Für Putin geht es auch um seinen Gesichtsverlust, falls die Station nicht rechtzeitig fertig wird.
Für Putin geht es auch um seinen Gesichtsverlust, falls die Station nicht rechtzeitig fertig wird.
© EPA/ALEXEY NIKOLSKY /RIA NOVOSTI / KREMLIN POOL

Wostotschny

Russischer Weltraumbahnhof droht zum Debakel zu werden

Hungerlöhne oder gar kein Geld: Die Arbeiter auf der Großbaustelle von Russlands neuem Weltraumbahnhof Wostotschny haben Grund zum Klagen. „Das Gehalt ist gering und kommt selten pünktlich, außerdem sind die Bedingungen hart“, sagt einer der Männer in dem Ort rund 8000 Kilometer östlich von Moskau. Die Stimmung auf der wichtigsten Baustelle des Riesenreichs gelte seit langem als angespannt, aber so schlecht wie derzeit sei sie noch nie gewesen, meint die Zeitung „Moskowski Komsomolez“.

Mit Hungerstreik zum Lohn

Erst mit einem Hungerstreik konnten Arbeiter jetzt erzwingen, dass ihr seit Jahresbeginn ausstehendes Gehalt ausgezahlt wird - eine Nachricht, die nicht passt zu Russlands ehrgeizigen Plänen. Gut ein halbes Jahrhundert nach dem historischen Flug von Raumfahrtpionier Juri Gagarin 1961 soll das Kosmodrom am Amur-Fluss für einen technischen Aufbruch stehen - und auch die oft gehörten Zweifel an Russlands Fähigkeit zur Modernisierung zerstreuen. Von hier aus will die Raumfahrtgroßmacht erstmals einen Kosmonauten zum Mond schicken, Jahrzehnte später soll eine Marsmission folgen.

Vorgesehen ist, dass Präsident Wladimir Putin im Dezember feierlich das Signal für den ersten Raketenstart in Wostotschny gibt. Danach will sich die stolze Raumfahrtnation Schritt für Schritt unabhängig machen vom berühmten Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Russland hat das dortige Areal nur gepachtet und zahlt der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik jährlich 115 Millionen US-Dollar (rund 106 Millionen Euro). Mehr als ein Drittel aller Raumflüge weltweit hoben 2014 von Baikonur ab. Russland verdient seit Jahren viel Geld mit Satellitenstarts und Reisen zur Internationalen Raumstation ISS.

Verschwundene Millionengelder

In Wostotschny ist der Fortschritt knapp fünf Jahre nach Baubeginn unübersehbar. Stahlgerippe zahlreicher Rampen ragen in die Höhe, Straßen sind gebaut und Leitungen verlegt, wie Fotos zeigen. Die gesamte Infrastruktur muss erst geschaffen werden, viel Material wird von weit hertransportiert, und das Klima ist ungünstig. Es ist ein Jahrhundertprojekt. Aber auch Negativschlagzeilen reißen nicht ab.

Der Rechnungshof beklagt, dass Staatsgelder in Millionenhöhe unauffindbar seien. Ein früherer Bauleiter sitzt wegen des Verdachts der Unterschlagung in Haft. Und um das Kosmodrom pünktlich fertigzustellen, würden Tausende Fachkräfte fehlen, meinen Experten. Direktor Igor Komarow von der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos räumte vor wenigen Tagen ein, dass ein Teil der Bauarbeiten wegen Schlamperei und Fehlplanung bis zu vier Monate im Verzug ist.

Staatsspitze will Bau durchdrücken

Vizeregierungschef Dmitri Rogosin reagierte prompt und ordnete eine Erhöhung der Arbeiterzahl von 5700 auf mehr als 7000 an. Zudem sollen Hunderte Studenten auf der Baustelle an der chinesischen Grenze Dienst tun - in der sowjetischen Tradition von Brigaden. Es gehe um „wertvolle Fachpraxis“, meint Leonid Stawizki vom Bauministerium. Die Wirtschaftskrise ist nicht unschuldig an den Problemen. Russlands Konjunktur ächzt unter dem niedrigen Ölpreis und den westlichen Sanktionen im Ukraine-Konflikt.

Trotzdem versprüht die Staatsspitze Euphorie. Wostotschny erlaube die „völlige Unabhängigkeit der russischen Raumfahrt“, betont Putin. Er erinnert an die neue moderne Trägerrakete Angara, die Russland zum Marktführer machen soll.
Und doch ist auch Nervosität spürbar. Regierungschef Dmitri Medwedew forderte seinen Stellvertreter Dmitri Rogosin jetzt auf, sich persönlich um die Probleme im Fernen Osten zu kümmern. Es gehe um ein Prestigeprojekt, das das Ansehen des Landes international aufwerte. Wostotschny sei schließlich nicht nur „das Tor zum Kosmos“, meint Medwedew - sondern auch „das Schaufenster für ein modernes Russland“.

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