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Durchbruch

TU Wien entwickelt neues Material am Computer

Welche Eigenschaften ein Material hat, lässt sich heute am Computer berechnen, noch bevor es überhaupt physisch hergestellt wird. An der TU Wien wurde bei solchen Computersimulationen nun eine neue Klasse von exotischen Materialien gefunden. Sie sind magnetisch, leiten aber keinen elektrischen Strom. Interessant sind solche Materialien auch deshalb, weil ihre elektronische Struktur von außen durch ein Magnetfeld manipuliert werden kann – so könnte man möglicherweise Linsen bauen, deren Brechungsindex durch ein Magnetfeld stufenlos steuerbar ist.

Die Elektronen bestimmen das magnetische Verhalten
Magnetismus wird vom Verhalten der Elektronen im Material bestimmt. Jedes Elektron hat eine magnetische Richtung – den Elektronenspin. „In einem Permanentmagneten beeinflussen sich diese Spins gegenseitig so, dass sie alle in dieselbe Richtung zeigen – so entsteht ein starkes makroskopisches Magnetfeld", erklärt Professor Peter Mohn vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien.

Ob sich die Elektronenspins allerdings frei im Material ausrichten können, hängt von der Art der Atombindungen ab. Wenn zwei benachbarte Atome eine Bindung eingehen und sich zwei Elektronen teilen, zeigen diese beiden Elektronenspins normalerweise in genau entgegengesetzte Richtungen – zum Magnetismus können sie dann nicht beitragen. Gibt es hingegen in einem Material viele ungepaarte Elektronen, kann es ein starkes magnetisches Moment aufweisen.

Gemeinsam mit Peter Mohn berechneten seine Doktoranden Christoph Gruber und Pedro Osvaldo Bedolla–Velazquez Materialeigenschaften in aufwändigen Computersimulationen. Die Arbeit fand im Rahmen des Spezialforschungsbereichs „Vienna Computational Materials Laboratory" (ViCoM) statt.

Tauschen und Teilen
„Wir untersuchten Bariumtitanat, ein Material, in dem alle Bindungen abgesättigt sind – alle Elektronen kommen in Paarbindungen vor", sagt Peter Mohn. „Es ist daher nicht magnetisch." Bariumtitanat ist ein würfelförmiges Gitter aus Barium-, Titan- und Sauerstoffatomen. Das Forschungsteam berechnete, wie sich Materialeigenschaften ändern, wenn man manche der Sauerstoffatome durch Kohlenstoff ersetzt. Kohlenstoff hat zwei Elektronen weniger als Sauerstoff, deshalb sind in der kohlenstoffhaltigen Variante nicht mehr alle Elektronen gepaart. „Wie wir vermutet hatten, führt das dazu, dass dieses Material nun ein magnetisches Moment aufweist", sagt Peter Mohn. „Unsere Rechnungen zeigen ganz klar, dass tatsächlich der Kohlenstoff dieses magnetische Moment trägt – und das, obwohl Kohlenstoff sonst niemals magnetisch ist." Ähnliches Verhalten zeigt sich, wenn man statt Kohlenstoff Bor oder Stickstoff verwendet.

Magnetische Isolatoren
Überraschend war allerdings, dass sich die elektrischen Eigenschaften des Materials nicht maßgeblich änderten: „Man hätte vermuten können, dass das Material, wenn es magnetisch wird, in einen metallischen Zustand übergeht und elektrischen Strom leitet", erklärt Peter Mohn. „Doch es bleibt nach wie vor ein Isolator." Dadurch wurde eine höchst interessante neue Klasse von Materialien entdeckt. Es ist zu vermuten, dass dieses bemerkenswerte Zusammenspiel von magnetischen und elektrischen Eigenschaften nicht nur bei Bariumtitanat festzustellen ist, sondern auch in anderen, ähnlichen Kristallen.

Auf dem Weg zur Super-Linse?
Die Hoffnung der Forschungsgruppe um Peter Mohn ist nun, dass sich aufgrund der eigenartigen elektromagnetischen Eigenschaften dieses Materials der Brechungsindex des Kristalls durch ein äußeres Magnetfeld steuern lässt. „Damit könnte man optische Linsen bauen, deren Brennweite flexibel einstellbar ist – ganz ohne mechanischen Zoom, wie man ihn aus der Fotokamera kennt", spekuliert Mohn. Inwieweit das möglich ist, wird sich in künftigen Forschungen herausstellen.

Gewaltige Rechenkapazität
Quantenmechanische Simulationen dieser Art sind extrem rechenintensiv. Die TU Wien (und auch die Universität Wien, mit der auf diesem Gebiet viele Kooperationen bestehen) gilt international als wichtiges Zentrum der numerischen Materialwissenschaft. Das Team von Peter Mohn verwendete für seine Berechnungen das Vienna ab initio simulation package (VASP) – ein in Wien entwickeltes Softwarepaket, das mittlerweile auf der ganzen Welt angewandt wird. „Außderdem haben wie hier an der TU Wien einen äußerst leistungsfähigen Computercluster – den VSC-2", sagt Peter Mohn. „Diese Rechenpower ist entscheidend, wenn man in der Materialwissenschaft international vorn dabei sein möchte."

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