geführt, dass in diesen Bereichen zwei richtig große und starke Industrien entstanden sind. Die Angebote sind wesentlich attraktiver als in Europa, wo diese Daten nicht gemeinfrei sind, sondern  zu sehr restriktiven Nutzungsbedingungen und  zu hohen Preisen weitergegeben werden. 

Welche Lizenzbedingungen streben sie für Daten des öffentlichen Sektors an?

Es ist wichtig, dass wir einen Lizenzdschungel vermeiden. Es muss einfache und einfach zu verstehende Lizenzen geben. Daten des öffentlichen Sektors sollen natürlich unter offenen Lizenzen stehen, die jedermann die Nutzung zu jedem Zwecke erlaubt - also auch die kommerzielle Nutzung.

Der Staat sollte die Rohdaten erheben, da wo es zur Erfüllung seiner staatlichen Tätigkeit notwendig ist und auch bis zu einem gewissen Grad veredeln um auch die richtigen Schlüsse aus den Daten zu ziehen. Dann sollten diese Daten als Rohdaten zur Verfügung gestellt werden. Kostenfrei und mit offenen Lizenzen. Dann kann die Wissenschaft, die Industrie, Start-ups kommen und diese Daten veredeln, nutzen, auswerten analyiseren und daraus ihre Produkte schaffen.

Ökonomische Studien zeigen, dass der volkswirtschaftliche Nutzen größer ist, wenn die Daten umsonst herausgegeben werden, anstatt sie zu verkaufen. Das ist ein schwieriger Punkt, weil der Nutzen gesamtgesellschaftlich und volkswirtschaftlich, die Kosten aber lokal bei der einzelnen Behörde entstehen. Wenn Daten umsonst herausgegeben werden, die früher verkauft wurden, fallen natürlich auch Einnahmen weg. Da muss die Gesellschaft eine Lösung finden, wie das ersetzt werden kann.

Gehen die Widerstände der Behörden nicht auch darauf zurück, weil mit der Öffnung der Daten ein Kontrollverlust und die Deutungshoheit verloren gehen?

Letztlich geht es ums Geld. Teilweise haben Behörden den Auftrag einen Teil ihres Budgets aus Eigenmitteln zu bestreiten, dazu trägt der Verkauf dieser Daten bei. Das ist grundsätzlich falsch. Aber das ist ein Problem an dem wir uns noch die Zähne ausbeißen werden.

Der Kontrollverlust spielt sicher auch eine Rolle. Es hat oft auch damit zu tun, dass die Behörden wissen, dass ihre Daten nicht perfekt sind. Durch die Veröffentlichung von Rohdaten werden natürlich solche Fehler sichtbar. Deshalb würden die Behörden ihre Daten auch gar nicht so gerne rausgeben, weil dann sichtbar würde, dass es Fehler im Prozess gibt. Aber wenn die Datenqualität für die Erfüllung staatlicher Aufgaben ausreichend ist, dann sind sie auch für die Allgemeinheit gut genug. Ich sehe da das Prinzip von Open Source. Wenn die Quellen offen sind und man Fehler sehen kann, wird man eher dazu kommen, diese Fehler zu beheben.

Steigt mit der Offenheit der Daten auch die Qualität der Demokratie? Genügt die Transparenz an sich um Bürgerbeteiligung zu fördern?

Nein. Das reicht natürlich nicht. Der verbesserte Zugang zu Daten und Informationen hat in erster Linie einen Zweck. Nämlich Entscheidungsträger besser zu informieren. Politiker, aber auch die Wirtschaft und Privatpersonen können bessere Entscheidungen treffen, wenn sie bessere Informationen haben.

Der Zugriff auf Informationen ist ja auch bei der Verwaltung ein Problem. Die haben häufig auch keinen hinreichenden Zugriff auf Daten, etwa auf Informationen von anderen Behörden. Dieser verbesserte Informationsgrad hat in Hinblick auf die Verwaltung und die Politik das Potenzial die Qualität des Handels besser und effizienter zu machen - im Englischen heißt das "good governance". Bessere Politik spart natürlich auch Geld. Transparenz schafft auch Vertrauen. Das ist ein ganz starkes Argument gegen Politikverdrossenheit. Das stärkt die Demokratie.

Open Data sind auch eine Frage der politischen Kultur. Sehen Sie die Bereitschaft zur Freigabe in Ländern wie Deutschland und Österreich gegeben?

Wir haben eine andere politische Kultur und eine andere Mentalität als in den angelsächsischen Ländern, wo es bereits solche Angebote gibt. Dort ist das keine neue Mode. Es herrscht prinzipiell das Verständnis, dass der Staat ein Diener des Volkes ist. Das ist bei uns anders. Denken Sie nur an den preußischen Obrigkeitsstaat. Das ist eine ganz andere Kultur, die mit unserem politischen Erbe mitschwingt.

Wir sind aber dennoch schon sehr weit gekommen. Im Netz bewegt sich sehr viel. Vor allem jüngere Politiker und auch Leute in der Verwaltung haben erkannt, dass Open Data nicht nur eine Bedrohung sondern auch eine Chance darstellen und letztlich zu mehr Vertrauen und Bürgernähe führen.

Die Verwaltung wird man letztlich wohl auch ein bisschen dazu zwingen müssen, weil es natürlich eine Umstellung ist. Das hat auch etwas Psychologisches. Man muss sich mit ganz neuen Ideen und neuen Strukturen anfreunden und zurechtfinden. Es wird aber auch Zeit und Geld kosten. Der Verwaltung wird das teilweise weh tun. In England und den USA hat sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass Open Data der Verwaltung und der Politik nützt. Ich bin mir nicht sicher, ob politische Entscheidungsträger in Deutschland und Österreich das strategische Eigeninteresse schon erkannt haben.

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Open Data in Österreich

Die im April 2010 gegründete Initiative Open Government Data Austria  setzt sich für die Öffnung von Regierungsdaten in Österreich ein.  Mitte Juni findet in Wien erstmals auch eine Konferenz zum Thema Open Government statt

Links:

Open Government Data Austria

Open Government Data Konferenz 

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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