© Harvard School of Engineering and Applied Sciences

Forschung

Roboterfliege schwirrt durch Harvard-Labor

Fliegen mögen unendlich lästig sein. Doch eines muss man ihnen lassen: Sie sind agile, fast grazile Flieger, die sich von Luftströmungen so schnell nicht aus der Ruhe bringen lassen. Und – wie jeder weiß, der schon einmal ergebnislos eine Fliegenklatsche geschwungen hat – reaktionsschnell sind sie auch.

„Wir sehen Fliegen nun mit anderen Augen", erklärt Kevin Ma, einer der Konstrukteure des künstlichen Insekts. „Der Flug einer Fliege sieht so leicht aus. Aber wenn man will, dass sich ein Flugroboter genauso verhält, merkt man erst, wie kompliziert das ist."

Von der Natur abgekupfert
Zwei Jahre lang werkten Kevin Ma und seine Kollegen im Labor der Harvard School of Engineering and Applied Sciences an einer möglichst naturnahen Fliege. Und das ist, wie die Konstrukteure in der aktuellen Ausgabe der Fachschrift „Science" beschreiben, auch in mehrere Hinsicht gelungen: Der Flugroboter ist zwei Zentimeter lang, mit einer Flügelspannweite von drei Zentimetern.

Der Flügelschlag kostete das Konstruktionsteam so manche schlaflose Nacht. „Der Flügelschlag einer Fliege ist unglaublich schnell", erklärt Kevin Ma. „Das führt beim Material bald zu Abnützungserscheinungen." Dieses sowie auch das Problem der Miniaturisierung wurde nach vielen Experimenten mit Materialien gelöst. Die robotische Fliege kann, wie ihre biologischen Schwestern, in der Luft verharren und auch ein paar elegante Flugmanöver durchführen. Bloß eines kann sie nicht: selbständig fliegen.

Eine Fliege an der Leine
Derzeit wird der Roboterwinzling noch per Kabel gesteuert und auch so mit Strom versorgt. „Derzeit endet jeder Flug zwangsläufig mit einem Absturz", erklärt Pakpong Chirarattananon, einer der Konstrukteure. „Denn wir den Strom abschalten, fällt der Roboter eben zu Boden." Zumindest bisher haben die Protoypen die Serienabstürze gut überstanden. „Die Fliege ist sehr klein, das Material ist widerstandsfähig. Meistens geht nichts kaputt."

Genau diese Eigenschaft beeindruckt Robotik-Experten wie Dario Floreano von der ETH-Lausanne. „Bei Flugrobotern in aller Welt verwendet man zunehmend weiche, biegsame Materialien". Das hat zwei Vorteile: „Erstens, man kann die Flügel falten, wenn nötig; und zweitens, wenn ein Flugroboter gegen ein Hindernis stößt, dämpft weiches Material den Aufprall und er nimmt dadurch weniger Schaden."

Fluggeheimnisse lüften
Es hat seinen guten Grund, warum die Konstrukteure der neuen robotischen Fliege mit dem Flugverhalten ihre liebe Not hatten. Denn man kann nicht einfach nachschlagen, wie Insektenflug zustande kommt. Leif Ristroph befasst sich an der New Yorl University mit Biolocomotion. Der Flug von Fliegen interessiert ihn besonders, aber: „Da gibt es vieles, das wir noch nicht verstehen".

Ihn begeistert an der Harvard-Fliege daher die Möglichkeit, Insektenflug in seine Komponenten zerlegen zu können. „Echte Insekten kann man bekanntlich nicht kontrollieren. Aber wenn man bei einem Flugroboter beispielsweise die Flügelbewegung verändert, kann man die Folgen studieren und Neues über Aerodynamik erfahren."

Robo-Fliegen an vorderster Front
Das ist nur eine von vielen künftigen Anwendungsmöglichkeiten, wenn die robotische Fliege einmal unabhängig, ohne Stromkabel fliegen kann.

„Denkbar ist Umweltbeobachtung", meint Kevin Ma. „Eine, mit einem dementsprechenden Sensor ausgestatte Fliege könnte bestimmte Chemikalien registrieren". Bei Naturkatastrophen wie etwa Erdbeben könnten mit Mini-Kameras bestückte Robo-Fliegen in kaputte Häuser hineinfliegen und Überlebende orten. Und wenn man die robotischen Insekten als Schwarm ausschickt, könnten sie gar Nutzpflanzen bestäuben.

Mehr zum Thema

  • Roboter reparieren unterirdische Kanäle
  • Roboter hilft beim Zusammenbau von IKEA-Möbeln
  • Roboter-Unterstützung für die Feuerwehr

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare