Wildunfälle sorgen für Tierleid, Schäden am Auto und im schlimmsten Fall sogar für Tote.

Wildunfälle sorgen für Tierleid, Schäden am Auto und im schlimmsten Fall sogar für Tote.

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Unfallvermeidung

Wie österreichische Forscher Wildunfälle vorhersagen wollen

Ein langer Arbeitstag voller Termine steht bevor. Weil die Autouhr bereits 15 Minuten Verspätung anzeigt, steigt der Fahrer extra aufs Gaspedal. Plötzlich taucht ein Schatten im Scheinwerferlicht vor dem Auto auf – und es kracht.

In der Dämmerung, wenn viele Menschen zur Arbeit oder wieder nach Hause fahren, ist das Wild besonders aktiv. Wildunfälle verursachen Tierleid, Schäden am Auto und sogar Todesfälle. In Österreich gibt es jedes Jahr ca. 80.000 Unfälle dieser Art.

Komplexes Warnsystem

Ein neues Forschungsprojekt namens „WildWarn“ will eine Lösung dafür finden und bis 2025 eine Risiko-Landkarte für Wildunfälle entwickeln. Sie soll in Echtzeit anzeigen, an welchen Straßenabschnitten Wildunfälle wahrscheinlicher sind und diese so verhindern. Diese Informationen könnten danach sogar in Navigationssysteme einfließen und Autofahrer*innen warnen, wenn die Unfallgefahr plötzlich ansteigt. So wie etwa Google Maps bereits jetzt anzeigt, wenn auf einer Straße besonders viele Menschen mit dem Auto unterwegs sind.

Am FFG-geförderten Projekt „WildWarn“ sind zahlreiche Organisationen beteiligt: Die Koordination übernimmt das AIT Austrian Institute of Technology, Spezialisten von Joanneum Research kümmern sich um die Auswertung der Satellitendaten. Beteiligt ist auch die Firma Pentamap aus Graz, die zuvor bereits ein ähnliches Projekt umsetzte. Erkenntnisse daraus fließen nun bei „WildWarn“ ein. Das Unternehmen ist eigentlich auf Jagdsoftware spezialisiert. „Unsere Motivation ist es auch, mit den neuen Erkenntnissen unsere Software weiterzuentwickeln“, erklärt der Geschäftsführer und Geoinformatiker Rainer Prüller dem KURIER.

Die Grundlage für „WildWarn“ ist eine große Menge an Daten, die auf verschiedenste Weise erhoben werden. Sie stammen zum Teil vom AIT, das dafür mit einem speziellen Messfahrzeug Landstraßen abfährt. „Außerdem verwenden wir Unfallstatistiken, Wetterdaten, Verkehrszähldaten, Radar-Sensorik und ein Geländemodell“, erklärt Projektkoordinator Michael Aleksa vom AIT.

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Fotos aus dem All

Viele Informationen werden aus Bildern extrahiert, die der Erdbeobachtungssatellit Sentinel-2 alle 5 bis 10 Tage liefert. Sie zeigen etwa, wo es viele Wälder und Wiesen in einer Region gibt, in denen sich das Wild gerne aufhält oder ob ein Kornfeld kürzlich gemäht wurde – denn auch solche Dinge beeinflussen das Verhalten der Wildtiere.

„Im Sommer sind etwa Getreidefelder für Rehe mit Kitzen sehr attraktiv, weil dort keine Insekten sind, die sie belästigen. Im Straßennahbereich kann das gefährlich sein“, erklärt Martin Forstner. Der Wildtierökologe berät sonst Skigebiete und macht Gutachten zu großen Verkehrsstraßen. Bei diesem Forschungsprojekt steuert Forstner wildbiologische Daten bei, die er mitunter auf sehr traditionelle Weise erhebt: „Ich suche mit einem Fährtenhund nach Wildwechseln und schaue zu allen Jahreszeiten, wo Wildtiere Straßen queren“, erklärt der Wildtierökologe.

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Dynamische Prognosen

„Das von uns entwickelte Modell soll dynamische Vorhersagen ermöglichen und sich je nach den Begebenheiten verändern“, erklärt Projektleiter Aleksa. Das Risikomodell wird mithilfe von Künstlicher Intelligenz trainiert. „Es verrät uns, welche Daten etwas aussagen und welche eher nicht. Am Ende werden wir sehen, wie gut die Vorhersagen qualitativ sind, die sich mit unseren Daten machen lassen“, meint Aleksa.

Die Einschätzungen des Modells sollen auch mit den Realbedingungen in echten Gebieten abgeglichen werden. Deshalb sind die Österreichischen Bundesforste Projektpartner: „Wir haben viele Flächen und Daten darüber. Unsere Aufgabe ist es, die Flächen zur Verfügung zu stellen und die Mitarbeiter vor Ort zuschicken, wenn es zusätzliche Erhebungen braucht“, erklärt Andreas Duscher von den Bundesforsten. Die Modellregionen sollen bis März 2024 ausgewählt werden. Voraussichtlich werden sie in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark sein, weil es dort besonders viele Wildunfälle gibt.

 

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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