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FH Oberösterreich

Selbstfahrende Autos: "Ich würde noch nicht einsteigen“

Selbstfahrende Autos sind gerade in aller Munde. Nicht nur große US-Firmen wie Google arbeiten an automatisierten Fahrzeugen, auch in Österreich wird viel in die Technik investiert. Was oft verschwiegen wird, ist, dass es in dem Bereich noch einige ungelöste Herausforderungen gibt. Gerald Ostermayer, der am Campus Hagenberg der Fachhochschule Oberösterreich im Bereich vernetzte Mobilität forscht und in Zukunft auch am neu startenden Studiengang “Automotive Computing” lehren wird, spricht im futurezone-Interview über offene Fragen, Potenzial und seine eigene Bereitschaft, die Hände vom Lenkrad zu nehmen.

Gerald Ostermayer

Es gibt derzeit einen regelrechten Hype um selbstfahrende Autos. Sind wir technisch tatsächlich schon so weit, wie uns euphorische Berichte glauben machen wollen?
Die Technik ist schon relativ weit. Unter anderem haben Google-Autos bereits mehrere Millionen Meilen abgespult und fahren im Testbetrieb im echten Verkehr.

Welche Konzepte gibt es beim automatisierten Fahren?
Grundsätzlich gibt es hier zwei. Autonomes Fahren, bei dem sich das Auto auf Informationen bezieht, die es selbst sammeln kann, und vernetztes Fahren, bei dem Autos zusätzlich miteinander und mit smarter Infrastruktur kommunizieren.

Welche Variante wird sich durchsetzen?
Ich bin überzeugt, dass die Zukunft im vernetzten und kooperativen Fahren liegt. Eine Möglichkeit für den Schwerverkehr ist z.B. das Platooning. Hier kommunizieren die LKW in einer dichten Kolonne miteinander, weil die Sensorik an Bord alleine nicht ausreicht, wenn die Abstände so kurz werden.

Würden Sie einem heutigen System im österreichischen Winter vertrauen, bei Nebel, Eis und Schnee?
Ich persönlich würde noch nicht einsteigen. Ich glaube nicht, dass die Technik solchen Bedingungen schon gewachsen ist. Ich sehe aber natürlich nicht hinter die Türen der großen Player.

Wann werden wir selbstfahrende Autos auf den Straßen sehen?
Ich kann nicht in die Zukunft schauen aber ich glaube nicht, dass selbstfahrende Autos in Österreich bis 2020 im regulären Verkehr im Betrieb sind. Aber Vorbereitungen sind schon im Gange – etwa die neue Verordnung über Teststrecken für selbstfahrende Autos in der Steiermark ab 2017.

Werden die US-Techkonzerne den Autobauern den Rang ablaufen?
Ich glaube, Firmen wie Google und Apple sind in manchen Bereichen - etwa Data Analytics - sehr weit, in anderen wie Fahrzeugherstellung aber weniger. Bei den großen Autobauern ist es genau umgekehrt. Diese müssen in Bereichen wie Digitalisierung und Datenanalyse rasch aufholen, um ihre Marktposition halten zu können.

Selbstfahrende Autos sind schon auf Teststrecken unterwegs. Werden Sie jemals den Verkehr in einer Stadt wie Neu-Delhi meistern können?
Es sind nicht nur Autos auf der Straße. Das Verhalten von Fußgängern und Fahrradfahrern ist schwer vorhersehbar. Die Sicherheit in diesem Trubel ist derzeit nicht da. Bis selbstfahrende Autos flächendeckend auf der ganzen Welt verfügbar sind, wird es also noch lange dauern. Aber irgendwo muss man anfangen. Auf einer Autobahn, wo es ohne Kreuzungen nur in eine Richtung geht, tue ich mir viel leichter.

Auch ethische Fragen werden immer wieder als Hemmschuh genannt.
Ethisch gibt es von der Gesetzgeberseite her noch einiges zu klären. Derzeit fehlen belastbare Daten was die Unfälle angeht, weil automatisierte Fahrzeuge noch nicht lange unterwegs sind und es zu wenige Fahrzeuge gibt. Wenn wir stabile Daten haben, werden wir sie mit menschlichem Fahrverhalten vergleichen. Wenn wir dann sehen, dass automatisierte Systeme nur halb so viele Unfälle haben, kann man beginnen daraus etwas abzuleiten und gewisse Grundfragen zu klären. Man muss aber aufpassen. Zahlen werden nicht immer ausreichen. Wenn ein Tesla Autopilot Daten falsch interpretiert, wird es heißen, “das wäre einem Menschen nicht passiert”. Dann ist es schwer, mit Zahlen zu argumentieren.

Die Medienberichterstattung spielt hier wohl auch eine Rolle.
Wenn ein Tesla brennt, ist das eine medial ausgeschlachtete Katastrophe, auch wenn statistisch mehr Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren Feuer fangen. Wenn automatisiertes Fahren alltäglich wird, verschwindet dieser Sensationalismus, dann werden nackte Zahlen wichtiger.

Soll ein autonomes Fahrzeug in einer Notsituation einen Opa oder ein Kind überfahren?
Fragen, ob ein Auto eine Schulklasse überfahren oder man selbst lieber das Auto gegen die Wand fahren soll, sind wichtig. Jemand muss entscheiden. Entweder der Mensch oder das Auto trifft die Entscheidung - hier brauchen wir einen öffentlichen Diskurs. Es stellt sich etwa die Frage, ob wir überhaupt wollen, dass Rechner entscheiden, ob der Opa oder der Enkel überfahren wird.

Menschen könnten also auch am Steuer bleiben?
Auch Menschen müssen diese Entscheidungen treffen. Das passiert meist unterbewusst. Wenn es darum geht, ein Kind oder einen Opa zu überfahren, ist die Zeit zum Überlegen kurz. Wenn ich aber Zeit habe, zu überlegen, beim Bau eines Systems, kann ich solche Situationen bewerten. Ich könnte sagen, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit das Kriterium ist. Auch eine zufällige Entscheidung wäre möglich, das würde ich aber nicht gut finden.

Sind die Sicherheitsfragen schon geklärt?
Das erforschen wir unter anderem in unserem Projekt “Connected Vehicles”. Das Thema hat mehrere Aspekte. Einer ist sicher „Safety“, also Betriebssicherheit, der andere „Security“, also Datensicherheit. Wenn ein Vorderauto sagt, bremse, könnte dieser Befehl von Hackern manipuliert werden. Die Privatsphäre ist auch ein nicht vollständig gelöstes Problem. Ein Auto hinterlässt einen Datenfußabruck und erlaubt etwa Rückschlüsse auf Wohnort und Job.

Wie wirken sich selbstfahrende Autos auf die Verkehrssysteme aus?
Die Organisation des Verkehrs im Straßennetz muss ebenfalls optimiert werden, das ist der dritte Aspekt unseres Forschungsprojekts „Connected Vehicles“. Wir wollen wissen, wie viel Verkehr ein Straßennetz verträgt. Das Auto soll dynamisch die optimale – d.h. zeit- und ressourcenschonendste – Route finden. Wenn sich ein Stau ankündigt, sollen natürlich die Autos nicht dorthin gelotst werden, aber es dürfen auch nicht alle dieselbe Umleitung nutzen, sonst verbessert sich die Situation nicht.

Gibt es schon Ergebnisse?
Wir werden keine 100 % selbstfahrenden Autos haben. Ein Ferrari-Fahrer wird auch in Zukunft selber fahren wollen. Das heißt, es wird noch lange menschliches Fahrverhalten im Verkehr geben. Wir haben also ein bestehendes Modell für menschliches Fahrverhalten weiterentwickelt und können damit verschiedene Szenarien durchspielen. Dabei haben wir festgestellt, dass wenn wir automatisiert fahrende Autos einführen, wir den Spritverbrauch bzw. die Emissionen um 30-40% je nach Verkehrsszenario verringern können. Je mehr automatisierte Autos es gibt, desto effizienter lässt sich der Verkehr organisieren. Es gibt aber einen Punkt, ab dem die Verbesserungen vernachlässigbar sind. Unsere Modelle sagen, dass der Verkehr 10 bis 20 Prozent menschliche Fahrer schon verträgt.

Was soll im neuen Studiengang vermittelt werden?
Im Bachelorstudiengang Automotive Computing, der derzeit in der Implementierungsphase ist, geht es um die IKT-Aspekte der Vernetzung von Fahrzeugen. Bei vernetzter Mobilität spielen Kommunikation, Effizienz, Sicherheit und Infotainment eine Rolle. Software ist ein zentraler Teil dieser Entwicklung. Hier setzen wir in Hagenberg an.

Infos zum FH OÖ-Studiengang Automotive Computing // Infos zur FH OÖ-Forschungsgruppe Networks and Mobility

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Oberösterreich entstanden.

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