Bohrungen für Tiefengeothermie sind aufwendig, können aber viel Nutzen bringen

Bohrungen für Tiefengeothermie sind aufwendig, können aber viel Nutzen bringen

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Geothermie: Der schlummernde Riese in der Tiefe

Die Erde ist eigentlich ein riesiger Feuerball. Dass wir überhaupt auf ihm leben können, verdanken wir der 10 bis 70 Kilometer dicken Erdkruste. Davon, dass es im Inneren unseres Planeten heiß hergeht, zeugt eine mit der Tiefe ansteigende Temperatur. In Mitteleuropa wird es alle 100 Meter um rund drei Grad Celsius wärmer. In der Tiefe herrscht allerdings gegenüber der Erdoberfläche eine sehr konstante Temperatur. Die Temperaturunterschiede zwischen oben und unten kann man sich durch Geothermie zunutze machen.

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Exponentielles Wachstum seit den 90er-Jahren

Wenn man kilometertief in die Erde bohrt, findet man an manchen Stellen Vorkommen von heißem Wasser. Das kann man hochpumpen und es direkt nutzen, etwa zur Heizung von Gebäuden. Indem man kaltes Wasser wieder in die Erde pumpt, kann man einen nachhaltigen Kreislauf erzeugen. Man kann die Hitze auch durch Generatoren zur Stromerzeugung nutzen. Weltweit wird das auch in immer größerem Stil gemacht. "Seit den 90er-Jahren hat es ein fast exponentielles Wachstum bei Geothermie gegeben", sagt Gregor Götzl von EVN. Er war einer der Vortragenden bei einer Fachveranstaltung, die das Green Energy Lab diese Woche zum Thema Geothermie veranstaltet hat.

Von vielen Menschen werde Erdwärme noch hauptsächlich mit Wellness und Thermalbädern verbunden, sagt Götzl, aber Geothermie werde einen "wesentlichen Puzzlestein für die Wärmeversorgung der Zukunft darstellen". Einige Länder hätten das Potenzial erkannt, dadurch sehr klimaschonend fossile Energiequellen zu ersetzen, etwa in Fernwärmenetzen.

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Ländervergleich bei der Nutzung von Geothermie für Heizung und Kühlung

Ländervergleich bei der Nutzung von Geothermie für Heizung und Kühlung in einer Studie der International Renewable Energy Agency (IRENA)

Städte heizen ohne die Luftqualität zu vermindern

Global führend bei Geothermie ist China. Erdwärme werde laut Götzl dort in großem Stil eingesetzt, um Städte zu heizen, Kohle, Gas und Erdöl zu vermeiden und damit die Luftqualität zu verbessern. Groß bei Geothermie sind international auch mehrere Staaten entlang des Pazifischen Feuerrings, einem Vulkangürtel entlang der Grenzen großer Erdplatten rund um den Ozean. Die USA, Indonesien, Philippinen und Neuseeland fördern Geothermie hier etwa sehr.

Welches Land Geothermie wofür verwendet, unterscheidet sich stark. Papua-Neuguinea etwa erzeugt mehr Strom mit Geothermie als ganz China. Auch Kenia nutzt die Erdwärme sehr für erneuerbare Stromerzeugung. In Europa sind die Türkei, Italien und Island die Spitzenreiter bei der Geothermie-Nutzung für Elektrizität. Beim Heizen mit Erdwärme führt Schweden vor Deutschland.

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100.000 Erdwärmepumpen in Österreich

In Österreich wird die Erdwärme ebenfalls hauptsächlich zum Heizen verwendet. Bei Erdwärmepumpen ist es in den vergangenen Jahren zu einem rasanten Verkaufsanstieg gekommen. Ungefähr 100.000 solcher Anlagen sind derzeit in Österreich im Einsatz, sowohl in Privathaushalten, in Unternehmen und Fernwärmenetzen. Bei Luftwärmepumpen gibt es einen noch größeren Anstieg. Erdwärmepumpen gelten als effizienter, aber kostspieliger.

Besonders tief muss man dafür nicht bohren. Flächenkollektoren in 1,5 bis 2 Meter Tiefe könne man laut Götzl fast überall im Land installieren. Sie entziehen dem Boden Wärme, die Wärmepumpe steigert die Temperatur und der Wohnraum wird beheizt. Im Sommer klappt das auch auf umgekehrtem Weg, um Innenräume zu kühlen. Erdwärmepumpen können aber auch Grundwasser oder Wärme in bis zu 300 Meter Tiefe nutzen. Dennoch spricht man von oberflächennaher Geothermie.

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Tiefengeothermie bringt viel, birgt aber Risiko

Bei der Tiefengeothermie (mehr als 400 Meter tief) wird es um einiges komplizierter, aber potenziell auch wesentlich ertragreicher. Hier geht es darum, heiße Wasservorkommen aufzuspüren, etwa mithilfe seismischer Messungen. Dabei werden Schallwellen in den Boden geschickt und ihr Echo analysiert. Wie kompliziert das ist, zeigte sich beim Versuch, im Osten Wiens ein Wasserreservoir in 2,5 bis 4 Kilometer Tiefe anzuzapfen, das Aderklaaer Konglomerat. Eine Probebohrung 2012 sei zunächst nicht auf Wasser gestoßen, schildern Helene Mooslechner und Rusbeh Rezania von Deeep. Das Joint-Venture von Wien Energie und OMV soll künftig österreichweit heiße Wasservorkommen in der Tiefe aufspüren und nutzbar machen.

Erst Jahre später, 2016, sei es schließlich gelungen, einen Zugang zum Aderklaaer Konglomerat zu finden. In Zukunft soll das Wasservorkommen genutzt werden, um 125.000 Haushalte in Wien zu beheizen. Das Projekt zeige, wie risikobehaftet, langwierig und kostenintensiv Tiefengeothermie sein kann, sagt Rezania: "Unternehmen müssen mit diesem Druck erst einmal umgehen können."

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Erschwerend hinzu komme eine unklare rechtliche Lage. Tiefengeothermieprojekte sind von Wasserbaurecht, Bergbaurecht und Gewerberecht betroffen, aber viele Dinge sind derzeit noch nicht geregelt. Wer darf etwa einen Wasserkörper unter der Erde nutzen? Was würde passieren, wenn ein Konkurrenzunternehmen dasselbe Reservoir anbohrt? "Prinzipiell geht es da momentan zu wie im Wilden Westen", sagt Rezania.

Karte der Geothermie-Potenziale in Österreich: Rot gestrichelt die Gebiete mit über 100 Grad Celsius heißen unterirdischen Wasservorkommen

Karte der Geothermie-Potenziale in Österreich: Rot gestrichelt die Gebiete mit über 100 Grad Celsius heißen unterirdischen Wasservorkommen. Detailliertere Ansicht hier.

Direkt heizen und Wärme saisonal verschieben

Das Potenzial für Tiefengeothermie sei in Österreich jedenfalls groß. Laut derzeitigen Erkenntnissen gibt es über 100 Grad Celsius heiße unterirdische Wasservorkommen im westlichen Oberösterreich, im Steirischen Becken, im Wiener Becken und im nordöstlichen Niederösterreich. In vielen anderen Landesteilen gibt es weitere, weniger heiße, unterirdische Reservoirs. Investiere man jetzt konsequent in den Bereich, könnte man laut dem Verein Geothermie Österreich bis 2030 eine halbe Million Haushalte mit geothermaler Fernwärme versorgen und 600.000 Tonnen Kohlendioxid durch den Ersatz fossiler Brennstoffe einsparen. Damit würde man rund 25 Prozent der bekannten geothermalen Ressourcen für die Fernwärmeerzeugung in Österreich nutzen.

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Das Potenzial, die Energiewende zu unterstützen, sei laut den Expert*innen aber noch größer. Neben der direkten Nutzung von warmem Wasser aus der Tiefe könne Geothermie die Energiewende auch auf andere Weise unterstützen. Derzeit wird etwa untersucht, wie man künftig so genannte Aquiferspeicher errichten kann. Im Sommer wird an der Erdoberfläche viel überschüssige Wärme erzeugt, etwa in der Industrie. Sie könnte man in Wasser speichern, das man in unterirdische Gesteinsschichten pumpt. Dort kann man die Wärme über Monate hinweg speichern, bis man das warme Wasser im Winter wieder hochpumpt und zum Heizen verwendet. Götzl: "Man kann die Erde als große Batterie benutzen."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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