Mehlwürmer zum Essen

Mehlwürmer zum Essen

© FH Joanneum/futurezone

Science

Mehlwürmer statt Kalbsschnitzel: Warum wir Insekten essen sollten

2023 hat die Erde erstmals die Marke von etwa 8 Milliarden Einwohner*innen erreicht. Damit hat sich die Weltbevölkerung seit 1950 mehr als verdreifacht. Laut einer Prognose der Vereinten Nationen soll sie bis 2100 noch weiter auf über 10 Milliarden Menschen anwachsen. Das bedeutet, dass in Zukunft mehr Lebensmittel erforderlich sind.

„Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen Regionen wie Asien, in denen mehr Wohlstand kommt, Menschen tendenziell mehr tierisches Eiweiß essen“, sagt Simon Berner, Professor für Nachhaltiges Lebensmittelmanagement an der FH Joanneum. Die Sicherstellung einer nachhaltigen Ernährung mit hochwertigen Proteinen gilt diesbezüglich als eine der größten Herausforderungen der Zukunft.

Ein Ansatz, diese Versorgung ökonomisch, ökologisch und sozial verträglich sicherzustellen, ist, Insekten als Proteinquelle zu nutzen. Ihr Proteingehalt beläuft sich auf bis zu 70 Prozent.  

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Gesundes Wachsen

Berner untersucht in einem von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projekt die nachhaltige und effiziente Erzeugung des Insektenproteins in Österreich entlang der Wertschöpfungskette. Im Fokus stehen Mehlwürmer. „Der Mehlwurm ist ernährungsphysiologisch sinnvoll, denn er ist reich an gesunden Proteinen“, sagt der Forscher. 

Mehlwurmforschung im Food Processing Lab der FH Joanneum in Graz mit Simon Berner (li.)

Die Insekten sind voller Eisen, Kalzium, Zink und Vitaminen und enthalten hochwertige Amino- und Fettsäuren. „Vom Eiweiß her sind sie ähnlich wertvoll wie Kalbfleisch“, sagt Berner der futurezone. Zudem seien sie relativ einfach zu halten und sehr effizient in der Futterverwertung.

EU-Gesetzgebung

Lange Zeit waren Insekten in der EU nicht als Lebensmittel zugelassen. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Bereits 2021 hat die Europäische Kommission Mehlkäfer (und Mehlwürmer) sowie Wanderheuschrecken als neuartige Lebensmittel legalisiert.

2023 wurde die Liste um 2 weitere Insekten ergänzt. So sind nun auch der Getreideschimmelkäfer und die Hausgrille zugelassen.

2 Milliarden Menschen weltweit ernähren sich laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen von Insekten. Zu den essbaren Arten zählen etwa Käfer, Raupen und Bienen.

Zunächst hat Berner und sein Team erhoben, welche Beiprodukte es in Österreich als Futtermittel für die Insekten gibt, damit  sie gut wachsen, gesund bleiben und sich fortpflanzen können. Gemeinsam mit Studierenden wurden in verschiedenen interdisziplinären Lehrveranstaltungen Zuchtanlagen gebaut, in denen Fütterungsversuche durchgeführt wurden. Dabei kamen Beiprodukte zum Einsatz, die als Futtermittel zulässig, aber nicht mehr gut verwertbar sind.  

„Abfall darf man ihnen nicht füttern“, betont er. Mehlwürmer bevorzugen stärkehaltige und trockene Futtermittel, wie Weizenkleie – ein Nebenprodukt der Mehlproduktion. „Neben Brutschränken haben wir zudem eine komplexere Sortieranlage gebaut“. Denn die Zucht sei nicht effizient, wenn erwachsene Insekten, Eier und Larven gemeinsam in einer Box sind. Unter anderem könnten sich die Käfer kannibalisieren.

Artgerecht töten

Auch eine artgerechte Tötung der Insekten ist Thema des Projekts. „Man kann sie schnell erhitzen oder einfrieren“, sagt der Forscher. Letzteres sei nicht ungewöhnlich, da sie im Herbst auch in Winterschlaf gehen und einfrieren. Werden sie nicht mehr aufgetaut, sterben sie schmerzfrei ab. Das Erhitzen hingegen funktioniert wie bei Krebsen und gilt ebenfalls als artgerecht und schmerzfrei.

Mehlwurmzucht im Food Processing Lab

Um die Insekten weiterzuverarbeiten, wurden sie schließlich getrocknet. „Wir haben sie als ganze Würmer zum Verzehr ausprobiert und dann auch entölt und somit das hochwertige Öl daraus gewonnen. Die Insekten haben wir dann als Mehl verwendet, um daraus Lebensmittel herzustellen“, so Berner. Erzeugt wurden Lebensmittel wie Nudeln, Backwaren und diverse Aufstriche.

Klimafreundlichere Zucht

„Schließlich haben wir uns den ökologischen Fußabdruck angeschaut“. Generell gilt sie als umwelt- und klimafreundlicher als die herkömmliche Tierzucht. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen braucht es die 25-fache Menge an pflanzlichem Futter, um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren. Bei Insekten ist es die 2-fache Menge. Die Insekten produzieren zudem weniger CO2 und brauchen in der Aufzucht nur wenig Wasser.  

Laut Berner werden sie die Nachhaltigkeit aber nicht retten: „Insekten sind keine Eier legende Wollmilchsau, aber ein nachhaltiges Teilchen in einer nachhaltigen Welt“. Besonders großes Potenzial haben sie hierzulande als Futtermittel. Österreich sei jetzt schon auf Soja-Importe für die Schweinezucht oder auf Fischmehl zum Füttern der heimischen Fische angewiesen. Durch die Insektenzucht könne man das Futtermittel künftig selbst erzeugen. 

Das Forschungsprojekt läuft im Oktober aus. Die Kompetenzen, die in dessen Rahmen aufgebaut wurden, sollen Nachfolgeprojekten nutzen. Die Forschungsergebnisse werden im September auf der Konferenz Insecta vorgestellt. 

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

Burger-Pattys aus Hausgrillen

In Österreich gibt es bereits einige wenige Insektenzüchter, die diverse Lebensmittel aus Krabbeltieren produzieren. Einer davon ist das Wiener Start-up Zirp Insects. Unter anderem stellt dieses statt den klassischen Burger-Patties aus Rindfleisch Laibchen aus Insekten her.

Gegründet wurde Zirp Insects im Jahr 2017 – seitdem werden Buffalowürmer, Mehlwürmer und Hausgrillen zu immer mehr essbaren Produkten verwertet. Darunter fallen etwa Proteinriegel, Backmischungen, knusprige Snacks und Schokolade. Die Insekten werden unter streng kontrollierten Bedingungen für den menschlichen Verzehr gezüchtet. 

Insektenfarmen

Bekannt ist auch das heimische Start-up Livin Farms, das seit mehreren Jahren Insektenfarmen zum Verkauf anbietet. Mit der ersten Version „Hive Home“ etwa konnten Mehlwürmer in mehreren Etagen gezüchtet werden, um anschließend schockgefroren, gekocht und verspeist zu werden. Die Insektenfarm wurde an  Hunderte Kund*innen in 38 Länder ausgeliefert.  

Daneben setzt auch der Kärntner Züchter Prime Insects auf die Krabbeltiere. Seit 2017 werden hier Lebensmittel aus Mehlwürmern hergestellt. Laut  Simon Berner von der FH Joanneum sei der Geschmack der Insekten generell nicht so exotisch, wie viele vermuten. „Die Menschen, die sie probiert haben, sagen immer, dass Mehlwürmer leicht nussig schmecken – Grillen fast erdig. Wenn sie nicht gewürzt sind, schmecken sie aber nach wenig“.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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