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Autonome Züge

"Technische Systeme reagieren manchmal undefiniert"

Autonome Transportmittel liegen im Trend. Autos, Schiffe und Flugzeuge sollen, zumindest laut den Werbebroschüren vieler Firmen, am besten schon morgen ohne menschliches Zutun von Computern gelenkt werden. Der tatsächliche Durchbruch der vollautomatisierten Fortbewegung wird aber auf der Schiene beginnen. “Erste sogenannte ‘People Mover’ gibt es hier schon. Die Schiene hat den Vorteil, dass die Fahrzeuge sich in einer relativ geschützten Umgebung bewegen können und viele Faktoren, die im Straßenverkehr beachtet werden müssen, hier keine Rolle spielen. Deshalb werden autonome Fahrzeuge die Schiene vor der Straße erobern”, sagt Walter Sebron von der FH Campus Wien der futurezone.

Hans Tschürtz

Diese Vorteile gelten zwar für Straßenbahnen nur begrenzt, aber U-Bahnen sowie Regional- und Fernzüge bieten sich für selbstfahrende Systeme an. Das heißt aber nicht, dass in den kommenden Jahren eine Vollautomatisierung der entsprechenden Verkehrsnetze zu erwarten ist. “Es gibt aus wissenschaftlicher Sicht noch viele Problemfelder, eines davon ist die Systemsicherheit. Maschinen können heute nicht jede Situation beherrschen und reagieren deshalb manchmal undefiniert. Die Erkennung der Umgebung funktioniert auch noch nicht ausreichend und die Ausfallsicherheit der dafür notwendigen Technologien muss verbessert werden”, sagt Hans Tschürtz von der FH Campus Wien.

Teststrecken

Deshalb macht das VISSE in enger Zusammenarbeit mit dem Masterstudium Safety and Systems Engineering die Systemsicherheit bei selbstfahrenden Schienenfahrzeugen zum Forschungsvorhaben. Dabei verfolgen die FH-Forscher einen völlig neuen Ansatz: den der inhärenten Systemsicherheit. Im Gegensatz zur funktionalen Systemsicherheit, bei der Sicherheitsmechanismen in das System hinzugefügt werden, geht es bei der inhärenten Systemsicherheit darum, den Faktor Sicherheit in jedes noch so kleine beteiligte Subsystem einzuplanen - von Anfang an. Einen ersten Schritt macht die FH mit einem Safety-Konzept für Nebenbahnen, die teilweise sogar nur eingleisig geführt werden, ähnlich der Nebenstrecke nach Kaltenleutgeben. Das dreijährige Forschungsprojekt „AuSoDoTS - Safety Konzept für autonome, schienengebundene, on-demand, open-track Systeme“ wird von der Stadt Wien, MA 23, gefördert.

Walter Sebron

Mit einem automatisierten Betrieb rund um die Uhr und bei Anbindung an das restliche Nahverkehrssystem könnten Nebenstrecken, die als unrentabel gelten, wieder ökonomisch betrieben werden, hoffen die Forscher. In einem nächsten Schritt soll im Projekt Open.Rail.Lab eine 25 Kilometer lange Teststrecke für autonome Züge eingerichtet werden, zwischen Friedberg in der Steiermark und Oberwart im Burgenland. Auch hier ist die FH Campus Wien federführend beteiligt, die Eröffnung ist für Juni 2018 geplant. „Auf der Strecke sollen für das autonome Fahren geeignete Technologien entwickelt und getestet werden. In diesem Projekt sind mehrere Phasen vorgesehen um schrittweise am Thema autonomes Fahren zu arbeiten und die notwendigen Sicherheitsaspekte in die Systeme zu integrieren“, sagt Tschürtz.

Lokführer bleiben

Darüber hinaus gibt es von den Betreibern von Schienenfahrzeugen bereits Interesse an Lösungen für komplexere Anforderungen. “Wir erwarten, dass nach U-Bahnen auch der Regional- und Fernverkehr und schlussendlich die Straßenbahnen automatisiert werden, weil das wirtschaftliche Vorteile bringt. Aber die Lokführer werden uns noch viele Jahre lang erhalten bleiben”, sagt Sebron, „denn es gibt noch einige offene Fragen, die geklärt werden müssen.“

Den Menschen wird es in der Anfangsphase des autonomen Fahrens zumindest noch in Ausübung einer Kontrollfunktion geben müssen. Denn viele technische Probleme sind derzeit einfach nicht befriedigend lösbar. “Hier gibt es klare Grenzen, vor allem die flexiblen Elemente, wie Autos, Fußgänger oder auch Wildtiere, sind Herausforderungen”, sagt Sebron. Die Sensoren sind den Herausforderungen auch noch nicht bei allen Bedingungen gewachsen. “Bei starkem Regen oder Schneefall versagt die heutige Sensorik. Es wird dauern, bis hier befriedigende Lösungen gefunden werden”, sagt Tschürtz.

Komplexe Systeme

Genau daran wird an der FH Campus Wien gearbeitet. “Wir müssen solche Situationen durchdenken und Konzepte entwickeln. Es geht darum, wegzukommen von der funktionalen Sicherheit, die bei Problemen einen Notausknopf vorsieht, hin zu inhärenter Systemsicherheit, die darauf setzt, Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen. Diese Konzepte müssen in Zukunft mehr berücksichtigt werden und ich glaube, dass Österreich hier eine Chance hat, sich einen Vorsprung zu erarbeiten”, sagt Tschürtz.

Angedacht werden selbst Lösungen, die sich von heutigen Konzepten unterscheiden. So wird auch die Security-Dimension der Thematik mit berücksichtigt. „Es wäre denkbar, dass wir die Systeme gar nicht ans Internet hängen, sondern ein unabhängiges System implementieren, das die Kommunikation zwischen Zügen und der Infrastruktur übernimmt. Dann wären vor allem Cyberattacken deutlich schwieriger. Dennoch liegt der Forschungsfokus des VISSE auf dem Thema Safety. Dabei geht es um die Gesamtsicht aller beteiligten Systeme - und wir reden mittlerweile von einer Vielzahl an beteiligten Systemen, die jedes für sich betrachtet werden müssen. Dadurch lassen sich viele Probleme früh vermeiden und intelligente Lösungen finden“, sagt Sebron.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Campus Wien entstanden.

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