Funktionsschema von Nervousnet
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Mobilgeräte

Schweizer Forscher will globales Sensornetzwerk starten

Schon heute sind mehr eigenständige Geräte mit dem Internet verbunden als von Menschen bediente Computer, in zehn Jahren sollen es 150 Milliarden sein. Die zahlreichen Sensoren solcher Geräte und Smartphones will Dirk Helbing von der ETH Zürich mit einem "planetaren Nervensystem" verbinden, um ihre Daten verfügbar zu machen. Bei einer Konferenz in Wien erläutert er diese Woche seine Pläne.

Smartphones als Messinstrumente

An diesem planetaren Nervensystem arbeite er mit Kollegen schon seit ein paar Monaten und bald könne man sich mit einer Smartphone-App darin einklinken. "Im ersten Schritt wird das planetare Nervensystem ausschließlich die Sensoren verwenden, die in den Smartphones selber sind", erklärte der promovierte und habilitierte theoretische Physiker, der an der ETH Zürich einen Lehrstuhl für Soziologie innehat, im Gespräch mit der APA. Aktuell seien das etwa fünfzehn, unter anderem solche zur Messung der Helligkeit und Beschleunigung.

"Damit die Privatsphäre der Nutzer unbehelligt bleibt, filtern wir zum Beispiel die Mikrofonsignale so, dass nur die Lautstärke gemessen wird und keine Wörter hörbar sind", so Helbing. Außerdem sei bei jedem Sensor einstellbar, ob man die Messungen nur für sich selber verwenden oder für "kollektive Messprozesse" teilen möchte.

Internet of Things als Chance

Später könne man auch zahlreiche andere Messfühler von Geräten anschließen, die mit dem Internet verbunden sind. "Rund um uns gibt es jetzt immer mehr Sensoren: etwa in Kaffeemaschinen, im Kühlschrank, der Zahnbürste, den Schuhen und im Feueralarm", sagte Helbing. Das planetare Nervensystem solle von den Bürgern selber aufgebaut und betrieben werden, damit sie die Kontrolle über ihre Daten behalten. "Ich glaube, es würde sich keiner wohlfühlen, wenn all die Daten von den Sensoren rund um uns von einer Firma oder vom Staat gesammelt würden", meinte Helbing.

Als "Bürgernetzwerk" solle das planetenumfassende Nervensystem dafür sorgen, dass Entscheidungsträger, Wirtschaft, Wissenschafter und Bürger anhand der zahlreichen Messdaten ein umfassendes Bild der Realität in Echtzeit erhalten und bessere Entscheidungen fällen können. "Irgendwann sind wir dann auch nicht mehr auf die Daten einzelner Firmen wie Facebook und Google angewiesen, von denen sie ja nur die wenigsten wieder herausrücken", so Helbing.

Vortrag in Wien

Die "Nervousnet" genannte Plattform könne als "Informations-, Innovations- und Produktions-Ökosystem" ein Katalysator für exponentielles Wachstum von Neuentwicklungen sein, meint er. "Das planetare Nervensystem ist unter anderem ein Versuch, neue kreative Jobs in Zeiten zu schaffen, in denen die digitale Revolution wahrscheinlich 50 Prozent der klassischen Jobs in der Industrie und im Servicesektor eliminieren wird", erklärte der Forscher.

Helbing spricht bei der Konferenz "The Information Society at the Crossroads", die vom 3. bis 7. Juni an der Technischen Universität (TU) Wien stattfindet und von der International Society for Information Studies (IS4IS) organisiert wird. Über 400 internationale Wissenschafter werden dabei diskutieren, welche gesellschaftlichen Folgewirkungen die Informationstechnologie haben wird.

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