Defibrillatoren sind groß und unpraktisch, ein Grazer-Startup plant ein alternatives Gerät
Defibrillatoren sind groß und unpraktisch, ein Grazer-Startup plant ein alternatives Gerät
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Grazer Start-up entwickelt kleinsten Defibrillator der Welt

Grazer Start-up entwickelt kleinsten Defibrillator der Welt

„Jedes Jahr sterben 17 Millionen Menschen an Herzversagen. Acht Millionen davon könnten bei entsprechender Erstversorgung gerettet werden“, sagt Jasper Ettema zur futurezone. Der Gründer des Grazer Start-up liimtec ist angetreten, um den kleinsten Defibrillator der Welt zu entwickeln. Denn trotz entsprechender Erste-Hilfe-Maßnahmen wie Herzmassage und Beatmung scheitert die erfolgreiche Rettung von Betroffenen oft an fehlenden Defibrillatoren, die auftretende Herzrhythmusstörungen durch einen elektrischen Schock beenden können.

Ersten drei Minuten entscheiden

Da Defibrillatoren teuer sind, werden sie außerhalb von Krankenhäusern und professionellen Rettungsdiensten im Normalfall nur von größeren Institutionen, Gemeinden und Städten angeschafft. Aufgrund ihrer Größe und Unhandlichkeit werden sie an fixen Standorten aufbewahrt, was laut Ettema Teil des Problems ist: „Bei akutem Herzversagen sind die ersten drei Minuten entscheidend, ob ein Betroffener überlebt bzw. welche Langzeitschäden er durch die Unterversorgung des Gehirns davon trägt. In vielen Fällen wird der notwendige Defibrillator von den Ersthelfern, die im Normalfall zufällig vor Ort sind, in der kritischen Zeit aber einfach nicht gefunden.“

Jasper Ettema, CEO Liimtec

Mit dem Pocketdefi schwebt dem Start-up der erste Defibrillator vor, der für Privatpersonen nicht nur leistbar ist, sondern aufgrund seiner geringen Größe auch mitgeführt werden kann – sei es im Rucksack, einer Aktentasche, im Kofferraum des eigenen Autos oder auch als Teil der Notfallausrüstung zuhause. Die Kosten sollen sich im Bereich eines aktuellen Smartphones bewegen und somit deutlich unter den bisherigen Anschaffungskosten von Defibrillatoren liegen, die bei 1500 Euro aufwärts liegen.

Medizinisch geschultes Personal

Als primäre Zielgruppe sieht Ettema Personen mit medizinischem Vorwissen, denen das Risiko eines plötzlichen Herztods bewusst ist – also Ärzte, Krankenpfleger und Sanitäter. Das Gerät soll aber so einfach gestaltet sein, dass es auch von Laien problemlos bedient werden kann. Entscheidend verbessert wurde auch die Servicierung. Ist bei fast allen existierenden großen Defibrillatoren ein aufwändiges Wartungsservice durch geschulte Techniker vor Ort notwendig, sollen Firmware-Updates beim Pocketdefi über eine mobile Internetanbindung möglich sein.

Durch die Verknüpfung des Geräts mit dem Mobiltelefon des Besitzers kann dieser auch benachrichtigt werden, wenn etwa die Akkulaufzeit sich dem Ende zuneigt oder ein wichtiges Software-Update ansteht. Das Start-up, das unter anderem vom AWS ( Austria Wirtschaftsservice) mit einer Pre-Seed-Förderung von 180.000 Euro unterstützt wurde, will den Defibrillator bis Sommer 2017 als serienreifes Produkt fertigstellen. Da die Zulassungsprozedur entsprechend streng und aufwändig ist, rechnet liimtec-Gründer Ettema mit einem Marktstart 2018.

Lizenzierung nicht geplant

Vor Weihnachten wurde eine weitere Finanzierungsrunde durchgeführt, wo es dem bislang 5-köpfigen Entwicklerteam nicht nur um weitere Finanzmittel sondern auch strategische Partnerschaften ging, die dem geplanten Marktstart zuträglich sind. Als Produzent der Geräte konnte die Grazer Firma Meds gewonnen. Angemeldete Patente sollen garantieren, dass die innovative Entwicklung nicht von Mitbewerbern kopiert werden können. Eine Lizenzierung bzw. der Verkauf der Firma an einen der etablierten Konzerne im Defibrillatoren-Geschäft ist laut Ettema nicht geplant.

Dass das kleine Grazer Start-up den bestehenden Herstellern in die Quere kommen wird, glaubt der gelernte Betriebswirt allerdings ohnehin nicht. „Die etablierten Hersteller sind im B2B-Geschäft und haben weder die Strukturen noch das Interesse, ihre Geräte im Direktverkauf an Privatpersonen zu vertreiben.“

Der Pocketdefi sei darüber hinaus auch nicht dazu gedacht, die großen Geräte, die in Krankenwägen oder im Spital verwendet werden, zu ersetzen. „Diese haben aufgrund ihres noch größeren Funktionsumfanges natürlich weiterhin ihre Berechtigung. Unser Gerät soll vielmehr die Lücke schließen, bis der Rettungswagen kommt“, erklärt Ettema im futurezone-Interview.

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und aws (Austria Wirtschaftsservice).

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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