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Physik

Teilchenkollisionen: Richtung ändert Materialeigenschaft

Wie die Richtung von Teilchenkollisionen die Eigenschaften eines Materials beeinflusst, haben Tiroler Physiker in einem Experiment beobachtet. Sie verwendeten dazu ein ultrakaltes Quantengas aus Erbiumatomen und hoffen, mit solchen Versuchsanordnungen einmal die Eigenschaften neuer Quantensysteme verstehen zu können, berichten sie im Fachjournal "Science". Um die komplexen Vorgänge in Materialien zu beschreiben, greift die Wissenschaft zu Konzepten: Ein solches ist die sogenannte Fermi-Fläche. Sie beschreibt die Energiezustände der Elektronen; von diesen Zuständen hängen zum Beispiel die Eigenschaften eines Metalls ab, seine Leitfähigkeit, Wärmekapazität und sein Magnetismus.

Elektronen sind sogenannte Fermionen. Das heißt, sie haben einen halbzahligen Spin (Eigendrehimpuls), so wie etwa auch Quarks oder Neutrinos. Nach dem vom österreichischen Physiker Wolfgang Pauli (1900-1958) formulierten Ausschlussprinzip dürfen zwei Fermionen am gleichen Ort nicht einen identischen Quantenzustand besetzen - im Fall der Elektronen etwa das gleiche Energieniveau haben. Stoßen solche fermionischen Teilchen aus allen möglichen Richtungen mit der gleichen Kraft zusammen - die Wissenschafter sprechen dann von "isotropen Wechselwirkungen" - ergibt die Fermi-Fläche die Form einer Kugel. "Das ist in der Natur der Normalfall und bildet die Basis vieler physikalischer Phänomene", erklärte Francesca Ferlaino vom Institut für Experimentalphysik der Uni Innsbruck und eine der wissenschaftlichen Direktoren am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften in einer Aussendung.

Sind die Zusammenstöße in bestimmten Richtungen aber heftiger bzw. leichter ("anisotrope Wechselwirkung"), verändert dies das physikalische Verhalten eines Systems völlig. Diese Form der Wechselwirkung deformiert die Fermi-Fläche zu einem Ellipsoid. Genau so eine Deformation konnten die Innsbrucker Forscher nun erstmals beobachten.

Und zwar in einem komplizierten Versuchsaufbau, in dem fermionische Atome des Elements Erbium in einer Falle aus Laserlicht gefangen und bis nahe zum absoluten Temperatur-Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) abgekühlt werden. Erbium ist ein stark magnetisches Seltenerdemetall mit richtungsabhängiger Wechselwirkung. "Wir konnten damit erstmals zeigen, dass die Eigenschaften eines Vielkörperquantensystems von der Geometrie der Wechselwirkung der Teilchen, also Richtung und Stärke der Teilchenkollisionen abhängt", sagte Ferlaino im Gespräch mit der APA. Wie diese Beeinflussung vonstattengeht, sei eine sehr generelle Frage, die Physiker vieler unterschiedlicher Fachgebiete interessiere, etwa im Bereich Hochtemperatur-Supraleitung. Ultrakalte Quantengase könnten hier einmal mehr als Testfeld für die Simulation komplexer Szenarien dienen. "Nur wenn wir verstehen, wie die Wechselwirkung der Teilchen das Quantenmaterial beeinflusst, können wir Aussagen über mögliche Eigenschaften neuer Materialien machen", so die Physikerin.

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