Die "Funktionskleidung 2.0" entwickelt ein neues österreichisches Forschungsprojekt.

Die "Funktionskleidung 2.0" entwickelt ein neues österreichisches Forschungsprojekt. 

© amriphoto/iStockphoto.com

Science

"Funktionskleidung 2.0" soll E-Bike steuern und Unfälle vermeiden

Im Frühsommer strömen viele Menschen ins Freie: Überall sind Jogger, Radfahrer und andere Sportler unterwegs. Häufig tragen sie währenddessen Fitness-Tracker oder eine Smartwatch am Handgelenk. Diese Geräte zeichnen Körperdaten auf. Damit wollen die Sportler mehr über ihre Körperfunktionen erfahren – etwa über ihren Herzschlag oder die Körpertemperatur. Relativ häufig kommen neue „Wearables“ auf den Markt, wie die Geräte auch genannt werden. 

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Das neue Forschungsprojekt „Digital Motion Next“ wird in den nächsten Jahren neue Techniken und Materialien zur Bewegungsmessung testen. Das Vorhaben wird von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt und soll bei der „Digitalisierung von Bewegung helfen und zu mehr Vitalität und Wohlbefinden“ beitragen, wie Projektleiterin Elisabeth Häusler erklärt. 

Eine Grundüberlegung der Forscher*innen ist, dass man die Technik aus den Wearables direkt in die Sportbekleidung integrieren kann. Irgendwann könnten die elektronischen Geräte dadurch sogar überflüssig werden. Dazu testen die Forscher sogenannte „Smart Textiles“ – Stoffe und Materialien, die Sensoren bereits integriert haben und die Vitalwerte direkt aufzeichnen können.

Rückenpanzer könnte mit Vibrationen vor Unfall warnen

Mit an Bord ist etwa das österreichische Unternehmen Pierer Innovations, zu dessen Mutterunternehmen die bekannte Motorrad- und E-Bike-Marke KTM gehört. Der E-Bike- und Motorradhersteller will durch das Projekt zunächst mehr über das Fahrerverhalten ihrer Kund*innen lernen. Man verstehe noch immer nicht richtig, wie sich das Fahrverhalten auf die Bike-Komponenten auswirkt, erklärt der Datenwissenschafter Martin Tiefengrabner.

Später wollen sie dann überlegen, wie man Sensoren und andere Messgeräte in Biker-Kleidung einbauen könnte, um die Fahrer*innen besser mit ihren Fahrzeugen zu „verknüpfen“. Smarte Kleidungsstücke könnten etwa mehr darüber verraten, wie es den Lenker*innen geht. Solche „intelligenten“ Textilien könnten für die Fahrer*innen einige Vorteile bringen. Die Kleidung könnte etwa vor einem drohenden Unfall warnen.

Registriert ein Laser-Scanner am Bike ein sich schnell näherndes Fahrzeug, könnte es das den Fahrer oder die Fahrerin direkt spüren lassen. „Aktuell warnt eine Audiospur: ,Achtung, ein Fahrzeug nähert sich und ist 100 Meter entfernt’. Man könnte aber auch über haptisches Feedback arbeiten. Ganz visionär gesprochen könnte man beispielsweise einen Rückenpanzer bauen, der mit Aktuatoren ausgestattet ist, die dann vibrieren oder Impulse geben, die mir Information vermitteln, wie weit das Fahrzeug hinter mir entfernt ist“, erklärt Tiefengrabner.  

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Infos

Wearables
Darunter versteht man Technologie, die Menschen direkt am Körper tragen und die Träger*innen im Alltag unterstützen soll. Dazu zählen etwa Fitness-Tracker und Smart Rings. Diese werden zur Überwachung von Körperfunktionen verwendet und können mehr über die körperliche Fitness oder das Schlafverhalten verraten.

Smart Textiles
sind Stoffe bzw. Kleidungsstücke, die mit integrierten Sensoren Körperdaten wie Vitalwerte oder die Körpertemperatur messen können. Beim Projekt „Digital Motion“ arbeiten die Forscher*innen etwa mit elektrisch leitfähigen Garnen und Sensorfolien, die in die Sportbekleidung eingearbeitet werden.

Digital Motion Next
ist die Fortsetzung eines großen österreichischen Forschungsprojektes. Während sich das Vorgängerprojekt vor allem mit Sensoren in Skiausrüstung beschäftigte, wurde das Projekt 2024 auf den Rad-, Motorrad- und Laufsport ausgedehnt. Das Ziel des Projekts ist es, mehr über unsere Bewegung zu lernen und bessere Datenanalysen durchzuführen. Damit soll das Wohlbefinden, die Performance sowie die Gesundheit und Sicherheit bei körperlicher Aktivität gesteigert werden.

Fahrmodus-Wechsel via Handschuh

Sie überlegen auch, wie man den Handschuh digitalisieren könnte, der im Fahrrad- und Motorradbereich eine wichtige Schnittstelle zwischen Fahrer*in und Fahrzeug ist. „Wenn man mit einem E-Bike oder Motorrad im Gelände unterwegs ist und schauen will, wo man ist, muss man jetzt zum Smartphone greifen und dort etwas drücken. Vielleicht könnte man das stattdessen über Gesten machen – und etwa mit unterschiedlichen Fingerkombinationen Aktionen auslösen“, erklärt Tiefengrabner. 

Fahrer*innen könnten dadurch schneller auf unvorhersehbare Situationen reagieren. Wer mit dem Mountainbike gerade einen steilen Trail hinunterfährt, könnte über einen solchen smarten Handschuh rasch verschiedene Fahrmodi am Rad anpassen: „Wenn ich vor mir einen Felsen habe, könnte ich damit die Federung vorher härter oder weicher stellen“, erläutert er.

Infineon entdeckt Sport 

Die Technik für das Forschungsprojekt stellt Infineon zur Verfügung – dazu zählt Hardware wie Chips und Sensoren, aber auch Spezialsoftware für Datenanalyse. Stefan Rohringer ist Vize-Präsident von Infineon Österreich. Er glaubt, dass Smart Textiles vieles einfacher machen könnten. Er glaubt, dass sich solche Funktionskleider v. a. für den Sportbereich eignen. „Unsere Technologen sind klein, Stichwort Miniaturisierung, und sehr leistungsfähig. Anforderungen, die für solche Anwendungsfälle im Sportbereich ideal sind“, meint er. 

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Projektleiterin Häusler schätzt, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis intelligente Textilien tatsächlich marktreif sind. Genau deshalb erproben die österreichischen Forscher*innen aber bereits jetzt die Technologien dafür – damit sie für die Zukunft gerüstet sind. 

„Die Integration von Technik in Textilien wird immer einfacher, günstiger und skalierbarer. Allerdings sind wir bei Textilien noch nicht so weit, um von einer ausgereiften Technologie zu sprechen. Für welche Zwecke die Textilien im Endeffekt eingesetzt werden oder nicht, werden die Konsument*innen und Firmen entscheiden. Aber Smart Textiles werden sicher zunehmend in unseren Alltag integriert werden“, meint Häusler.

 

*Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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