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Technologiegespräche

Wasserstoffautos: "Der Durchbruch hat begonnen"

Wasserstoff ist eine effiziente Alternative zu fossilen Brennstoffen und ist bei nachhatiger Produktion absolut umweltverträglich. Bislang gibt es aber weder Autos in größerer Stückzahl noch die Infrastruktur zur Produktion und Verteilung in ausreichendem Maßstab. Mit den ersten Serienautos mit Brennstoffzelle soll sich das jetzt langsam ändern. Bei den Technologiegesprächen beim Forum Alpbach wird heuer diskutiert, ob der Wasserstoff-Durchbruch bevorsteht. Gesprächsteilnehmer Klaus Bonhoff, der auch Geschäftsführer der Now GmbH ist (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie), hat der futurezone vorab einige Fragen beantwortet.

Klaus Bonhoff
Wann kommt der Durchbruch für Wasserstoff?
Der Punkt ist, dass wir die Umweltziele für den Verkehrssektor mit Verbrennungsmotoren nicht erreichen können, weder was CO2-Einsparungen noch was die Energiebilanz angeht. Wir brauchen Elektromobilität und strombasierte erneuerbare Kraftstoffe; dazu gehören Batterien und Brennstoffzellen sowie Strom und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen. Die Markteinführung von Serienautos haben Toyota und Hyundai soeben begonnen. Der Erfolg muss über den Massenmarkt kommen, wir reden da von zehntausenden bis hunderttausenden produzierten Autos pro Jahr.

Von welchem Zeithorizont reden wir?
Es wird fünf bis zehn Jahre dauern, bis wir eine Million Wasserstoffautos auf dem Markt haben. Das wird sich ähnlich entwickeln wie beim den Hybridautos, da gab es auch zuerst nur wenige in Japan vor dem weltweiten Durchbruch. Heute sind Hybridautos Standard.

Was fehlt den Autozellen noch?
In den letzten fünf bis zehn Jahren gab es viele technische Fortschritte. Performance und Zuverlässigkeit sind jetzt hoch genug für den Massenmarkt, die Kosten sind aber noch zu hoch.

Wenn die Markteinführung nicht bald gelingt, wird der Vorsprung der Akkutechnik nicht irgendwann doch zu groß?
Die Theorie, dass eine mögliche Wunderbatterie den Wasserstoffantrieb obsolet macht, halte ich für falsch. Ich sehe auf absehbare Zeit keine rein batterie-elektrische Mittelklasse-Limousine, die im Alltag 500 Kilometer schafft und in zehn Minuten geladen ist. Wir brauchen beide Technologien und müssen die Infrastrukturen parallel aufbauen, das ist auch leistbar.

Sie haben also nichts dagegen, wenn Forschungsgelder in die Akku-Technologie fließen?
Natürlich nicht – im Gegenteil. Zudem hat jedes Brennstoffzellenfahrzeug auch eine Hochleistungsbatterie an Bord. Der Trend bei den Herstellern geht zu starker Brennstoffzelle plus schwächerem Akku für die Rekuperation. Die Systeme werden immer stärker konvergieren.

War die Erwartungshaltung gegenüber Wasserstoffautos in der Vergangenheit zu groß?
Schon Ende der 90er gab es erste Prototypen, die Erwartung war eine schnelle Serienproduktion. In der Euphorie wurden die technischen Herausforderungen damals unterschätzt. Heute ist die Hardware so weit und die großen Hersteller entwickeln für die Serie. Die ersten Fahrzeuge sind im Markt und Daimler beispielsweise hat die Markteinführung für 2017 angekündigt.

Macht das Sinn, ohne dass es entsprechende Tankstellennetze gibt?
Jedem ist klar, dass Autos nur verkauft werden können, wenn sie betankt werden können. Das ist vor allem eine Frage des Wollens. Die Infrastrukturausrüster sagen immer, Infrastruktur rechne sich nicht, weil es keine Autos gebe. Die Autohersteller argumentieren genau umgekehrt. Industrie, Politik und Gesellschaft können dieses Dilemma auflösen, wenn der Wille da ist. In Deutschland haben wir mit der H2-Mobility Initiative genau dies getan.

Gibt es Einigkeit was die Speicherung angeht?
Der größte Durchbruch der vergangenen zehn Jahre war die Einigung der Autoindustrie auf die Druckgasspeicherung. 700 bar Druckgasspeicherung sind derzeit der Standard, wir haben eine gemeinsame Lösung was Sicherheits- und Betankungsstandards angeht. Ein Toyota braucht denselben Tankstutzen wie eine BMW oder ein Mercedes.

Gibt es noch Probleme wegen der Neigung von Wasserstoff zu diffundieren?
Die Tanks sind heute technisch dicht. Was die Speicherdichte anbeht gibt es sicherlich noch eine Wunschliste, an der weiter geforscht wird. BMW etwa arbeitet an Cryodrucktanks, die aber noch nicht kommerzialisierungsreif sind.

Ist Wasserstoff ein sicherer Treibstoff?
Ja. Die Fahrzeuge haben den normalen Zulassungszyklus inklusive Crashtests hinter sich. Es gibt Sicherungen, die Wasserstoff im Notfall kontrolliert abblasen. Da er sehr leicht ist, entweicht er direkt nach oben, das kann sogar ein Vorteil gegenüber Benzin sein.

Wie ist die Reichweite eines modernen Wasserstoffautos?
Toyota schafft ca. 550 Kilometer pro Tank. Laut Faustregel entspricht ein Kilogramm Wasserstoff etwa 100 Kilometern. Die Tanks fassen etwa fünf Kilogramm, die Befüllung dauert etwa drei Minuten.

Wenn ich heute ein Wasserstoffauto kaufe, kann ich den Alltag damit schon bewältigen?
In Österreich ist das noch schwierig, weil es fast keine Tankstellen gibt (Jeweils eine in Wien, Graz, Linz und Innsbruck, Anm. d. Red.). In Deutschland werden derzeit erste kleine Netzwerke in Ballungszentren entwickelt, es gibt derzeit etwa 20 Tankstellen, nächstes Jahr sollen es schon 50 sein. Insgesamt wollen wir im ersten Schritt fünf bis zehn Tankstellen pro Ballungszentrum und ausreichende Fernstraßenabdeckung umsetzen, um danach in die Fläche zu gehen.

Also sollen die Menschen noch warten, bevor sie sich Wasserstoffautos zulegen?
Den Toyota Mirai gibt es derzeit nur in Japan und den USA, er kommt im Herbst in ausgesuchte Märkte in Europa. Eine Anschaffung ist wohl erst in einigen Ballungszentren sinnvoll. In Berlin oder Hamburg ginge das aber schon bequem.

Ist die Infrastruktur nicht teuer?
In den führenden Ländern Japan, USA und Deutschland und auch in China und Südkorea ist die öffentliche Hand am Aufbau beteiligt. Auch die EU fördert den Ausbau entlang der europäischen Hauptverkehrsachsen. In der IPHE (International Partnership for Hydrogen and Fuel Cells in the Economy) vernetzen sich die Partner zudem international, auch Österreich ist seit 2014 dabei.

Können wir die Nachfrage nach Wasserstoff überhaupt abdecken?
Der Bedarf ist für die kommenden Jahre aus bestehenden Quellen abbildbar, langfristig brauchen wir aber einen starken Ausbau von Photovoltaikanlagen und Windkraft, um nachhaltigen Wasserstoff zu erzeugen. Die Energiebedarfsdiskussion geht heute meist nur von Strom aus, nicht von zusätzlicher Kraftstofferzeugung. Hierfür werden zusätzliche Kapazitäten im Gigawattbereich notwendig sein. Die Wasserstofferzeugung aus erneuerbarem Strom liefert aber nicht nur nachhaltigen Kraftstoff sondern entlastet auch die Stromnetze und unterstützt damit die Energiewende insgesamt.

Gibt es andere Methoden, an nachhaltigen Wasserstoff zu kommen?
Mit Wasserstoff, der in der Industrie anfällt, könnten wir heute ca. 500.000 Fahrzeuge antreiben. Die Elektrolyse mit Strom aus nachhaltigen Quellen ist ein etabliertes Verfahren, es gibt aber noch Potenzial um Kosten und Großanlagen zu optimieren. Wir haben in Deutschland zwölf bis 15 Demonstrationsanlagen, die aus Wind Wasserstoff erzeugen. Es gibt Alternativen wie Biomassevergasung oder die Erzeugung von Wasserstoff durch Algen oder Bakterien, hier ist aber noch viel Forschungsarbeit notwendig.

Wo kommt der Wasserstoff heute her?
Aus Erdgas erzeugter Wasserstoff, ist momentan die Norm. In der Gesamtbilanz wird auch mit diesem fossil erzeugten Wasserstoff bereits ca. 30 Prozent weniger CO2 ausgestoßen als bei einem modernen Dieselfahrzeug.

Die futurezone ist offizieller Medienpartner der Technologiegespräche beim Forum Alpbach 2015.

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Markus Keßler

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