Danielle Fong beim Pioneers Festival 2014 in Wien
Danielle Fong beim Pioneers Festival 2014 in Wien
© Pioneers.io

Energiespeicherung

"Wir könnten Erdgas zum Heizen komplett ersetzen"

Danielle Fong verkörpert für viele etwas, als das sie sich selbst bezeichnet: Das Mädchen aus der Zukunft. Die heute 27-jährige US-Amerikanerin bricht die Schule ab, um wenig später ein Physik- und Informatikstudium mit Auszeichnung abzuschließen. Mit 20 gründet sie LightSail Energy, ein Start-up, das sich mit Energiespeicherung durch Druckluft beschäftigt - weil ihr Kernfusion zu weit entfernt erscheint. Das Revolutionäre an Fongs Konzept: Neben der Druckluft wird auch die Hitze gespeichert, die beim Komprimieren entsteht.

2011 wird Fong in die Zukunftspotenzial-Hitliste Forbes 30 under 30 aufgenommen. 2014 war Fong einer der Stargäste beim Pioneers Festival in Wien. Die futurezone nutzte die Gelegenheit zu einem Interview.

futurezone: Frau Fong, LightSail Energy will Energie durch das Komprimieren von Luft speichern. Beim Komprimieren wird kaltes Wasser in die Luft gesprüht, um die Wärme zu speichern, die dabei entsteht. Beim Dekomprimieren wird dieses erwärmte Wasser wieder in die Luftkammer gesprüht. Welchen Zweck hat das?
Danielle Fong: Warme Luft erzeugt auf dem selben Volumen mehr Druck als kalte. Durch die Erwärmung der Luft beim Dekomprimieren erhält man mehr Energie [etwa, um einen Generator anzutreiben, Anm.]. Als Hitzequelle kann man auch die Sonne verwenden, oder Geothermie, oder die Hitze von Abfall. Neben Hitze produziert man auch Kälte. Man produziert Hitze beim Komprimieren und Kälte beim Dekomprimieren. Hitze kann genutzt werden, um Erdgas zu ersetzen, das verbrennt, um Räume zu heizen. Und die Kälte kann man statt einer Klimaanlage verwenden.

Wird das Konzept bereits in der Praxis angewendet?
Momentan arbeiten wir noch im Labor. Im nächsten Jahr werden wir den ersten Prototypen in Kalifornien aufstellen, 2016 dann auch in Hawaii, in der Karibik und in Kanada.

Gibt es viele Unternehmen, die ein Interesse an Ihrer Technologie haben?
Es gibt so viele, der Bedarf ist irrwitzig. Wir haben eine lange Warteliste. Es gibt hier Nachfrage im Wert von mehreren zehn Milliarden Dollar, die noch nicht bedient wird - und das jedes Jahr.

Die Energiespeicherung mittels komprimierter Luft gibt es bereits. Die ist aber nicht so effektiv wie Ihre Methode?
Korrekt. Vor unserem Projekt hat niemand die entstehende Hitze festgehalten. Die haben sie einfach entweichen lassen. Bei der Expansion sind sie wegen der enormen Kälteentwicklung auf enorme Probleme gestoßen, etwa die Entstehung von flüssigem Stickstoff und Sauerstoff und anschließend deren Kondensation. Deshalb erhitzten sie die Luft durch die Verbrennung von Erdgas. Sie warfen die Hitze weg und machten nichts damit, und dann verbrannten sie auch noch Treibstoff. Im Grunde war es nicht viel effizienter als die meisten Gaskraftwerke. Es war das ökonomisch effizienteste Speichersystem, das man bekommen konnte, wenn man eine große Kaverne hatte, um Energie zu speichern. Wir haben die Kosten aber weiter reduziert und wir haben das Effizienzproblem gelöst. Das ist unser Verkaufsargument.

Stichwort Kavernen: LightSail Energy sieht ja neben der Druckluftspeicherung in Tanks auch die Speicherung in unterirdischen Kavernen vor. Ist das eine sichere Methode?
Aber in aller Welt werden große Kavernen für die Lagerung von Erdgas verwendet. Punkt A, es funktioniert ziemlich gut. Punkt B, die Kavernen werden für brennbares Gas benutzt. Das ist vielleicht ein bisschen unheimlich. Was aber tatsächlich ein bisschen Sorgen bereitet, ist, dass sich diese Kavernen in ihrer Form verändern. Wenn sie aus Salz bestehen, gibt es eine kleine Menge an Bewegung. Mit der Zeit kriechen die ein bisschen, wie ein Eisberg oder so.

Diese Kavernen sollten also nicht gerade unterhalb einer Stadt sein.
Ja, da will man sie nicht gerade. Man nutzt Kavernen heute oft und man hat sehr viel gelernt. Aber dennoch, pump das Gas nicht unter deine Stadt! (lacht) Und das muss man auch nicht. Unsere Tanks sind sehr sehr gut konstruiert. Wir haben gerade ein paar Tests absolviert. Auf den Tank muss dabei geschossen werden, und zwar mit Kaliber 50 Munition von einer Anti-Panzer-Kanone. Der Tank hat den Test bestanden. Die Munition ist etwas eingedrungen, aber nicht durchgedrungen. Wir führen 60.000 Befüllungszyklen durch. 5.000 Zyklen werden mit dem eineinhalbfachen Druck, für den der Tank konstruiert wurde, durchgeführt - und das mit einem Schnitt in die Tankwand, der die Dicke an der Stelle um 40 Prozent reduziert, horizontal und vertikal.

Okay, es scheint, als hätten sie den Tank ausführlich getestet.
Es gibt einen Falltest, es gibt einen Test für chemische Attacken mit Schwefelsäure, Natronlauge, Methanol, alle diese Dinge. Danach führt man nochmal 5.000 Zyklen durch, dann stecken wir den Tank in einen Ofen, backen ihn bei 85 Grad Celsius und vollem Druck. Er sitzt dort für zwei Monate, dann wird er auf minus 55 Grad Celsius gefroren, dann kommen besonders schnelle Zyklen. Wir versuchen Probleme bei der Auskleidung herbeizuführen. Insgesamt gibt es 14 sehr rigorose Tests, die wir durchführen müssen. Der Tank ist sehr sicher.

Diese Tanks passen in einen Schiffscontainer. Haben Sie sie so konstruiert, damit sie flexibler eingesetzt werden können?
Ja, genau. Die Lufttanks werden zu relativ niedrigen Kosten hergestellt und wir haben uns bemüht, das Ganze so einfach wie möglich zu machen.

Danielle Fong, Gründerin des Start-ups LightSail Energy, am Pioneers Festival 2014 in Wien

Haben Sie über eine spezifische Zielgruppe nachgedacht, oder über ein spezifisches Gebiet, wo ihre Speichersystem genutzt werden könnte?
Wir dachten an viele verschiedene, und von den meisten davon wurden wir sehr gut angenommen. Unser Schlüsselantrieb ist, dass man von der Elektrizitätserzeugung mittels Treibstoff weggeht. Also Inseln, Afrika, Indien, Südostasien, ein großer Teil von Südamerika und auch ein überraschend großer Anteil von Nordamerika, Europa, China, Japan. Wir könnten einen großen Teil der Welt erschließen.

Alternativen zur Stromerzeugung mittels Treibstoff stellen auch Kohle- oder Gaskraftwerke dar.
Es gibt eine Menge Dinge, die man mit Kohlekraftwerken abdecken könnte. Eine Menge Leute wollen das aber nicht. Erdgas erhält man nicht überall. Erneuerbare Energien sind deshalb die bessere Lösung. Die Kosten von Elektrizität sind enorm gestiegen. Erneuerbare Energien werden immer günstiger und man kann sie leicht nutzen.

Wird die Verbreitung von erneuerbaren Energien Ihrer Meinung nach gebremst?
Versorgungsunternehmen haben keine richtigen Anreize, sich zu verändern. Sie werden nur zögerlich von einer teuren Energiequelle abrücken, wenn sie ein Monopol darauf haben. Die Kosten werden einfach auf den Konsumenten übertragen, das kümmert sie nicht weiter. Kunden wollen von teurer Elektrizität abrücken und legen sich Solarzellen zu. Mit einem zusätzlichen Energiespeicher koppeln sie sich immer mehr von Versorgungsunternehmen ab. Das funktioniert sehr gut. Versorgungsunternehmen kämpfen dagegen an, aber sie können diesen Kampf nicht gewinnen.

Was halten Sie von Fracking, das ja in den USA ein großes Thema ist?
Fracking ist ein Beispiel für beschissene Ressourcen. Es ist wie auf einer großen Party: Da wird Bier auf dem Boden ausgeschüttet. Die Leute wischen das mit Tüchern auf. Und irgendjemand hat diese Maschine zum Auspressen der Tücher entwickelt, um das Bier herauszubekommen. Und die fragen dann, ob man das trinken will. Das ist unglaublich. Das sind beschissene Ressourcen, wirklich dreckig und sehr teuer.

Dennoch hat Fracking großen Erfolg.
Es ist immer noch günstiger als Offshore-Erdöl. Was der Erde ausgeht, ist ja nicht grundsätzlich Erdöl, sondern leicht zugängliches Erdöl. Teersande, Fracking, Offshore-Förderung sind unglaublich teuer. Um einen Testloch zu bohren, braucht man 200 Millionen Dollar, inklusive Transport, Plattform und so weiter. Okay, der günstigste Preis dafür ist vielleicht 50 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Die gesamten vierteljährlichen Investitionen in saubere Stromerzeugung sind 400 Millionen Dollar. Öl regiert die Welt, hat aber furchtbare Nebenwirkungen. Wir versuchen die Welt hin zu etwas zu bewegen, das gerechter ist. Denn jeder hat Zugang zur Sonne oder zu Wind.

In den Alpen gibt es dank Bergen und enormen Wasservorräten die Möglichkeit, Energie in Pumpspeicherkraftwerken zu lagern. Wie lässt sich Ihre Speicherlösung damit vergleichen?
Die Speicherung von Luft wird nicht ganz so effizient wie die von Wasser sein, wenn man nicht irgendetwas Ausgefallenes tut. Indem wir aber Hitze und Kälte produzieren, können wir herkömmliche Klimatisierungsmethoden verdrängen. Ich glaube daran, dass man mit der Hitze, die bei unserer Methode erzeugt wird, Erdgas komplett ersetzen könnte. Zum Beispiel das ganze Erdgas, das Österreich von Russland erhält. Das wäre unser Verkaufsargument gegen Pumpspeicherkraftwerke.

Eine interessante Vorstellung.
Ich mache mir ein bisschen Sorgen, was passiert, wenn das bekannter wird (lacht).

Gibt es Unternehmen, die dasselbe wie Sie machen wollen?
Es gibt nicht wirklich viele Wettbewerber und fast keine Konkurrenz, was den Kampf um Kunden betrifft. Die Nachfrage ist so groß, dass man nie um ein und denselben Kunden kämpfen muss. Es gibt aber einen Wettbewerb um Investorgelder, den die sind limitiert. Wir müssen außerdem die Medien überzeugen.

Weibliche Pioniere wie Danielle Fong, Gründerin des Start-ups LightSail Energy, können jungen Frauen als Vorbild dienen

Also eigentlich sind gar nicht die technischen Herausforderungen die größten.
Das ist ein generelles Problem für jeden Innovator und wahrscheinlich auch der Grund, warum die Menschheit so träge ist. Wir machen weniger als ein Prozent dessen, was wir als Gesellschaft weiterbringen könnten. Wenn man beginnt, etwas zu machen, sagt irgendjemand "Du startest ja gerade erst, warum bist du qualifiziert dafür, so etwas zu tun?" - "Warum nicht?" - "Wenn das so eine gute Idee ist, warum ist bisher noch niemand darauf gekommen?" Und die Antwort darauf könnte sein: "Vielleicht hat jeder davor auch schon diese Frage gehört und ich werde jetzt arroganterweise an diesem Projekt weiterarbeiten". Und futurezone sollte das wissen! (lacht) Weil das jeder ständig gefragt wird. Was für ein Jahrhundert ist das!? Ich weiß nicht, warum das passiert. Es ist zwar zu meinem Job geworden, aber es sollte nicht mein Job sein, Denkfehler zu beseitigen.

Hat es in der Vergangenheit aber tatsächlich nie Studien darüber, was Sie jetzt machen oder etwas Ähnliches gegeben?
Das näheste, was es dazu gibt, ist Mike Coney mit seiner Gruppe, die das Isoengine machen. Die machen keine Energiespeicherung, aber Wassereinspritzung in einen Luftkompressor für große Schiffsmotoren. Sie waren erfolgreich, aber wir haben das, was sie gemacht haben, übertroffen. Außerdem gab es mal ein paar Gruppen, die etwas mit Wasser-Einspritzung bei isothermaler Kompression machten. Wir haben ein paar Referenzen entdeckt, aber niemanden, der das wirklich durchgezogen hätte.

Haben Sie herausgefunden, warum sie ihre Projekte aufgaben?
Versuchen Sie das einmal, wenn alle Leute, die das getan haben, heute tot sind. Es ist unmöglich. Wir haben etwas aus den 1870er-Jahren gefunden. Irgendjemand hat da die Einspritzung von Wasser erwähnt. Das war eine extrem alte mechanische Ingenieurs-Referenz. Die besagte: Das war ein Erfolg, aber aufgrund der Korrosion mussten wir damit aufhören. Das Problem war, die Leute benutzten das falsche Material. Leute, die Dampfmaschinen bauten, verwendeten rostfreien Stahl. Wenn die nur miteinander gesprochen hätten, hätte es funktioniert.

Sie haben keine Angst davor, selbst an Grenzen zu stoßen?
Ich sehe keine Gründe mehr, warum unser Konzept nicht funktionieren sollte. Ich glaube, das Prinzip kann man auf viele Innovationen anwenden. Vor dem World Wide Web gab es dieses Ding namens Xanadu, dan dem über 30 Jahre lang getüftelt worden war. 1992 haben sie schließlich aufgegeben, 1993 wurde das Web gestartet. Man sieht, alleine der Umstand, dass diese eine Gruppe keinen Erfolg hatte, hatte nichts damit zu tun, dass es ein Jahr später funktionierte. Die Bedingungen haben sich in dem Zeitraum nicht einmal verändert. So läuft es oft. Diese Botschaft muss mehr verbreitet werden.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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