© Eliza Grinnell/Harvard School of Engineering and Applied Sciences

Forschung

Roboterschwärme bauen wie Termiten

Das Motto lautete von Anfang an: Je einfacher, desto besser. Der Termitenbot kann an sich nicht viel. Er fährt vorwärts und rückwärts, treppauf, treppab, kann sich im Kreis drehen, einen quadratischen Block transportieren und platzieren. Und er muss vermeiden, dass er nicht mit anderen Robotern, die sozusagen auf derselben Baustelle werken, kollidiert. „Das haben wir auch nach dem Prinzip der Simplizität gelöst,“ erklärt Kirstin Petersen, die die Hardware der Roboter gebaut hat, die auf der derzeit stattfindenden AAAS-Konferenz in Chicago präsentiert wurden. „Die Bots kommunizieren erst gar nicht miteinander, sie gehen einander einfach aus dem Weg. Das funktioniert mit einem Ultraschallelement. Es schickt ein Signal aus, das warnt: He, ich bin hier. Stoß nicht mit mir zusammen“.

Autonom Agieren im Kollektiv

Wenn Termiten ihre Hügel bauen, dann dirigiert sie niemand dabei. Ihr Verhalten ist jeweils durch die Umgebung bzw. durch die Handlung der anderen bestimmt. Das Insekt legte also ein Stückchen Erde dort ab, wo etwas fehlt und versieht es mit Duftstoffen. Das lockt wiederum andere Termiten an, die hier weiterbauen.

„Jeder unserer Roboter hat den Bauplan ins seiner Gesamtheit eingespeichert“, erklärt Justin Werfel, „Er weiß, wie die Struktur aussehen soll. Die individuellen Schritte sind in ihrer Reihenfolge jedoch nicht vorgegeben.“ Es gibt bloß ein paar Verkehrsregeln, die den Termitenrobotern mit auf den Weg gegeben wurden.. „Sie können etwa Blöcke nur auf der gleichen Ebene, auf der sie sich aufhalten, ablegen.“ Abgesehen davon hat ein Bot immer wieder mehr als eine Möglichkeit, sein Bauelement zu platzieren.

Der Vorteil von dezentraler Steuerung

Bisher haben die Roboter nach dieser Methode nichts Komplizierteres als pyramidenähnliche Strukturen gebaut. Bis das reibungslos klappte, hat es vier Jahre gedauert. Und was wäre, wenn man die Roboter durch einen zentralen Computer dirigierte?

„Zentrale Steuerungssysteme sind sicher effizienter“, meint Justin Werfel. „Ein Computergehirn kann die schnellste und beste Bauvariante vorgeben.“ Der Nachteil sei freilich: Wenn ein paar Roboter kaputt gehen, dann muss das System umprogrammiert werden. „In unserem dezentralen System macht das gar nichts. Die funktionierenden Roboter machen weiter wie bisher. Man ersetzt die defekten Bots einfach mit neuen.“

Wenn in einem zentral gesteuerten System womöglich das Computergehirn ausfällt, dann steht das ganze Projekt ohenhin still. „Unser System ist nicht so perfekt. Aber es ist robuster.“

Die neuen Harvard-Roboter dürfen sich hohen Lobes aus den Kreisen der Biologie erfreuen. Judith Korb, Evolutionsbiologin an der Universität Freiburg bezeichnete in einem Kommentar zur Roboterstudie in der aktuellen Ausgabe der Fachschrift "Science" die Termitenroboter als „elegantes System, weil es die autonome Konstruktion beliebiger vordefinierter Strukturen mit einfachen Robotern erlaubt.“

"Dull, dirty dangerous"

Einsetzbar seien die Roboter auf vielfältige Weise, glaubt Justin Werfel. Vor allem in den Bereiche, die man im Englischen als „the three Ds“ bezeichnet: dull, dirty, dangerous. Termitenbots eigneten sich für langweilig repetitive, für schmutzige und gefährliche Tätigkeiten. „Bei einer Überschwemmung könnten die Roboter die Sandsäcke stapeln“. Doch Justin Werfel hat noch viel ehrgeizigere Visionen für seine Bots: „Der Bau einer Unterwasserforschungsstation oder eine Marsbasis ist teuer und gefährlich. Da könne man die Roboter als Vorhut losschicken. Sie bauen Behausungen, und erst dann folgen die Astronauten.“

Das liegt freilich noch in sehr ferner Zukunft. Bis dahin müssen die Termitenroboter noch im Kleinen üben. Als nächstes werden sie so programmiert, dass sie mit Baubestandteilen verschiedener Größe und verschiedener Formen umgehen. Damit werden sie einen einfachen Raum mit einem Dach drauf bauen. Ein schlichtes, einfaches Miniaturhäuschen also.

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Madeleine Amberger

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