125.000 Haushalte sollen Energie aus der Tiefe erhalten.
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Wie Thermalwasser 125.000 Wohnungen in Wien heizen soll

Tief in unserer Erde schlummern gewaltige Mengen an Energie. Im Erdkern herrschen Temperaturen von über 4.000 Grad Celsius und die Wärme strahlt bis knapp unter die Oberfläche aus. Mit ihrer ersten Tiefengeothermieanlage will Wien Energie diese Energiequelle anzapfen und für die Fernwärme nutzen.

„Wenn man in die Tiefe bohrt, steigt die Temperatur alle 100 Meter um etwa 3 Grad“, erklärt Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl bei einer Pressekonferenz am Montag. In Wien hat man dabei das Glück, direkt über einem Vorkommen an Thermalwasser zu liegen.

Anlage soll 2026 ans Netz

Das sogenannte Aderklaaer Konglomerat im Wiener Becken findet sich in rund 3.000 Metern Tiefe, das Wasser in der dortigen Gesteinsschicht erreicht Temperaturen um die 100 Grad Celsius. Dieser „Schatz der Tiefe“ soll nun gehoben werden.

Das "Aderklaaer Konglomerat" im Wiener Becken.

Das "Aderklaaer Konglomerat" im Wiener Becken.

Nach erfolgreichen Erkundungsbohrungen soll 2023 der Bau einer Tiefengeothermieanlage in Aspern starten, 2024 finden die Bohrarbeiten statt. 2026 wird die Anlage ans Fernheiznetzwerk angeschlossen. „Auf dem Weg zur CO2-Neutralität braucht es eine Mobilitätswende und eine Wärmewende“, sagt Stadtrat Peter Hanke. Letztere soll durch die Geothermie deutlich vorangetrieben werden. 

Zwei Bohrlöcher

Dafür werden am Standort in der Donaustadt zunächst 2 30 Zentimeter breite Löcher rund einen Kilometer senkrecht in die Tiefe gebohrt. Danach verlaufen die Bohrlöcher schräg entgegengesetzt bis in eine Tiefe von 3.000 bis 3.500 Meter. Über ein Bohrloch wird das warme Wasser mittels einer Pumpe an der Oberfläche entnommen, wobei ein Wärmetauscher die Energie in das Fernwärmenetz einspeist. Das abgekühlte Thermalwasser wird dann wieder über das zweite Bohrloch in das Aderklaaer Konglomerat zurückgeführt, wo es sich wieder erwärmt. So entsteht ein geschlossener Kreislauf.

Die Pilotanlage liefert unter Volllast etwa 20 Megawatt, genug für bis zu 20.000 Haushalte. „Wien hat außerdem den Vorteil, eines der größten Fernwärmenetze in Europa zu haben“, sagt Hanke. 440.000 Haushalte sind daran angeschlossen. Bis 2030 sollen 120.000 davon ihre Wärme aus dem Erdinneren beziehen, wobei 3 weitere Anlagen in Aspern und Simmering geplant sind. Verstromt wird die Energie aus der Tiefe in Wien allerdings nicht – dafür ist die Temperatur zu gering. Um Dampfturbinen anzutreiben, werden nämlich Temperaturen ab 150 Grad benötigt, Thermalwasser mit 100 Grad reicht nicht aus.

Gasabhängigkeit brechen

„Die Wärmeversorgung in Wien ist noch sehr gasabhängig, 4,6 Terawattstunden werden jährlich für Gasheizungen benötigt“, sagt Strebl. Bis 2040 sollen 40 Prozent davon auf Fernwärme umsatteln, der Rest soll mit Wärmepumpen ausgetauscht werden. „Ohne Einsparungen wird es allerdings nicht gehen“, bekräftigt der Wien-Energie-Geschäftsführer. „Das erste Gebot ist die Reduktion, das zweite die Substitution.“

80 Millionen Euro kostet die Pilotanlage, 72 Millionen davon werden von Wien Energie selbst finanziert, acht Millionen stammen aus der Umweltförderung des Bundesministeriums für Klimaschutz. Insgesamt 600 Millionen Euro will Wien Energie bis 2027 in die Sparte investieren. 

Fakten

Fernwärme
Die Wiener Fernwärme soll  2030 zu gleichen Teilen Energie aus Geothermie, Müllverbrennung, Wasserstoff und Großwärmepumpen beziehen

10 Geothermalanlagen
gibt es in Österreich, nämlich in der Steiermark und in Oberösterreich. In Summe leisten sie rund 90 Megawatt für lokale Wärmenetze und Industrie. 2 der Anlagen liefern Strom, der für etwa 1.000 Haushalte reicht

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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