Der Leidensdruck bei bipolaren Störungen ist hoch.
Der Leidensdruck bei bipolaren Störungen ist hoch.
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App hilft manisch-depressiven Patienten

App hilft manisch-depressiven Patienten

Bis zu zehn Prozent der Bevölkerung, schätzen Experten, sind von bipolaren Störungen betroffen. Schwankungen zwischen manischen und depressiven Phasen treten dabei in unterschiedlich starken Ausprägungen auf. "Bei schweren Fällen ist auch mit erhöhtem Suizidrisiko zu rechnen", sagt Agnes Grünerbl vom Innsbrucker Start-up Animys, das eine App entwickelt hat, mit der Verhaltensänderungen bei Patienten mit bipolaren Störungen früh erkannt werden können.

Sensordaten

Die Grundlage dafür liefern vom Smartphone aufgezeichnete Sensordaten, mit denen Bewegungen von Patienten nachvollzogen werden können. Damit kann etwa eruiert werden, ob Patienten eher dabei sind, sich zurückzuziehen oder den Kontakt mit der Außenwelt zu suchen. Auch Verbindungsdaten, die Rückschlüsse auf soziale Interaktionen zulassen, fließen in die Datenanalyse mit ein. "Mithilfe dieser Daten bauen wir ein statistisches Modell zum Zustand der Patienten", sagt die Medizin-Informatikerin. Gängige Lösungen am Markt basieren im Vergleich dazu auf Selbsteinschätzung von Patienten.

Zugriff auf die Daten hat nur der Patient und wenn dazu die Erlaubnis erteilt wird, auch der Arzt. Die Daten werden über eine sichere Verbindungen auf Server des Start-ups übertragen, dort werden sie analysiert und dann dem Patienten und dem Arzt zur Verfügung gestellt. Auf Änderungen in den Verlaufskurven könne dann rasch reagiert werden, erzählt Grünerbl.

Pseudonymisiert

Die Daten werden von Animys pseudonymisiert, Rückschlüsse auf Patienten sollen im Falle von Datenlecks nicht möglich sein. "Im System ist nicht ersichtlich, welche Daten zu welchen Patienten gehören. Die Privatsphäre der Patienten ist uns wirklich wichtig", sagt die Medizin-Informatikerin. Am Smartphone werden die Daten nach der Übertragung in das Analyseprogramm des Star-tups gelöscht.

Der Leidensdruck bei bipolaren Störungen sei sehr hoch. Gespräche mit Patienten hätten ergeben, dass die Möglichkeit zur Früherkennung von Verhaltensänderungen vielen ein Gefühl der Sicherheit geben würden. Allerdings gebe es auch Einschränkungen: "Für Leute, die sich verfolgt fühlen, ist es nicht das richtige System."

Tests Anfang 2017

Derzeit arbeiten die Gründerin und ihr Team an der Marktreife der App. Anfang nächsten Jahres sollen geschlossene Tests mit Patienten und Experten stattfinden und Feedback zu der App eingeholt werden. Auch an Selbsthilfegruppen will man mit der Anwendung herantreten. "Wir wollen wissen, welche Funktionen noch gewünscht werden und auch welche Funktionen überhaupt nicht gebraucht werden", sagt Grünerbl.

Starten will Anymis zunächst im deutschsprachigen Raum. Die Adaption auf andere Sprachen sei nicht schwierig, erzählt Grünerbl. Kontakte nach Südeuropa gebe es bereits.

Hervorgegangen ist die Anwendung aus einem vierjährigen Forschungsprojekt, bei dem auf Basis klinischer Studien die Algorithmen zur Auswertung der Daten entwickelt wurden. Finanziert wird das Start-up unter anderem mit Geldern der Förderbank austria wirtschaftsservice (AWS) und aus Eigenmitteln.

Nicht für den "Massen-Lifestylemarkt"

An einem Geschäftsmodell werde noch getüftelt, erzählt die Gründerin. Möglich sei etwa ein Freemium-Modell, bei dem es die App gratis geben und für Analyseservices monatliche Lizenzgebühren eingehoben werden könnten. In weiterer Folge soll versucht werden, auch Krankenkassen an Bord zu holen. Die App sei nicht für den "Massen-Lifestylemarkt" bestimmt, sagt Grünerbl: "Sie ist für Menschen, die sie wirklich brauchen."

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und aws ( Austria Wirtschaftsservice).

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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