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Pflanzen-Klo spart Wasser und reinigt sich selbst

In Entwicklungsländern zählen Sanitäranlagen zu den größten Herausforderungen im Kampf gegen Krankheiten und Umweltverschmutzung. Aber auch in reichen Industrieländern wie Österreich ist der Gang zur Toilette eine einzige Ressourcenvergeudung. Abgesehen von einigen Trockenurinalen wird kostbares Frischwasser zur Spülung verwendet. Das nährstoffreiche Abwasser muss schließlich aufwendig über Kläranlagen gereinigt und entsorgt werden.

Grüne Toilette

Das Wiener Forschungsprojekt LooPi will die Problematik mit einem ausgeklügelten System lösen. Dabei handelt es sich um eine öffentliche Unisex-Toilette, die auf die Reinigungskraft der Natur setzt. Dazu muss das Abwasser eine integrierte Pflanzenwand passieren, über die die im Urin enthaltenen Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff entzogen werden. Danach kann es zur Spülung wiederverwendet werden.

"Dass mit Frischwasser gespült wird, ist in anderen Regionen der Welt schlicht undenkbar"

Theresa Heitzlhofer | Projektleiterin LooPi

Da die für LooPi ausgewählten Pflanzenarten durch die Nährstoffzufuhr gut gedeihen, werden die öffentlichen Toiletten gleichzeitig zu begrünten Standorten, die nicht nur optisch schön anzusehen sind, sondern im Sommer in Städten auch der Erhitzung entgegenwirken. Bis zu 80 Liter Wasser verdunsten an einem schönen Sommertag über die Blätter. Regen hilft, den Wasserhaushalt wieder auszugleichen. Dafür sind eigene Tanks zur Speicherung vorgesehen.

Biokohle erledigt den Rest

Das System verfügt über eine zusätzliche spannende Komponente. Nachdem das Abwasser durch die Pflanzenwand geflossen ist, muss es eine integrierte Kammer passieren, in dem sich Biokohle befindet. Diese wird aus pflanzlichen Resten wie Obstkernen oder Dinkelspelzen – das sind die Hüllenblätter des Dinkelkorns – erzeugt und kann ebenfalls Nährstoffe aus dem Wasser binden.

So funktioniert die öffentliche Toilette LooPi

„Alles, was die Pflanzen quasi übrig gelassen haben, nimmt am Ende der Kette die Biokohle auf. Ist sie gesättigt, wird sie aus dem System entnommen und kann als nachhaltiges, biologisches Düngemittel in der Landwirtschaft eingesetzt werden“, erklärt Projektleiterin Theresa Heitzlhofer von der Wiener Forschungs- und Entwicklungsfirma alchemia-nova.

Gut für die Umwelt

Anders als synthetischer Dünger, der bei Überdosierung aus dem Boden ausgewaschen wird, fungiere mit Nährstoffen angereicherte Biokohle als Langzeitdünger. „Die Pflanzen bzw. die an den Wurzeln angesiedelten Mikroorganismen holen sich die Nährstoffe, die sie benötigen. Der Rest verbleibt in der Biokohle gebunden im Boden und wird folglich nicht in Flüsse oder Ozeane geschwemmt, wo dies zu bekannten Problemen, wie niedriger Sauerstoffkonzentration und Algenwachstum, führt“, sagt Heitzlhofer im futurezone-Interview.

Made in Austria

Das Design des Prototyps von LooPi stammt von der Wiener Firma EOOS Design. Er wird aktuell vom Unternehmen Nofrontiere gebaut und soll bereits in wenigen Wochen im Kulturzentrum F23 im 23. Wiener Gemeindebezirk gezeigt werden. Neben alchemia-nova ist auch die Universität für Bodenkultur Wien an der Konzeption und wissenschaftlichen Begleitung beteiligt.

Pflanzen können sogar Metalle abbauen

Nicht immer liefern modernste Technologien und Maschinen die besten Antworten auf die Probleme unserer Zeit. Oftmals bietet die Natur überraschende Lösungen. So können diverse Pflanzenarten eingesetzt werden, um Abwasser zu reinigen. Sie sorgen darüber hinaus für Abkühlung in unseren aufgeheizten Städten.

Dass Pflanzen auch zur Reinigung der Luft in geschlossenen Räumen beitragen können, hat die NASA bereits in den 1980er-Jahren für Aufenthalte in Raumstationen erforscht. Was jedoch kaum jemand weiß: Pflanzen können auch zur Gewinnung von Metallen sowie zur Dekontamination von Böden eingesetzt werden.

Pflanzen speichern Metalle

Das recht unscheinbare Mauer-Steinkraut etwa kann beeindruckende 100 Kilogramm Nickel pro Hektar aus entsprechenden Böden ziehen. Das Metall wird in Blättern, Stängeln, Blüten und Früchten gespeichert und kann nach der Ernte aus der Biomasse gewonnen werden.

Pflanzen, die Metalle speichern, werden aber auch eingesetzt, um wertvolle Ressourcen aus Klärschlamm, Mülldeponien und Industrieabwässern zu gewinnen. In Forschungsprojekten wird untersucht, welche Arten mit welchen Metallen gut umgehen können. Neben der Rohstoffgewinnung kann das Material auch entgiftet und so dem biologischen Kreislauf wieder zugeführt werden, etwa zur Düngung in der Landwirtschaft.

Umdenken gefragt

„Wir sollten uns von dem Denkmuster befreien, dass Abfall dreckig, grauslich und wertlos ist. Fast jeder Abfallstoff kann eine Ressource für etwas anderes sein oder er kann so aufbereitet werden, dass der positive ökologische Fußabdruck größer wird“, ist Biologin Heitzlhofer überzeugt. 

Zudem wurde LooPi im Rahmen des Technologieprogramms „Stadt der Zukunft“ aus Mitteln des Klimaschutzministeriums gefördert. Zuletzt gewann das Konzept den Nachhaltigkeitspreis „Green Concept Award 2021“.

Abwasserreinigung bereits erprobt

Das autarke Toilettensystem ist für die Entwickler kein absolutes Neuland. Das Prinzip der Pflanzenwand zur Aufbereitung von Schmutzwasser ist bereits erprobt und stammt aus dem Vorgängerprojekt vertECO. Eingesetzt wurde es, um sogenanntes Grauwasser – darunter versteht man den Abfluss aus Duschen, Handwaschbecken, aber auch der Küche – über die Pflanzenreihen zu säubern.

Danach konnte es als Brauchwasser, etwa zum Gießen von Gartenanlagen, aber auch  zur Toilettenspülung oder Textilreinigung wiederverwendet werden. In einem spanischen Hotel etwa tut die grüne Wand bereits seit 2015 ihre Dienste und verschönert nebenbei die Poolbar.

System gegen Wasserknappheit

„Gerade in mediterranen Ländern wird fieberhaft nach Lösungen gegen die Wasserknappheit gesucht. Im niederschlagsarmen  Sommer kommen Millionen von Touristen ins Land. Gleichzeitig ist auch die Landwirtschaft auf die Bewässerung angewiesen“, erklärt Heitzlhofer. Mit Lösungen zur Wasseraufbereitung könne man die begrenzten Ressourcen viel besser nutzen.

„Dass in den meisten Industrieländern historisch bedingt immer noch mit Frischwasser gespült werde, ist in vielen Regionen der Welt undenkbar.“ In Afrika und Indien versuche man beim Aufbau der Infrastruktur unsere Fehler zu vermeiden. Auch die Nährstoffgewinnung aus menschlichen Ausscheidungen spiele dort eine große Rolle. „Die Erzeugung von synthetischem Dünger ist nicht nur klimaschädlich, viele Leute können sich diesen einfach nicht leisten“, sagt Heitzlhofer.

Autarkes System

Wie sich das ökologische Klo in Wien in der Praxis schlagen wird, werden die nächsten Monate zeigen. Die Kosten für ein LooPi bewegen sich laut den Entwicklern unter denen für eine herkömmliche öffentliche Toilette. Das System ist in Container-Größe konzipiert und kann einfach mit einem LKW geliefert werden. Ein direkter Wasser- oder Kanalanschluss ist nicht notwendig.

Bei der Bepflanzung wird auf heimische Arten zurückgegriffen. Bis sich die optimale Mikroorganismen-Population einstellt, dauert es 4 bis 6 Wochen. Als Herausforderung gilt naturgemäß der Winter. „Die Pflanzen sind zwar winterhart, die Organismen in der Erde arbeiten aber langsamer.  Wie gut die Reinigungsleistung dann noch ist, werden wir nach der kalten Jahreszeit wissen“, erklärt Heitzlhofer. Da LooPi als mobile Lösung konzipiert sei, könne die Toilette aber auch saisonal eingesetzt werden.

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft  (FFG).

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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